(hpd) Der Soziologe Achim Bühl will mit seinem Buch eine Gesamtdarstellung zum Thema mit der Hervorhebung einer Kontinuität von Vorurteilen vom Mittelalter bis in die Gegenwart vorlegen. So erhellend vor allem die gezielte Aufarbeitung von Mustern ist, so problematisch ist das Fehlen einer klaren Trennlinie von fremdenfeindlicher Islamfeindschaft und menschenrechtlicher Islamkritik.
Eine Reihe von empirischen Studien, die nach dem Ausmaß der Verbreitung von Vorurteilen gegenüber Minderheitengruppen fragen, belegen einen Anstieg der Ablehnung und Feindschaft gegenüber Muslimen. Gerade im Kontext der Sarrazin-Debatte ist dieser Sachverhalt noch einmal öffentlich deutlich geworden. Bei den hier angesprochenen islam- und muslimenfeindlichen Diskursen handelt es sich inhaltlich aber um keine neuen Phänomene. Vielmehr knüpfen die entsprechenden Inhalte an eine jahrhundertlange Tradition an. Darauf macht der Soziologe Achim Bühl in seinem Buch „Islamfeindschaft in Deutschland. Ursprünge, Akteure, Stereotype“ aufmerksam. Darin konstatiert er bereits zu Beginn: „Islam-Bashing ist in Deutschland keineswegs geächtet, sondern salonfähig, die Gleichsetzung von Islam und Terror vollzieht sich nicht nur in den Köpfen Ewiggestriger, sondern in den Äußerungen ihrer politischen, ökonomischen kulturellen Elite. Islamhass ist hier zu einer akzeptablen Haltung geworden“ (S. 10).
Der Autor gliedert seine Arbeit in sechs unterschiedlich lange Kapitel: Zunächst geht es um die historische Ursprünge der Islamfeindlichkeit, die in den Kreuzzügen gesehen werden, in der Angst vor der „Türkengefahr“ ihre Fortsetzung fanden und auch im „christlich-kolonialistischen Islambild“ des Romanautors Karl Mays nachweisbar seien. Danach geht Bühl auf den vielfach ignorierten arabischen bzw. islamischen Beitrag zur europäischen Kultur ein. Dem folgt das längste Kapitel zur modernen Islamfeindlichkeit mit Ausführungen zur Sarrazin-Debatte, der Kopftuch-Kontroverse, dem Moscheebau-Streit, der Islamfeindlichkeit der Kirchen und dem Islam-Bild der Medien. Anschließend widmet sich Bühl dem Kontext von Islamfeindlichkeit und Migration und fragt nach der Angemessenheit eines Vergleichs von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Und schließlich erörtert er noch die Angemessenheit der begrifflichen Erfassung des Gemeinten, wobei gegen den Begriff „Islamphobie“ und für die Kategorie „Islamfeindlichkeit“ plädiert wird.
Immer wieder hebt Bühl die formalen Gemeinsamkeiten alter und neuer Islamfeindlichkeit hervor: „Die Analyse der Muster islamfeindlichen Denkens im aktuellen Diskurs ergibt somit, dass es sich um eine Stereotypie handelt, die über ausgeprägte historische Quellen verfügt, wobei sich drei Hauptgruppen voneinander unterscheiden lassen und zwar erstens: Türken- und Islambilder des Mittelalters sowie der Neuzeit, deren argumentative Raster adaptiert werden, zweitens antisemitische Stereotype, die auf eine andere Opfergruppe in Gestalt der Muslime transferiert werden sowie drittens einige wenige genuin postmoderne Stereotype, die über keine historischen Vorbilder verfügen. Bei den in der Islamfeindlichkeit zum Einsatz gelangenden stereotypen Mustern handelt es sich somit in der Regel um Bilder, die sich kollektiv ins Bewusstsein eingegraben haben und nunmehr eine Reaktivierung erfahren“ (S. 300). Die islamfeindlichen Muster, die über Jahrhunderte in der Kultur verankert gewesen seien, ermöglichten heute ein nahezu müheloses Andocken.
Bühls Arbeit kommt das Verdienst zu, eine informative Gesamtdarstellung zum Thema „Islamfeindlichkeit“ vorgelegt zu haben. An vielen Beispielen wie etwa der Juden- und Muslimenfeindschaft Martin Luthers kann er die historische Kontinuität einschlägiger Einstellungen gut belegen. Mitunter ist seine Literaturgrundlage etwas dünn, oder er verweist etwas unkritisch auf Internet-Einstellungen auf Wikipedia. Gleichwohl vermag Bühl die Muster des islamfeindlichen Diskurses immer wieder anschaulich herauszuarbeiten. Die auf dem Klappentext vom Verlag angebrachte Frage „Wo liegt die Grenze zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit?“ beantwortet er aber gerade nicht. Zwar verweist Bühl bei den Ausführungen zum Kopftuch- und Moscheenstreit darauf, es könnte hier kritische Auffassungen auch aus einer nicht-islamfeindlichen Position heraus geben (vgl. 170, 175). Diese Einsicht durchzieht aber als grundsätzliche Auffassung nicht den Text des Buches, das dadurch eine etwas apologetische und einseitige Dimension annimmt.
Armin Pfahl-Traughber
Achim Bühl, Islamfeindlichkeit in Deutschland. Ursprünge, Akteure, Stereotype, Hamburg 2010 (VSA-Verlag), 319 S., EURO 22,80.