OSNABRÜCK. (hpd) Keine diskriminierenden Sonderrechte mehr für kirchliche Einrichtungen – das beschlossen der Rat in Osnabrück und in Stuttgart. Beide wollen als Auftraggeber nicht länger hinnehmen, dass die Beschäftigten unter kirchlicher Trägerschaft nicht die vollen Rechte wie bei städtischer und privater haben.
HPD fragte bei den Initiatoren in Osnabrück und Stuttgart nach, zu welchen Entwicklungen die Beschlüsse bislang geführt haben. Teil 1: Stadtrat Felix Wurm zum Stand der Dinge in Osnabrück.
Hallo Felix Wurm,
im Beschluss des Stadtrats Osnabrück wird die Verwaltung aufgefordert, Möglichkeiten für die gewünschten Veränderungen zu prüfen und mit den Kirchen in einen Dialog zu treten. (Details zu den Beschlüssen am Ende des Beitrags) Liegen hierzu schon Ergebnisse vor?
Felix Wurm: Die Verwaltung ist inzwischen bezüglich der drei Bestandteile des Ratsbeschlusses tätig geworden. Es hat Gespräche mit Vertretern der kirchlichen Einrichtungen gegeben, die einen freiwilligen Verzicht auf ihre Sonderrechte beim Arbeitsrecht aber kategorisch abgelehnt haben. Angeblich könnten sie dies aus rechtlichen Gründen gar nicht.
Ferner hat der Fachbereich Recht der Stadt Osnabrück ein Gutachten erstellt, das sich mit der Frage beschäftigt, ob bei künftigen Verträgen mit externen Trägern verpflichtende Vorgaben bezüglich der Arbeitnehmerrechte gemacht werden dürften. Der Fachbereich kommt zu dem Ergebnis, dass die Sonderrechte der Kirchen nicht vertraglich eingeschränkt werden dürften. Leider lässt das Gutachten sämtliche neuere Gesetzgebung zum kirchlichen Arbeitsrecht außer Acht und bezieht sich nur auf Gerichtsurteile aus den 80er Jahren.
Im Beschluss steht das Anregen von Veränderungen auf Bundesebene: Wie ist die Stadt da bislang vorgegangen?
Das bisherige Vorgehen der Stadtverwaltung zu dieser Forderung des Rates war enttäuschend. Bisher wurden lediglich die drei regionalen Bundestagsabgeordneten über den Beschluss des Rates informiert und gebeten, ihn bei ihren politischen Aktivitäten zu berücksichtigen.
Ich habe dies in einer öffentlichen Sitzung kürzlich heftig kritisiert (s. Bericht in der NOZ). Die Verwaltung hat danach zugesagt, den Beschluss an den Bundestag zu senden. Jetzt habe ich vom Büro des Oberbürgermeisters erfahren, dass nun alle im Bundestag vertretenen Fraktionen über den Beschluss informiert werden sollen.
Gehen wir mal an den Anfang zurück: Wie kam es zu diesem Beschluss?
Die Initiative für diesen Ratsbeschluss kam von mir. Ich mache seit mehr als 20 Jahren schwul/lesbische Menschenrechtsarbeit und beschäftige ich mich deshalb seit mehreren Jahren auch mit dem kirchlichen Arbeitsrecht. Denn leider sind ja gerade Lesben und Schwule besonders in katholischen Einrichtungen betroffen, auch hier in Osnabrück. Es gab hier zwar – anders als in anderen deutschen Städten – bisher keine Kündigungen aufgrund des kirchlichen Arbeitsrechtes. Aber die hier arbeitenden lesbischen Mitarbeiterinnen und schwulen Mitarbeiter sind genötigt, ihre Beziehungen versteckt zu leben bzw. sie können nicht offen eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, damit sie nicht mit der Grundordnung der katholischen Kirche in Konflikt kommen. Das finde ich bei Stellen, die fast vollständig mit öffentlichen Geldern finanziert werden, einfach nicht hinnehmbar.
Nachdem ich die Grüne Ratsfraktion für meinen Antragsvorschlag gewinnen konnte, haben wir unseren Koalitionspartner SPD ins Boot geholt und zudem die Linken und die UWG/Piraten. Die SPD hat mitgemacht, weil sie erkannt hat, dass es sich beim kirchlichen Arbeitsrecht um eine Regelung handelt, die Arbeitnehmerrechte massiv einschränkt. Das wollen wir gemeinsam ändern.
Welche Unterstützung erhält die „Osnabrücker Initiative“? Welche würden Sie sich noch weiter wünschen?
Die Osnabrücker Initiative zur Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechtes erhält große Unterstützung durch den Bundesweiten Arbeitskreis Säkulare Grüne. Dieser hat die Bezeichnung „Osnabrücker Initiative“ geprägt und diese intensiv bekannt gemacht. Für die Unterstützung bin ich sehr dankbar. Dadurch sind einige Kreisverbände der Grünen auf unseren Beschluss aufmerksam geworden und nun gibt es Bestrebungen, ihn so oder in ähnlicher Weise ebenfalls in anderen Kommunen umzusetzen. Ich bin diesbezüglich mit Ratskolleg/innen aus anderen Kommunen in Kontakt.
Zum Beispiel haben die Grünen der Stadt Köln Bestandteile unseres Beschlusses in ihr aktuelles Kommunalwahlprogramm aufgenommen. Sollte es in Köln eine rot-grüne Mehrheit im Rat geben, könnte es also sein, dass auch Köln einen ähnlich lautenden Beschluss fasst.
Zur Verbreitung unseres Beschlusses hat übrigens auch der Humanistische Pressedienst beigetragen – auch darüber freue ich mich sehr. Über mangelnde Aufmerksamkeit für meine Initiative kann ich mich also nicht beschweren. Im Gegenteil: In der kommenden Woche kommt ein Fernsehteam nach Osnabrück und macht ein Interview mit mir, das im Rahmen einer Dokumentarsendung über kirchliche Finanzen im September ausgestrahlt werden soll.
Wo sehen Sie Unterschiede zur „Stuttgarter Initiative“?
Ich finde die Stuttgarter Initiative prima. Sie entspricht ja im Prinzip genau den zwei unserer drei Forderungen unseres Ratsbeschlusses. Wenn die externen Träger, ob nun kirchlich oder konfessionsneutral, angehalten werden, einheitliche Standards bei den Arbeitnehmerrechten einzuführen, dann ist es ja genau das, was wir erreichen möchten.
Gibt es einen Austausch oder gar eine Zusammenarbeit?
Bisher hatte ich keinen direkten Kontakt mit den Ratskolleg/innen in Stuttgart. Wenige Tage nachdem unser Beschluss gefasst wurde, habe ich im November letzten Jahres 28 grüne Ratsfraktionen in ganz Deutschland über den Beschluss in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, diesen ebenfalls in ihrer Kommune auf den Weg zu bringen. Zu den Adressaten gehörte auch die Grüne Ratsfraktion in Stuttgart. Ob der Stuttgarter Beschluss eine Reaktion auf unserer Initiative ist, kann ich nicht beurteilen. Vermutlich lief das unabhängig voneinander.