„Schwule und Atheisten" - Das ist gut so

MÜNCHEN. (hpd) Der bfg München hatte vor einigen Wochen einstimmig im Vorstand

beschlossen, für die diesjährige Parade am Christopher-Street-Day einen Mottowagen mit zu tragen und die Parade mit zu gehen.

Die Veranstaltungen zum CSD erinnern an „(...) den ersten, bekannt gewordenen Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street im Stadtviertel Greenwich Village: In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 fand in der Bar Stonewall Inn der so genannte Stonewall-Aufstand statt. Zu dieser Zeit gab es immer wieder gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit homosexuellem Zielpublikum. Es kam in der Folge zu tagelangen Straßenschlachten zwischen Homosexuellen und der Polizei. Um dem ersten Jahrestag des Aufstands zu gedenken, wurde das Christopher Street Liberation Day Committee gegründet. Seit dem wird in New York am letzten Samstag des Juni, dem Christopher Street Liberation Day, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden, im Sommer eine Demonstration für die Rechte von Schwulen und Lesben abzuhalten. In Berlin, Köln und anderen deutschen Großstädten werden diese Demonstrationen jedes Jahr als Christopher Street Day oder kurz „CSD" abgehalten. (...).

Gemeinsam getragen von bfg München, der „Deutschen Eiche" und dem „LSVD" wurde bei der Parade in München der Auto-Anhänger mit den von Dietmar Holzapfel und seinen Helfern gestalteten Bischöfen und der Papstfigur, geschmückt durch kritische Anmerkungen rundherum, durch die Münchner Innenstadt gezogen. Tausende säumten den Weg der Parade und ließen sich auf von schlechtem Wetter nicht abhalten.

Der Wagen hatte bereits im Vorfeld für reichlich Pressewirbel in der Münchner Presse gesorgt. Vor zwei Jahren hatte Holzapfel ziemlichen Ärger mit seinem damaligen Wagen, der bereits vor der Parade durch die Polizei zensiert wurde, nicht wie geplant fahren konnte und bis heute die Gerichte beschäftigt; in diesem Jahr ging Holzapfel als Hauptverantwortlicher für den gemeinsamen Wagen taktisch anders vor und meldete die geplante Meinungsäußerung mit ausführlicher Beschreibung beim Kreisverwaltungsreferat an. Ein Verbot eines solchen Wagens hätte juristisch wohl kaum „haltbar" begründet werden können, so dass – obwohl unter besonderer Beobachtung – das Gefährt mit den Wagenbegleitern vom bfg München, dem LSVD und der Deutschen Eiche ungehindert die ganze Parade-Strecke abfahren konnte und überwiegend positive Resonanz erhielt!

Wer nicht glaubt, ist nicht allein!

Zu einer echten Parade gehört jede Menge Musik. Und die lief auch auf dem „Bischöfe-mit-Papst"-Wagen unüberhörbar. Passend zum Wagen hatte Holzapfel mit dem Deutschen Theater München vereinbart, dass der Titelsong des Musicals „In Nomine Patris", das zwei Tage nach dem IBKA-Kongress im Oktober in München Premiere hat, würdiger musikalischer Begleiter beim Umzug war.

Auch wenn der Vorsitzende der Münchner „Rosa Liste", Thomas Niederbühl, nach wie vor nicht aus der Kirche austreten will (oder kann), scheint es für zahlreiche lesbische und schwule Menschen klar zu sein, dass die christlichen Kirchen für sie keine echte Weltanschauungsheimat sein können. Der bfg-info-Stand, der in unmittelbarer Nachbarschaft zum LSVD-Stand während der Feierlichkeiten am Samstag in der Münchner Innenstadt betrieben wurde, lockte – wenn auch teilweise noch eher zaghaft – zahlreiche Menschen an.

Für kurzfristigen Wirbel sorgte der Besuch der Polizei am Stand; ein katholischer Funktionär hatte Anstoß an den Postkarten genommen, die in Anlehnung an die Kunstaktion von Wolfram P. Kastner und Georg Ledig am 06.September 2006 zur Erinnerung ans Reichskonkordat von 1933 verkauft werden. Ein Herr, ähnlich einem katholischen Nuntius, steht mit einem Herrn, ähnlich Charlie Chaplin in „Der große Diktator" und grüßt die Postkartenbetrachter nicht ganz eindeutig. Doch nachdem der Prozess gegen Kastner 2007 niedergeschlagen wurde, hatte die Staatsgewalt auch hier keine Möglichkeiten, das Informations- und Anschauungsmaterial aus dem Verkehr zu ziehen. Der bfg München wird auch bei der Parade im nächsten Jahr wieder mit dabei sein und bis dahin von den schwulen und lesbischen Aktivisten vielleicht sogar gelernt haben, dass politische Aussagen durch fantasievolle und witzige Aktionen eher besser ankommen!

Assunta Tammelleo