KÖLN. (hpd) Am Freitag vergangener Woche fand ein von der „Regionalgruppe Köln-Bonn-Düsseldorf des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung“ und dem IBKA veranstalteter Vortrag von Frau Dr. Sabine Paul im „Bürgerhaus Stollwerck“ in Köln statt. Der provokante Titel lautete: „Unser kläglich Brot gib uns heute – oder: Wer hat Angst vor der Evolutionären Ernährung?“
Eingangs stellte Frau Paul die sich den wohl meisten Zuhörern aufdrängende Frage, ob sich Darwin denn überhaupt als Ernährungsberater eigne. Dass er sogar der beste Ernährungsberater ist, den man sich denken kann, wurde im darauf folgenden Abriss über die Evolution des Menschen und die Tatsache deutlich, dass wir heute Lebenden noch immer fast genau die genetische Ausstattung wie unsere Vorfahren aus der Altsteinzeit (Paläolithikum) mit uns herumtragen: Der Mensch verbrachte nämlich 99,5% der Zeit, in der die Evolution aus ihm das machte, was er heute ist – als Jäger und Sammler; und entsprechend nur 0,5% als Sesshafter.
Eine genetische Anpassung an veränderte Lebensumstände vollzieht sich grundsätzlich extrem langsam, und so ist unser Stoffwechsel nach wie vor für die Lebensweise optimiert, die ihn geprägt hat. Da sich unser heutiger Lebensstil von diesem jedoch extrem unterscheidet, haben wir mit entsprechenden Folgen zu kämpfen: weit verbreitetes Übergewicht und Zivilisationskrankheiten.
Dass auf Grund unseres steinzeitlichen Erbes Bewegung, also Sport, zur langfristigen Gesunderhaltung essentiell ist, dürfte fast jedem klar sein... Wie aber sah die sog. „Paläo-Ernährung“ aus – die artgerechte Ernährung für Homo sapiens: die Ernährung, an die unser Stoffwechsel adaptiert ist und uns, was Studien mittlerweile zweifelsfrei belegen, länger gesund sein lässt? Sie setzte sich aus relativ wenig Kohlenhydraten, aber viel Gemüse, aus Früchten, Pilzen, Blättern, Nüssen und viel Eiweiß zusammen, also in hohem Anteil aus Fleisch, Fisch und Weichtieren. Zudem enthielt sie auch viel Fett mit wichtigen Hirn-Bausteinen, insbesondere Omega-3-Fettsäuren. (Diese stammten von Kräutern und dem Muskelfleisch der Tiere, die sich ebenfalls davon ernährten und die Fettsäuren in eine für den Menschen besonders gut verfügbare Form umwandelten.)
Innerhalb von ca. zwei Millionen Jahren kam es auf Grund dieser optimalen Ernährung zu einer Vergrößerung des menschlichen Gehirns mit gleichzeitig intensivierter innerer Vernetzung. Das Fett (es enthält ungefähr doppelt so viel Energie wie Eiweiß oder Kohlenhydrate), lieferte aber nicht nur die Bausteine, sondern auch die nötige Energie für das Hirnwachstum. An unserem heutigen Hirn lässt sich gut ablesen, wie viel mehr Energie unsere Vorfahren kontinuierlich benötigten, um den stetig steigenden Energiebedarf dieses wachsenden Organs zu decken: Es macht gerade einmal 2% unserer Körpermasse aus, verbraucht aber 20 bis 30% der dem Körper zugeführten Energie.
Die schon sehr früh erfolgte „Erfindung“ des Kochens ermöglichte es zudem, die Energiedichte der Nahrung zu erhöhen und die Aufnahme zu beschleunigen. Dass unsere Vorfahren bereits vor 800.000 Jahren kochten, ist belegt; und es gibt sogar Hinweise darauf, dass es bereits 1,8 Mio. Jahre sind...
Mit der Neolithischen Revolution vor ca. 10.000 Jahren begann der Mensch jedoch damit, sesshaft zu werden und sich auf Ackerbau und Viehzucht zu verlegen, was eine durchgreifende Änderung des Speiseplans bedeutete: Zu diesem Zeitpunkt begann er damit, sich entgegen seiner genetischen Disposition zu ernähren. So, wie wir es noch heute in der Regel tun: Mit viel Getreide, Omega-6-lastigen Pflanzenölen, Zucker, Salz und Milch. (Milch liefert viel Eiweiß, ist eine hervorragende Nährstoffquelle und auf Grund einer Gen-Mutation können die meisten Europäer den Milchzucker spalten; individuelle Unverträglichkeiten und allergische Reaktionen auf Milcheiweiß dürfen jedoch nicht verniedlicht werden.)
