WIEN. (hpd) Das Königreich Saudi-Arabien errichtet, mit höchstoffiziellem Segen der Republik Österreich, ein „Zentrum für interreligiösen und interkulturellen“ Dialog in der Wiener Innenstadt. Kritiker sehen das vor allem als PR-Kampagne für den Wahabismus.
Viel scheint das Beruhigungsgespräch nicht gebracht zu haben, zu dem das Außenministerium am Mittwoch Kritiker des „König Abdullah Bin Abdulaziz-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ geladen hatte. Freidenker, Wissenschaftler, Grüne, liberale Muslime – alle waren gekommen, um sich anzuhören, dass das geplante Zentrum keinesfalls Einfallstor für den Wahabismus nach Mitteleuropa sein werde. Der König gebe dem nur seinen Namen, inhaltliche Vorgaben werde es keine geben, hieß es. Außerdem werde das Zentrum eine internationale Organisation sein, wie es viele in Wien gibt. In Wahrheit sei es auch ein innersaudisches Signal nach Reformen, wie etwa auch Nahost-Expertin Gudrun Harrer im Standard argumentiert. Daran, dass die Außenminister Saudi-Arabiens, Österreichs und Spaniens am nächsten Tag den Gründungsvertrag „im Rahmen eines feierlichen Staatsaktes“ unterzeichneten, vermochten die Fragen der Kritiker bei dem Treffen ohnehin nichts zu ändern.
Österreichs Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), selbst Mitglied des katholischen Elite-Ordens der Ritter von Jerusalem, fühlt sich sichtlich geschmeichelt, dass die Saudis ausgerechnet Wien als Standort für ihr Prestigeprojekt auserkoren haben. Das stärke das Ansehen der Stadt als Standort internationaler Organisationen. Und: „Die neuerliche Gewalteskalation Anfang der Woche in Ägypten ist nur ein trauriges Beispiel weltweit wachsender Spannungen zwischen religiösen Gruppen. Dialog mit und unter Religionsgemeinschaften ist daher wichtiger denn je und unerlässlich für langfristigen Frieden und Sicherheit. Mit dem neuen Zentrum wird diesem Dialog erstmals eine stabile und permanente internationale Plattform geboten. Österreich erachtet das Zentrum als einen wichtigen Beitrag zur Prävention und Bewältigung von Konflikten und zur Friedenskonsolidierung.“
Die Kosten würden vorerst gänzlich von der saudischen Regierung getragen, von der Republik gebe es keinen Cent. Langfristig sind österreichische Zahlungen nicht ausgeschlossen, wie aus der Ministerratsvorlage hervorgeht, die dem hpd vorlegt: „Das Zentrum wird durch freiwillige Beiträge der Vertragsparteien und durch sonstige freiwillige Zuwendungen finanziert werden. Allfällige für die Republik Österreich aus dem Abschluss des Abkommens entstehende Kosten werden aus den Mitteln des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (so der offizielle Name des Außenministeriums, Anm.) gedeckt.“
Kritiker nehmen Spindelegger nicht für voll
Die zahlreichen Kritiker fühlen sich nicht ernst genommen – oder nehmen ihrerseits den Außenminister nicht für voll. Sie vermuten, er sei einer Mischung aus saudischer Propaganda und der Aussicht, österreichische Firmen könnten gute Geschäfte im Wüstenstaat machen, erlegen. „Die Argumentation des Ministeriums, dass es keine inhaltliche Vorgaben der Saudis gibt und das kein Feigenblatt für den Wahabismus ist, ist aus meiner Sicht naiv“, sagt etwa der Wiener Politologe und Islamexperte Thomas Schmidinger gegenüber dem hpd. Ebenfalls deutlich Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen im österreichischen Nationalrat: „Die heutige Unterzeichnung des Abkommens zur Gründung des 'König Abdullah Bin Abdulaziz-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog' erhebt den König eines Landes, in dem Religions- und Meinungsfreiheit ein Fremdwort ist, zum glorreichen Namensgeber einer internationalen Organisation.“ Gerhard Engelmayer vom Freidenkerbund zeigt sich etwas ratlos, was das Ganze überhaupt bringen soll und hält das Zentrum eher für einen PR-Schmäh: „Dass dieser Dialog schon längst auf vielen Ebenen in vielen Ländern im Gange ist und nichts gebracht hat, wird geflissentlich verschwiegen.“ Zumal nur Vertreter der Mainstream-Religionen im Direktorium der internationalen Organisation sitzen sollen. Konfessionsfreie oder etwa Schiiten und Aleviten sind als Ansprechpartner nicht vorgesehen.
