Konfessionsfreie sollen Kirchenbudget sanieren

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Max Hiegelsberger / Foto: bauernbund.at

LINZ. (hpd) Wie in allen EU-Staaten wird in Österreich über die Budgetsanierung diskutiert. Einen interessanten Vorschlag liefert ein oberösterreichischer Regionalpolitiker: Er fordert eine Sondersteuer für „Kirchensteuer-Flüchtlinge“. Damit soll zumindest das Budget für den Denkmalschutz entlastet werden. Oder wahlweise das der katholischen Kirche.

Für einen Regionalpolitiker wie den Agagrlandesrat und Bauernbund-Landesobmann Max Hiegelsberger von der konservativen ÖVP ist die Sache bestechend einfach: Viele denkmalgeschützte Gebäude sind Kirchen oder Klöster. Davon haben auch die Nicht-Katholiken etwas. Also sollen sie zahlen. Statt der „Kirchensteuer“ (die in Österreich Kirchenbeitrag heißt, Anm.) soll das eine Art Sondersteuer sein. Mit 1,1 Prozent des Einkommens theoretisch in gleicher Höhe wie der Kirchenbeitrag.

Gegenüber dem ORF Oberösterreich rechtfertigt der Agrarpolitiker seine kulturpolitischen Forderungen so: „Es ist derzeit das Aufkommen zur Erhaltung der Gebäude ungerecht verteilt. Nur jene, die aufgrund ihres Religionsbekenntnisses einen Beitrag zahlen, bekennen sich dazu. Es gibt viel mehr Gebäude als nur die der römisch-katholischen Kirche. Ich denke, es wäre gerecht, darüber nachzudenken, ob man nicht generell auf dieses System umstellen sollte.“ Unterstützung kam prompt von Hiegelsbergers Bundesparteiobmann Michael Spindelegger. Die Partei des Außenministers und Vizekanzlers hatte sich in den vergangenen Monaten deutlich gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Die Sondersteuer für Konfessionsfreie scheint für den Bundesobmann kein Tabu zu sein. Das solle man prüfen und nicht von vornherein ausschließen, meinte er gegenüber Medien.

Nicht nur nach Meinung von Niko Alm, Sprecher der Konfessionsfreien und des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien haben diese Forderungen nichts mit der Realität zu tun. „Die katholische Kirche bekommt mehr als die Hälfte der Förderungen für Denkmalschutz von Landes- und Bundesebene“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Konfessionsfreien gegenüber dem hpd. Auch hpd-Recherchen legen nahe, dass sich Hiegelsberger nicht mit Recherche zur Finanzierung der Denkmalpflege belastet hat, bevor er die Sondersteuer für Konfessionsfreie forderte. Demnach galten im Jahr 2009 nur knapp mehr als acht Prozent aller denkmalgeschützten Objekte in Österreich als Sakralbauten – für sie wurde trotzdem mehr als die Hälfte des gesamten Denkmalschutzbudgets ausgegeben. Das wird aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert und kommt von allen steuerpflichtigen Österreicherinnen und Österreichern. Unabhängig vom Religionsbekenntnis.

„Was zahlt die Kirche eigentlich selbst?“

„Dazu kommen noch etliche Sonderförderungen“, sagt Alm. „Im Vorjahr hat die Stadt Wien 200.000 für die Sanierung des Papstkreuzes berappt und zahlt ab sofort die Erhaltung – und das ist noch nicht mal denkmalgeschützt.“ Weitere Beispiele, die Alm vorliegen: „Die Stadt Krems zahlt auch nächstes Jahr 100.000 Euro für Kirchenrenovierungen, und das bei einem Sparbudget.“ Auch vor finanzschwachen Kleinstädten macht das nicht halt. Die Gemeinde Wolkersdorf subventioniert die Sanierung des Pfarrhofs 2012 mit 15.000 Euro. Zusätzlich zu Förderungen des Landes.

Und bei größeren Renovierungen rühren Stifte und Diözesen zuverlässig die Werbetrommel, um Spenden zu lukrieren. Die Spendenkomitees für Stephansdom und Mariazell sind Dauereinrichtungen geworden. „Wenn man Mariazell nimmt: Zur Basilika pilgern jährlich 1,5 Millionen Menschen. Und da schafft man es nicht, die Renovierung selber zu finanzieren?“ meint Alm. „Was an den ganzen Renovierungen zahlt die Kirche eigentlich selbst?“ Fazit: „Ein beträchtlicher Teil der Renovierungen wird schon jetzt von den knapp zwei Millionen Konfessionsfreien in Österreich mit finanziert.“

Auch eine weitere Aussage Hiegelsbergers hält einer Überprüfung nicht stand: „Der Kirchenbeitrag stellt ja nicht nur sicher, dass die Religion und die Funktionen aufrechterhalten werden, sondern ein wesentlicher Beitrag geht ja auch in die Erhaltung der Gebäude.“

In Hiegelsbergers Heimatdiözese Linz etwa wurden laut Rechenschaftsbericht 2010 15 Millionen aus dem Gesamtbudget von 88 Millionen für „Bauaufwand“ ausgegeben. Das macht knapp 16 Prozent. In dieser Summe sind auch Neubauten von Schulen und Kindergärten enthalten. Im gleichen Jahr erwirtschaftete die Diözese einen Überschuss von 201.000 Euro. In den anderen Diözesen sieht es nicht wesentlich anders aus.

Wer soll die Sondersteuer zahlen?

Bleibt die Frage, von wem die Hiegelsberger-Steuer eingehoben werden soll. Nur von ausgetretenen Katholiken? Von allen Konfessionsfreien? Oder auch von Mitgliedern von Religionsgemeinschaften, die keinen Religionsbeitrag einheben, wie die Zeugen Jehovas oder die Muslime? Der hpd hat Hiegelsberger und seiner Pressesprecherin diese Fragen per Mail geschickt. Antwort bislang: keine. Für eine telefonische Rückfrage war das Büro nicht mehr zu erreichen.

Bleibt noch die Frage nach Hiegelsbergers Sprache. Die stößt Niko Alm sauer auf. „Allein der Ausdruck Kirchensteuer-Flüchtlinge diffamiert die Menschen zutiefst, die in den vergangenen Jahren aus Abscheu über strukturelle sexuelle Gewalt an Kindern und ihre systematische Vertuschung die römisch-katholische Kirche verlassen haben. Das ist unterste Schublade.“ Es lasse auch tief blicken, dass ein Berufspolitiker nicht verstehen könne, dass man eine solche Einrichtung nicht mitfinanzieren wolle. „Mit seinem Vorschlag entzieht er jedem mündigen Bürger das Recht, mit einer Religion, vor allem mit der katholischen Kirche, nichts zu tun haben zu wollen. Weil dann selbst bei einem Austritt wieder Geld der Kirche zugutekommen würde. Das ist demokratiepolitisch unwürdig“, sagt Alm.

Christoph Baumgarten