Macht, Religion und Wissenschaft

Saal-Titel_0.jpg

Saal des Museums / Fotos: Sepp Zaunegger

WIEN. (hpd) Es war einer der Höhepunkte des "Charles Darwin Jahres 2009" im Naturhistorischen Museum – die Diskussion: "Die Entstehung der Arten. Neue Antworten, neue Fragen. Darwins rEvolution heute ". Auf hohem geistlichen Niveau wurde nicht nur über Wissenschaft diskutiert, sondern auch über Religion, ihrer tödlichen Gegnerin in der Vergangenheit. Die Macht der Religion war im Saal zu spüren.

Bericht über einen gemeinsamen Museumsbesuch von Rudi Schwarz und Sepp Zaunegger.

„Heute geht gar nichts!“

Gleich zu Beginn werden dem Berichterstatter die Hände gebunden: „Heute geht gar nichts!“. Rudi Schwarz hatte uns Zählkarten besorgt und ich wollte ihn für die „Freidenkerin“ in der Ausstellung fotografieren. Der Form halber informierte ich die Öffentlichkeitsarbeiterin des Museums. „Da brauchen Sie eine Pressekarte“. Das war 3 Stunden vor Diskussionsbeginn. Dann kam der zitierte finale Satz.

Nach kurzer Verblüffung rief ich beim PID (Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien) an. Mir wurde ein Rückruf zugesichert, der auch prompt erfolgte. „Wir haben einen Pressestand im Museum, dort können Sie sich akkreditieren lassen und anschließend fotografieren.“ So einfach geht das bei kompetenten Profis, die lieber möglich machen als verhindern.

Die Ausstellung: individuelles Erleben durch Vielfalt

Durch diese Umstände blieb mir nicht genügend Zeit, mich ausführlich der Ausstellung zu widmen. Dadurch entdeckte ich aber, dass man sie auch schnell und punktuell durchwandern kann und trotzdem spannende neue Einblicke in die Evolution gewinnt. Die Vielfalt der Gestaltungsmittel (Film, Wachspuppendarstellungen, Schautafeln, Skelette etc.) lohnen aber auch einen langen Aufenthalt mit Muße und Nachdenklichkeit.

Die Diskussion: Macht- und Kompetenzanspruch

Beispielbild
Podium, Mitte: Birgit Dalheimer
Der Höhepunkt des Tages war zweifellos die Diskussion unter der Leitung von Birgit Dalheimer. Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der als Biologe selbst im Hause tätig war, Gregor Ulrich Henckel Donnersmarck, Abt des Stiftes Heiligenkreuz, der Darwin-Biograph Jürgen Neffe und Hausherr Bernd Lötsch diskutierten meist konsensual, zum Schluss aber auch mit Widersprüchlichkeit.

Der Abt hat „als Katholik und Theologe kein Problem damit, die Fakten der Wissenschaft und den Evolutionismus in den 14,5 Milliarden Jahren seit dem Urknall anzuerkennen“. Wieso fühlt er sich als gebildeter Mensch des 21. Jahrhunderts bemüßigt, das noch klarzustellen?

Beispielbild
G.U.Henckel Donnersmarck, Jürgen Neffe
Rupert Riedl wird zitiert: „Wer hat vor 14 Milliarden Jahren geknallt?“. Einen Knaller braucht man also doch. Auch die Kompetenzen werden gleich festgeschrieben. Der Abt unterscheidet zwischen 3 Disziplinen: "Die Naturwissenschaften, die Fakten zu falsifizieren und zu verifizieren hat, die Philosophie, die Fragen stellt und die Theologie, welche die Offenbarung wissenschaftlich in sich interpretiert. Usurpation der Religion – und die hat es gegeben - der Naturwissenschaften ist ebenso abzulehnen, wie die Anmaßung der Naturwissenschaften Schöpfung erklären zu wollen. Man sollte alle diese Disziplinen nebeneinander sehen. Wir sind die Wissenschafter der Genesis."

