FreidenkerIn 3/09 im neuen Gewand

WIEN. (fdbö/hpd) Im 39. Jahrgang hat die FreidenkerIn nicht nur einen neuen Chefredakteur sondern auch ein vierfarbiges Äußeres bekommen. Die Zeitschrift des Freidenkerbundes Österreich zeigt dabei im Äußeren wie bei den Beiträgen ein aktuelles und interessantes Auftreten.

„FreidenkerIn“ – Zeitschrift für wissenschaftliche Weltanschauung -, ist die Vierteljahreszeitschrift des Freidenkerbundes Österreichs. Der Inhalt des aktuellen Heftes hat einen beachtlichen Schwung, der mit der Reportage „Fundis auf der Straße“ beginnt und sich mit der Demonstration der Abtreibungsgegner beschäftigt. Der Kampf für Frauenrechte wird zum Kampf um die Straße: „Klerikales Rollkommando“. Thematisch damit verknüpft folgt darauf ein Interview mit Christian Fiala über Fristenregelung und radikale Abtreibungsgegner: „So muss Krieg aussehen“. Im kurzen Rückblick auf den Juli wird dann über die Atheisten-Kampagne in Wien als „Gottloser Wind“ berichtet, im längeren Rückblick beschäftigt sich der Essay „Caritas in Veritate – Liebe im Jenseits“ mit der letzten päpstlichen Sozialenzyklika und zeigt dann in einem Hintergrundsartikel von Anton Szanya über „Die Ursprünge der katholischen Soziallehre“ den konservativen Grundtenor dieser Soziallehre: „Die Antimoderne als Sozialprogramm“.

Im Interview berichtet Christoph Baumgarten über die Pläne für die „FreidenkerIn“ und Entwicklungen im Freidenkerverein. In einem Beitrag zum Darwin-Jahr wird deutlich, „Die Stadt Wien ist nicht übermäßig an Würdigung Darwins interessiert“. Ein weiterer beeindruckender Essay geht der Frage nach: „Müssen Begräbnisse religiös sein?“

Viktor Englisch schreibt in einer Reportage über „Das Schweigen von Hadersdorf“ zur Vergessenskultur in Österreich, die den am Kriegsende durch die SS in Hadersdorf 61 Ermordeten keine Ehre erweisen will.

Ein Schwerpunkt sind Aspekte des Religionsunterrichts. Anne Erika Paseka meint „Lass es gut sein, lieber Gott“ und beschreibt den Religionsunterricht als Gehirnwäsche. In einem Essay über Bürgerrechte, hier das Recht der Religionsfreiheit, beschreibt Christoph Baumgarten die „Lilienfelder Praxis“ - Wenn Rechte verwehrt werden.

Die Ausgabe kann als PDF (3,1 MB) heruntergeladen werden.

Kooperation

In der vereinbarten Kooperation zwischen der Redaktion der „FreidenkerIn“ und dem Humanistischen Pressedienst hatte es bereits aus aktuellem Anlass eine Vorabveröffentlichung auf hpd.de über die Demonstration der Gegner der Fristenregelung gegeben und das Interview mit Christian Fiala

Nachfolgend nun der Essay von Christoph Baumgarten, der aus seiner eigenen Lebenserfahrung schildert, wie er sich mit 17 Jahren aus dem schulischen Religionsunterricht abmelden wollte.

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Lilienfelder Praxis

Bürgerrechte werden in der Provinz nicht immer ganz ernst genommen. Auf sie zu bestehen, wird schnell als aufmüpfig empfunden. Wer Gott hinterfragt, sowieso. Im niederösterreichischen Mief ist es etwa vor nicht allzu langer Zeit vorgekommen, dass an manchen Schulen gesetzlich nicht gedeckte Hürden errichtet wurden, um Schüler abzuhalten, sich vom Religionsunterricht abzumelden. Oft verbunden mit Repressalien und sozialem Druck. Ein Beispiel sind die Erfahrungen von Christoph Baumgarten.

So bleich wegen einer kleinen Frage habe ich noch nie eine Sekretärin werden sehen. „Wo muss ich unterschreiben, um mich vom Religionsunterricht abzumelden?“, hatte ich die Frau gefragt. Nachdem ihr Gesicht schlagartig eine ungesunde Färbung angenommen hatte, sprang sie hektisch von ihrem Sitz auf und stürmte ins Büro des Direktors. Der wirkte kaum weniger konsterniert, als er durch die Verbindungstür ins Sekretariat kam. Um den Habitus einer Autorität bemüht, fragte mich dieser Walter Biberle: „Was willst du?“ „Ich will mich vom Religionsunterricht abmelden“. „So geht das aber nicht.“ „Ich weiß, mündlich geht das nicht. Also, haben Sie entsprechende Formulare? Oder reicht es, wenn ich Ihnen einen handschriftlichen Zettel mit meiner Unterschrift gebe?“ „Nein, das müssen wir ganz anders machen. Du bringst mir erstens eine schriftliche Begründung mit Unterschrift Deiner Eltern. Und zweitens musst Du das in einem persönlichen Gespräch mit mir begründen“. Ein klar illegaler Schritt. Auch im Frühherbst 1997 durfte sich in den Tagen nach Schulbeginn jeder Schüler der mindestens 14 war per eigener Unterschrift, weitgehend formlos, abmelden. Ich war 17. Begründungen für diesen Schritt waren sowieso strengstens verboten.
Vielleicht lag es daran, dass ich der Neue war. Das war mein erstes Jahr am BG/BRG Lilienfeld. Genau genommen mein zweiter Tag. Vielleicht lag es daran, dass die AHS [Allgemeinbildende Höhere Schule] ein ehemaliges Stiftsgymnasium war. Bis heute ist die (damals schon) Bundesschule im Zisterzienser-Stift untergebracht. Mönche, die über den Innenhof der Schule huschen, sind keine Seltenheit. Wer durchs Schultor geht, blickt unweigerlich auf die Stiftskirche. Die österreichische Version der Trennung von Staat und Kirche. Die Regierung zahlt der Kirche die Miete.

Mein Mitschüler und späterer Freund Hans hatte mich vorbereitet, dass hier die Abmeldung vom Religionsunterricht, höflich formuliert, nicht so gern gesehen würde. „Du wirst Probleme bekommen“, prognostizierte er in einem Telefonat wenige Tage vor Schulbeginn. Meine Mutter machte das hellhörig. „Nein, das solltest du nicht tun“, warnte sie mich. „Denk nach. Nur weil du glaubst, dass es keinen Religionsunterricht geben soll, solltest du dir nicht gleich Feinde machen“. Die Diskussion war hart, auch ihr Druck auf mich groß. Sie war weitgehend in Leoben aufgewachsen. Trotz sozialdemokratischer Vorherrschaft – als sie jung war, war der Pfarrer dort eine Respektsperson. Und als getauftes Kind ausgetretener Eltern hatte sie es vermutlich auch nicht leicht. Und jetzt hier, der neue Wohnort, in dem sie weitgehend isoliert war. Auch wenn sie sich kaum je ein Blatt vor den Mund genommen hat, wenn sie etwas als ungerecht empfand (und das traf auch auf eventuelle Repressalien wegen meiner Abmeldung zu) – von ihr als unnötig empfundene Feindschaften wollten sie sich nicht zulegen. Noch dazu, wo es sich um den Religionsunterricht handelte, den sie, aus welchen Gründen auch immer, damals als wichtig betrachtete. Bei jedem anderen Fach hätte ich mir um ihre Unterstützung keine Sorgen machen müssen.