Öffentliche Debatte wurde anscheinend vermieden
Die Skepsis kommt nicht nur von den Zuständen in Saudi-Arabien. Dort gilt der Wahabismus als Staatsreligion, selbst andersdenkende Muslime werden verfolgt, von Angehörigen anderer Religionen oder gar Atheisten ganz zu schweigen. Wer sich vom Islam lossagt, wird geköpft. Die Skepsis rührt auch aus der Geheimniskrämerei um das Zentrum. Hätte das Thema nicht in einen Nationalratsausschuss gemusst, hätte die Öffentlichkeit vermutlich erst nach der offiziellen Vertragsunterzeichnung von dem Zentrum erfahren. Es war die grüne Abgeordnete Alev Korun, die vergangene Woche auf das Thema aufmerksam machte. Davor gab eine dürre Aussendung des Außenministeriums, wo das geplante Zentrum in einem Nebensatz erwähnt wurde. „Die Presse“ berichtete kurz. Und eher zufällig wurde in einem Artikel des vatikaneigenen Osservatore Romano bzw. von Radio Vatikan erwähnt, dass das Zentrum einen Leiter habe. Faisal bin Muammar ist saudischer Vize-Minister für Bildung und leitete den „Nationalen Dialog“ in seinem Heimatland. Ein Reformprogramm, das von König Abdullah angeregt wurde, dem westliche Medien eher Feigenblattcharakter attestieren.
Die Erfahrung, die man bisher mit saudischem Engagement in Europa gemacht hat, lassen bei keiner der skeptischen Gruppen Freude aufkommen. Das Moscheebau- und Ausbildungsprogramm in Bosnien war offiziell Wiederaufbauhilfe für die Bosniaken nach dem Bürgerkrieg in Bosnien. Die Moscheen, die aus Petrodollars bezahlt wurden, haben sich zu wahabitischen Zentren in der traditionell sehr liberalen bosniakischen Gemeinschaft entwickelt. Auch in Deutschland wird in saudisch finanzierten Moscheen der Wahabismus gepflegt.
Internationale Legitimierung des Wahabismus
Das König-Abdullah-Programm dürfte andere Absichten verfolgen als bloße wahabitische Verkündigungsstruktur zu sein, vermutet Islamexperte Schmidinger. „Es soll internationales Verständnis für den wahabitischen Islam wecken und es ist das Ziel, den wahabitischen Islam als einzigen Gesprächspartner im Westen zu etablieren.“ Was auch erklärt, warum das Zentrum in Wien steht und nicht in Saudi-Arabien und man sich so offensiv um diplomatische Anerkennung bemühte. „Aus Sicht der saudischen Regierung stellt die Unterschrift des österreichischen Außenministers eine starke Legitimierung dar.“
Was den Anspruch der Familie Saud, die Bewahrer des einzig wahren Islam zu sein, vermutlich stärken würde. Aus Sicht der Grünen erfolgreich: So ließen sich die Menschenrechte aus dem innerreligiösen Dialog heraushalten, sagt Abgeordnete Korun. Mit kräftiger Mithilfe des österreichischen Außenministeriums. Ob Naivität oder Zynismus hinter der aktiven Rolle Minister Spindeleggers stehen, würde sich vermutlich nicht klären lassen. Der lobte am Tag vor der Unterzeichnung auch die guten Geschäftsbeziehungen zu Saudi-Arabien.
Eine Gefahr, dass der Wüstenstaat das Zentrum wie so viele Initiativen zuvor missbrauchen könnte, besteht laut Spindelegger nicht. „Es ist ein Zentrum der Weltreligionen und kein privates Missionszentrum. Es kann nicht als Propagandazentrum für einen Vertragsstaat oder für einzelne religiöse Richtungen missbraucht werden.“ Sofern nicht schon die Gründung alleine eine Propagandaaktion war, dass der wahabitische Islam so intolerant gar nicht sein könne. Immerhin werden sogar Frauen begnadigt, die es gewagt haben, Auto zu fahren.
Wie die These von Ministeriumsbeamten entstand, das Zentrum sei ein Zeichen für innersaudische Reformen, wird sich vermutlich nicht restlos klären lassen. Islamexperte Schmidinger hält die Argumentation für wörtlich „absurd“: „Der saudische König ist mächtig genug, um Reformen in seinem Land durchzusetzen.“ Eine Außenstelle in Wien brauche der dazu bestimmt nicht.
Christoph Baumgarten