Sieht man in der Theologie eine Interpretation und Deutung eines Textes, ist sie überflüssig. Denn dafür ist die Semiotik, genauer die Hermeneutik zuständig. Wäre Theologie eine Wissenschaft, genügte wohl eine Fakultät für das Christentum, denn alle christlichen Religionen berufen sich auf den gleichen Text. Also doch eher eine Glaubensfrage, als Wissenschaft?

Giordano Brunos Übergriff

Das klingt nur einsichtig, ist in Wahrheit ein kalter Machtanspruch. Wie nennen wir Atheisten die Schöpfung? Natur. Stimmt man dem zu, ist ein atheistischer Wissenschaftler „anmaßend“, wenn er die Natur/Schöpfung erklären will. Über den Schöpfer macht sich eine aufgeklärte Wissenschaft sowieso keine Gedanken, aber die „Schöpfung“ ist auch gleich tabu? Ist die wissenschaftliche Erkenntnis, dass es kein erkennbares intelligentes Design in der Evolution gibt, Anmaßung, Frevel? Kann diese Erkenntnis schon zur Verletzung religiöser Gefühle führen und damit vom Strafrichter (§ 188) geahndet werden? „Verhindern wir Übergriffe, werden wir keine Probleme haben!“ meint der Abt. Was meint er mit Problemen? Auch der Wohlmeinende kann dunkle Gedanken an die heilige Inquisition, Hexenprozesse und die Verbrennung Giordano Brunos nicht verdrängen.

Lötsch sieht in der christlichen Genesis dennoch ein "am ehesten den Naturwissenschaften nahekommenden Versuch, Welt zu erklären.

Der Museumsdirektor als Prediger

Beispielbild
Bernd Lötsch, Michael Häupl
Es wird an diesem Abend viel von Grenzüberschreitungen gesprochen. Lötsch zitiert daher die Bibel: „Dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“. Das genügt ihm nicht. Er setzt auch gleich die (anwesenden) Atheisten herab. „Weil der Mensch ein triebbestimmtes Tier ist, brauchen wir so etwas wie das Christentum. Ohne göttliche Funken hätten wir nie den Gipfel der Humanitas erklimmen können.“ Dieser göttliche Funke scheint nicht sehr wirksam zu sein. In der österreichischen Bevölkerung hat er weder 1934 noch danach gegen den Faschismus gewirkt. Dabei bekannten sich etwa 90% der Staatsbürger zum Christentum. Ich habe es als Grenzüberschreitung empfunden, das Lötsch uns Atheisten abspricht jemals den Gipfel der Humanitas zu erreichen.

Der Bürgermeister gegen Sozialdarwinismus

Es war daher beruhigend, dass es auch differenziertere Meinungen gab. So bekannte sich Bürgermeister Häupl zur Aufklärung und zu Kant. „Es gibt Ethik auch außerhalb der Religion!“ Auch gegen den Missbrauch von Darwin für ideologisch gefärbte Gesellschaftstheorien wandte sich der Biologe und Politiker:

Sozialdarwinismus hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Das ist ideologisches Verbrechen. Die Stadt Wien hat sich auch deswegen im Darwin Jahr engagiert, weil wir einen intellektuellen Dialog in der Stadt führen und forcieren wollen. Der Wissenschaftsstandort Wien ist wichtig - gerade weil er jenseits aller wissenschaftlichen Disziplinen über eine philosophische Klammer verfügt - die Wiener Vorlesungen sind gewissermaßen der philosophische Umbrella."

Einleuchtung und Abfindung

Am nächsten Tag telefonierte ich mit Rudi Schwarz und beklagte mich, dass Kleriker und Gläubige nicht aufhören können zu missionieren, aber gleichzeitig jeden Widerspruch als ungehörig denunzieren. Rudi war pragmatischer als ich: „Wos wüst, im Ersten Bezirk in Wien gibt’s 18 katholische Kirchen, 11 Kapellen, 10 Klöster, aber kein einziges Spital. Alles für’s Jenseits aber nichts für’s Leben.

Das leuchtet ein, aber abfinden will ich mich damit nicht.