Protest gegen geplante Datenauslieferungen

KONSTANZ. (AK Vorrat) Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung lehnt

die geplante Weitergabe von Daten im Rahmen von transatlantischen Abkommen zwischen Deutschland sowie der EU und den USA entschieden ab.

 

Stattdessen müssen sich Deutschland und die EU dafür einsetzen, dass Daten von Europäern in den USA gesetzlich geschützt werden und dass EU-Bürger vor den amerikanischen Gerichten gegen Missbrauch und Fehlentscheidungen der amerikanischen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste klagen können.

Die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA zur Datenerhebung und -weitergabe findet mittlerweile auf verschiedenen legislativen und politischen Ebenen statt:

1. Zwischen Deutschland und den USA gibt es das maßgeblich von CDU, CSU und SPD unterstützte "Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität". In dessen Rahmen sollen Informationen über Gewerkschafts- und Religionszugehörigkeit ebenso übermittelt werden, wie über sexuelle Vorlieben, politische Überzeugung und ethnische Herkunft. Wie diese Daten helfen sollen, Verbrechen aufzuklären oder zu verhindern, bleibt ungeklärt - eine Debatte, ob der Staat überhaupt diese Daten erheben und speichern dürfe, fand nicht statt.

2. Zwischen der EU und den USA wird außerdem ohne Beteiligung von Volksvertretern und hinter verschlossenen Türen ein so genanntes "Datenschutzabkommen" vorbereitet, welches dann verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss. Dieses Abkommen sieht aber bedauerlicherweise kaum Vorkehrungen zum Schutz unserer Daten vor, sondern soll hauptsächlich eine umfassende Weitergabe unserer persönlicher Daten an US-amerikanische Sicherheitsbehörden ermöglichen, unter anderem von Bankdaten, Reisedaten und Internet- Nutzungsdaten. Der schon in Europa ungenügende Schutz unserer Privatsphäre würde dadurch nahezu vollkommen ausgehöhlt.

3. Immer noch auf der Agenda Europas steht schließlich die pauschale Speicherung von Reisebewegungsdaten aller EU-Bürger bei Flugreisen. Dazu gehören Wohnadresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Adresse und Telefonnummer am Zielort, Zahlungsdaten einschließlich Kreditkartennummer, Reiseverlauf, Essen und alle zu einer Mietwagen- oder Hotelbuchung gehörenden Daten jedes Flugreisenden. Der Arbeitskreis hat auf die Verfassungswidrigkeit einer solchen Vorratsdatenspeicherung bereits Anfang 2008 hingewiesen.

"Man mag es nicht glauben: Schon wieder werden auch in angeblich stabilen Demokratien 'gesinnungspolizei-ähnliche' Methoden etabliert. Und man fragt sich: haben die Politiker, allen voran die SPD, nichts aus den Erfahrungen des dritten Reiches und der SED-Diktatur gelernt? Und die Schande der McCarthy-Ära, ist sie schon verblasst?", äußert sich Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert die deutsche und europäische Politik auf, die Sicherheitspolitik nicht mehr anhand des technisch Machbaren zu gestalten, sondern sich in erster Linie an den Grenzen des demokratischen Staatsverständnisses zu orientieren.

"Der Gesetzgeber entfernt sich mehr und mehr von den Grundgedanken unserer freiheitlichen und offenen Gesellschaft", kritisiert Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "Das, was die Verfasser unseres Grundgesetzes mit ihrer Arbeit für uns alle sicherstellen wollten, wird durch eine völlig unverhältnismäßige Datensammelwut beständig ausgehöhlt. Dagegen wehren wir uns!"

Im Hinblick auf die zunehmende Erosion des Grundrechteschutzes in ganz Europa wird der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zusammen mit einem breiten Bündnis europäischer Bürger- und Menschenrechtsorganisationen zu einem europaweiten Aktionstag im Oktober 2008 aufrufen.

Hintergrund

Eine internationale Vergleichsuntersuchung von Privacy International aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass das Datenschutzniveau der USA etwa dem von Thailand und den Philippinen entspricht. Es gebe in den USA "wenige Sicherungen und eine verbreitete Überwachungspraxis". In keinem anderen Land sei der gesetzliche Schutz persönlicher Daten und die unabhängige Kontrolle der Datenverarbeitung so gering wie in den USA.

Es gibt auch kein berechtigtes Bedürfnis nach einem verstärkten Datenaustausch. Schon heute bestehen Rechtshilfeabkommen zwischen der EU sowie Deutschland und den USA, welche die Zusammenarbeit im Rahmen konkreter Ermittlungsverfahren ermöglichen.

Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß der Schutz vor falsche Verdächtigungen und damit zusammenhängenden Sanktionen mangelhaft ist. Die USA führen eine Liste angeblicher Terrorverdächtiger, in welcher mehr als 1.000.000 Personen aufgeführt sind. Daneben haben die USA unzählige Menschen auf Flugverbotslisten gesetzt.

Zehntausende Einträge sind erwiesenermaßen falsch. Man kann kein Gericht anrufen, um gegen die Eintragung auf einer solchen Liste vorzugehen. Sogar der amerikanische Senator Edward Kennedy stand im Jahr 2004 auf einer Flugverbotsliste und hatte große Schwierigkeiten, seinen Namen wieder löschen zu lassen. Auch regierungskritische Äußerungen können zu einer Eintragung führen.

Die Europäische Union führt ebenfalls eine "Terrorist Watch List", bei der der Rechtsschutz der Betroffenen mangelhaft ist.