Das Ende eines langen Weges

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Foto: Thomas Häntsch

WEEZE/BERLIN. (hpd) Wem zu spät Gerechtigkeit widerfährt, den bestraft manchmal der Tod. So ging es auch der Mehrheit der Menschen, die sich in besonderer Art und Weise dem Nationalsozialistischen Regime in der Zeit von 1933 – 1945 widersetzten und als "Kriegsverräter" zu oft drastischen Strafen verurteilt wurden. Nicht selten bezahlten sie ihren Ungehorsam mit dem Leben.


Ein Kommentar zur Rehabilitierung von "Kriegsverrätern"

Dass der Deutsche Bundestag am 8. September 2009 alle Urteile der NS-Militärjustiz gegen die sogenannten Kriegsverräter aufgehoben hat, ist für die Betroffenen, die noch leben eine späte Befriedigung. Für das Ansehen einer Demokratie, die Freiheit und Recht im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankert hat, ist das ein Armutszeugnis ersten Ranges. Der Zeitpunkt der Aufhebung dieser Willkürurteile ist es, der für diese Bewertung entscheidend ist.

Es ist schlicht und ergreifend eine falsche Behauptung, wenn die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in ihrer Rede am 08.09.2009 vor dem Bundestag von einer bisher vergessenen Gruppe von Opfern spricht und erklärt: „Wir erkennen damit den Widerstand der einfachen Soldaten an, denn sie waren am häufigsten Opfer dieser Vorschrift.“

In der allgemeinen Wahrnehmung spielten diese Opfer der Hitler-Diktatur bisher aber tatsächlich kaum eine Rolle. Die breite Öffentlichkeit wurde jahrzehntelang wieder an die „Vorzeigeopfer“ erinnert. Dazu gehören unter anderen die Hitlerattentäter des 20. Juli 1944, die Angehörigen der Gruppe „Die weiße Rose“ und Männer der Kirche wie Karl Leisner, der es mittlerweile bis zur Seligsprechung geschafft haben.

Die Wahrnehmung der Kriegsverräter als Geschädigte wurde erst forciert, als 1990 ein Opferverband „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.“ gegründet wurde. Dieser Verband versuchte bis zur Jahrtausendwende beinahe vergeblich, eine Rehabilitation zu erreichen, obwohl damit kein Anspruch auf Entschädigungen oder dergleichen erhoben wurde. 1991 stellte das Bundessozialgericht sinngemäß fest, das zu vermuten sei, dass die NS Urteile rechtswidrig sein könnten. Ein weiterer Teilerfolg wurde 1995 erreicht, als der Bundesgerichtshof anerkannte, dass es sich bei den Militärrichtern des Dritten Reiches um „Blutrichter“ gehandelt habe. Von „Vergessen worden sein“, wie Frau Zypries behauptete, kann also keine Rede sein - totgeschwiegen passt eher. Es drängt sich stattdessen der Eindruck auf, dass erst die Richter einer neuen Altersklasse zu diesem Urteil bereit waren. Dass nach Ende des Krieges so mancher der NS- Militärrichter wieder zu Amt und Würden kamen zeigt der Fall des Erich Schwinge. Dieser durfte sogar an einer Universität Rektor werden.

Ob Leute dieses Schlages in der Lage waren, jungen Menschen Demokratie zu vermitteln und ihnen die Lehren aus der Geschichte aufzuzeigen, das scheint mehr als zweifelhaft. Auch die Ansichten im Volk konnte mit diesen Leuten kaum zum Positiven geändert werden. Denn bei allem Zögern von Justiz und Regierung war die Meinung über die "Kriegsverräter" in einem Teil der Bevölkerung alles andere als positiv.

CDU/ CSU wurden und werden nicht müde das Unrecht in der DDR und den anderen Ostblockstaaten zu verurteilen. In dieser Beziehung funktioniert die Vergangenheitsbewältigung hervorragend. Nur mit der bundesrepublikanischen Geschichte vor 1990 nimmt man es nicht so genau, denn es gibt einigen Dreck, den man zu übertünchen bemüht ist. Beispiele für NS-Karrieren in diesen Parteien gibt es genug. Stellvertretend sei Hans Filbinger genannt, der 1976 die Wahlen in Baden- Württemberg gewann und Richter im 3. Reich war. „Freiheit statt Sozialismus“ tönte der ehemalige Kläger der NS-Justiz und gewann die Herzen des christlichen Wahlvolkes. Man setzt in diesen Kreisen auf ganz spezielle Werte.

So waren es die Linken, die dafür sorgten, dass es zum Bundestagsbeschluss vom 08.09.2009 kam. Es waren die „Roten Socken“ der Linkspartei, den „Schwarzen Strümpfen“ vom christlichen Lager und den „Rosaroten Sneakers“ der SPD die makabere Show streitig gemacht haben. Im Mai 2007 appellierte der Abgeordnete Jan Korte von der Linksfraktion im Bundestag an das Parlament, endlich klare Verhältnisse zu schaffen. Es sollte noch einmal 2 Jahre dauern, bis es dazu kam. Doch auch das ging nicht ohne Eklat über die parlamentarische Bühne. Die Linken wurden ausgegrenzt und mussten separat dem Gesetzestext zustimmen.

Es scheint gegen das christlich geprägte Werteverständnis zu verstoßen, wenn gewählte Parlamentarier über die Ideologie hinaus gemeinsam die richtigen, wenn auch späten Lehren aus der Geschichte ziehen. Vielleicht ist auch ärgerlich, wenn Atheisten den Gottgläubigen oder eher Kirchenhörigen im Bundestag eine Lektion in postumer Nächstenliebe für die NS-Opfer, die nach christlicher Auffassung nun im Himmel warten, erteilen müssen. Vielleicht durften sich deshalb die Linken nicht am Gesetzentwurf beteiligen?

Thomas Häntsch