(hpd) Horst Herrmann kannte Karlheinz Deschner seit vielen Jahren und war ihm freundschaftlich verbunden. Für den hpd verfasste er einen sehr persönlichen Nachruf.
Wahrscheinlich können Sie sich vorstellen, wie sehr mir Karlheinz Deschner fehlt. Ich kannte ihn seit fast vierzig Jahren.
Ich habe gemeinsame Vorträge mit ihm gehalten, habe zur Verleihung des Alternativen Büchner-Preises in Darmstadt die Laudatio auf ihn gehalten und dabei die Stiftung eines nach ihm benannten Preises angeregt. Er hat meine eigenen Bücher immer überschätzt, doch ich habe - als einziger deutscher Autor überhaupt - mit ihm zusammen ein Buch machen können (“Antikatechismus”), das in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
Er hat sich stets um meine Gesundheit gekümmert. Niemand sonst hat diese Intensität der Fürsorge erreicht. Er war bei mir zu Gast. Er hat mir Dutzende von Postkarten aus seinen Urlaubsorten geschrieben. Wir haben in all den Jahrzehnten ungezählte Telefongespräche geführt, bis in die letzten Wochen hinein. Er hat mich teilhaben lassen an seinen Problemen in Ehe und Familie, an seinen finanziellen Sorgen. Seine Bücher haben mich stets mit sehr persönlichen Widmungen erreicht.
Und er hat sich, was mir wichtig ist, treffsicher wie immer über jene geäußert, die sich in seine Sonne stellten, um wenigstens Schatten werfen zu können. Ich werde hier keine Namen nennen; die Betroffenen würden sich wundern, wie genau er sie durchschaut hat. Sie spielen alle nicht, wie es heute heißt, in seiner Liga. Sie werden nicht an diesen Jahrhundertkritiker heranreichen, dessen Sprachgewalt und Stilsicherheit unerreicht bleiben.
Karlheinz Deschner hat sich bis zuletzt mit mir gesiezt. Wir haben uns immer wieder über unsere jahrzehntelange Freundschaft unterhalten: Ob wir uns überhaupt Freunde nennen durften, war die Frage. Theodor W. Adorno hat das Duzen sinngemäß als eine Kümmerform der Freundschaft bezeichnet, vor allem jenes Verhalten, das sich an den Größeren anbiedert und Intimität vorgaukelt. Karlheinz Deschner, mit dem ich persönlicher verbunden war als viele andere, hat - ein Zeichen der Größe - immer eine Nobilität des Intellekts bezeugt, die auf “Freundschaften” herkömmlich geläufiger Art verzichten konnte. Weder er noch ich haben sich über diese Tatsache gewundert. Ich habe all die Jahrzehnte über kein Wort dazu verloren, nicht einmal über den Dank, den er mir dafür aussprach, dass ich ihn, den geborenen Melancholiker, ja Pessimisten, immer wieder aufgemuntert habe. Wirklich: Wir haben, in seinem Leben eine Seltenheit, bei jedem Gespräch zusammen gelacht. Ich darf Friedrich Nietzsche zitieren, der sagte, der Mensch habe das Lachen erfunden, weil er so tief litt. Diese Anmerkung paßte gewiss auf Karlheinz Deschner, den verstummten Freund. Sein Lachen fehlt mir besonders.