Stalin und Hitler
Ich lasse es zunächst einmal darauf beruhen, damit die anderen Anwesenden ebenso die Gelegenheit bekommen, kritische Fragen zu stellen. Es folgt auch sogleich die Wortmeldung einer Dame, welche auf die schrecklichen Folgen „gottloser Systeme“ aufmerksam macht. Sie spricht die „Trümmerhaufen“ an, die in Würzburg zu sehen waren und weist darauf hin, dass sie in einer „atheistischen Diktatur“ aufgewachsen sei. „Ohne Sonnenschein und Gott geht das ganze Volk bankrott“, soll ein mutiger Pfarrer damals eine Propagandazeile parodiert haben. Komischerweise ist auch jene Dame der Meinung, dass Christen in Deutschland in der Minderheit sind, was der Herr Bischof weiterhin nicht so sieht. Vielleicht wollen Christen ja in der Minderheit sein? Das waren sie in ihrer Blütezeit unter Kaiser Konstantin schließlich zunächst auch. Da hätte ich bestimmt nichts einzuwenden.
Lieber Kant als Dekalog
Es folgt zunächst die Wortmeldung eines Polizisten, der es für blauäugig hält, einfach die Zehn Gebote in den Raum zu stellen, wenn die Leute zum Beispiel nichts zu essen haben. Der Bischof nutzt die Gelegenheit, um das Gegenteil von dem zu sagen, was er vorher gesagt hat: „Das Grundgesetz basiert auf den Zehn Geboten. Die Charta der Vereinten Nationen basiert auf den Zehn Geboten.“
In seinem Vortrag heißt es noch, dass die Menschenrechte, die in Grundgesetz und Charta der UN verankert sind, aus dem Naturrecht entwickelt wurden (was korrekt ist und beweist, dass der Herr Bischof es eigentlich besser weiß) und dass man zusätzlich zu diesen die christlichen Werte benötige. Jetzt ist das Naturrecht auf einmal verschwunden. Wo ist es denn nur geblieben?
„Wer geht denn hin und hilft den Menschen, die wirklich hungern oder in Not sind und so weiter? Das sind doch die engagierten Christen, das sind doch die Kirche.“ Nein, lieber Herr Bischof, Atheisten verhalten sich genauso ethisch (in manchen Belangen sogar ethischer) und engagieren sich ebenso wie Gläubige – und so weiter.
Der kritische Polizist bemerkt, dass ihn das Verhalten von Christen, betrachtet es man historisch, nicht überzeugt. Zudem sagt er, dass wir im Grunde nur den kategorischen Imperativ Kants benötigten und mehr nicht.
„Also, ich weiß nicht, ob Sie meinen Vortrag verstanden haben“, antwortet der Herr Bischof.
Die Diskussion wird unterbrochen von dem Geläute der Glocken beider Dorfkirchen, was mehrmals an diesem Abend geschieht. An dieser Stelle frage ich mich, ob das Geläute die Oerlenbacher nicht selbst nervt, egal, wieviel sie ansonsten von Kirchen halten.
Kirchliche Werte
Nun meldet sich Peter Janotta von den Brights zu Wort und weist darauf hin, dass er viele der Kardinaltugenden teile, dass er es aber für „äußerst gefährlich“ halte, diese nur dem Christentum zuzuschreiben und etwa asiatische Kulturen, die eigenständig solche Werte entwickelt haben, als wertelos und in der Konsequenz vielleicht sogar als wertlos anzusehen. Er spricht zudem die individuelle Freiheit als wichtigen Wert an, der nicht aus dem Christentum resultiere, denkt man an die historische Unterstützung der Kirche von monarchischen Staatsordnungen und denkt man an die Homophobie, die in der Kirche vorherrschend sei. Auch die demokratische Mitbestimmung sei bestimmt kein Ergebnis des Christentums. Er macht zudem darauf aufmerksam, dass er es seltsam finde, dass der Vatikan als einziges Land unter den westlichen Industrienationen die Menschenrechte nicht ratifiziert hat.
Leider wird die gesamte Wortmeldung von Peter Janotta von Glockengeläute und dem Kichern einiger Gemeindemitglieder gestört.
Der Herr Bischof stellt zunächst einmal fest, dass er nicht behauptet habe, die Kardinaltugenden seien aus dem Christentum hervorgegangen oder dass sie Christen vorbehalten wären. „Und ich spreche anderen Religionen auf keinen Fall ethische Grundlagen ab“, so Bischof Hofmann weiter, „Im Gegenteil.“ „Und was ist mir religionsfreien Menschen?“, fragt Peter Janotta dazwischen. Doch diese Frage ignoriert Friedhelm Hofmann, wie auch alle vorangegangenen Einwände vom Brights-Vorstand.