BERLIN. (hpd) Das jedenfalls ist die Meinung der Tagesspiegel-Autorin Claudia Keller. In einem Artikel von gestern “Wer an Gott glaubt, hat den notwendigen Horizont“ bemüht sie sich, der Ungerechtigkeit “im Namen des Herren” ein Loblied zu singen. Mir ist übel.
Frau Keller schreibt doch tatsächlich: “Mit Joachim Gauck wird ein evangelischer Christ Bundespräsident. … Acht der zehn bisherigen Staatsoberhäupter waren Protestanten. Die meisten waren es nicht nur auf dem Papier, sondern engagierten sich intensiv in ihrer Kirche.”
Das allein zeigt, dass es mit der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland nicht weit her ist. Denn wenn das Staatsoberhaupt eines modernen und säkularen Staates Kirchenmann ist, ist die Kirche Teil des Staatswesens. Das war schon bei Gaucks Vorgänger, dem evangelikalen Wulff, ein großes Problem. Denn – wie es sich zeigte – die “Moralvorstellungen”, die diese Herren hegen, entsprechen zum einen nicht mehr der Wirklichkeit, und zum anderen halten sie sich nicht an ihre eigenen, großen Worte.
Viel schlimmer als dieses augenwischende Geschreibe sind dann jedoch die Folgesätze: “Einen Konfessionslosen gab es noch nie in diesem Amt. Das ist kein Zufall. Der Bundespräsident sollte jemand sein, der über den Tag hinausdenkt und gesellschaftliche Zusammenhänge vor einem Horizont zu deuten vermag, der den Alltag übersteigt.”
Damit unterstellt Frau Keller einem Drittel der deutschen Bevölkerung (vermutlich sogar mehr als nur einem Drittel) Dummheit und Planlosigkeit. Das ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten.
Die Kirchen und vor allem ihre Vertreter haben so gut wie keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung. Das jedoch wollen weder Politiker noch deren Speichellecker erkennen.
Wenn es nicht so beleidigend wäre, was Frau Keller uns da an den Kopf wirft; man könnte weise drüber lächeln: Klingt es doch wie das Singen im Walde. Wer sich einredet, zu “den Guten” zu gehören, muss Realität ausblenden. Denn ansonsten würde er (oder sie) erkennen, wie nackt der Kaiser ist.
F.N.