Wie Paläo-Pathologen nachgewiesen haben, hielten mit der Neolithischen Revolution folgerichtig auch die ersten Nebenwirkungen der „nicht gengerechten“ Kost Einzug: chronische Erkrankungen, Ausbreitung von Infektionskrankheiten, Knochen- und Gelenkentzündungen, vermehrte Zahnschäden, verminderte Körpergröße, gesunkene Lebenserwartung!
Aber tatsächlich rät die „Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ (DGE) zu genau dieser Ernährung! Selbstverständlich leider ohne jede wissenschaftlich Grundlage. Sie hat diese auch nicht nötig: sie wird zwar zu 70% aus Steuergeldern finanziert, aber nie einer Qualitätssicherung unterzogen. Sie propagiert eine regelrechte Kohlenhydrat-Mast, rät von Fett ab und fordert Mäßigung beim Eiweiß. (Dem Leser dürfte dies bekannt vorkommen...)
Vergleicht man diese Empfehlungen mit den Ergebnissen der „Nationalen Verzehrsstudie“ (2008), ergibt sich, dass die tatsächliche Ernährung der Deutschen leider nicht weit von den DGE-Empfehlungen entfernt ist: Gemessen an der „Paläo-Ernährung“ verzehren sie viel zu wenig Eiweiß (weniger als die Hälfte), etwas zu viel Fett, wobei die billigen Pflanzenöle den Löwenanteil ausmachen und fast so viele Kohlenhydrate, wie von der DGE vorgegeben.
Die Frage, wie es zu diesen, der Volksgesundheit schweren Schaden zufügenden, Empfehlungen kommen kann und warum es vor allem dabei bleibt, behandelte Frau Paul ausgiebig in der Frage-Runde nach dem Vortrag: Letztendlich könne man die allgemein nach wie vor vorherrschende Abwehr nur als eine ideologische bezeichnen. Zudem bestimmten Profitstreben von Lobbys das Handeln und das politische Interesse, die Masse mit billiger und qualitativ minderwertiger Nahrung zu versorgen. So gebe es durch politische Lenkung Lebensmittel-Skandale fast ausschließlich im Bereich tierischer Produkte um sie den Leuten zu vermiesen (Fleisch, Fisch); und z.B. Kampagnen, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages sei – damit noch mehr Getreide gegessen werde. (Tatsächlich dürfte der Steinzeitmensch aber morgens nüchtern zur Jagd gegangen sein und nur ein paar Reste vom Vortag mit sich genommen haben – wie weit wäre er mit vollem Bauch wohl gekommen? – so dass dann abends, nach erfolgreicher Jagd, „die Party steigen konnte“...)
Stets seien Modelle, die die praktische Umsetzung der Evolutionären Ernährung gut im Alltag umsetzbar machen, wie etwa die „Logi-Methode“ (Harvard-Universität und N. Worm) hartem Gegenwind ausgesetzt, obwohl die Argumente der Gegenseite nicht im geringsten stichhaltig seien. Und an dieser Stelle wurde auch schließlich die Frage des Vortrag-Titels beantwortet: Angst? Angst vor der Evolutionären Ernährung hätten nur die, die eine Machtposition zu verlieren hätten...
Frau Paul hielt daraufhin ein Plädoyer für eine „Politik der Klasse statt Masse“: dass gesunde Lebensmittel vom Staat subventioniert werden müssten anstelle anderer. (Gemüse dürfe, im Äquivalent des Sattmachens, nicht teurer sein als Weißbrot, Spaghetti oder polierter Reis). Auch im Zusammenhang mit Entwicklungshilfe solle es nicht weiter heißen: „Brot für die Welt“, sondern: „Qualität für die Welt!“
Zur besonders für die Giordano Bruno Stiftung interessanten Tierschutz-Frage führte sie in einer weiteren Diskussion im Anschluss aus, dass Fleisch für alle, und zwar aus artgerechter Tierhaltung und -Ernährung (auch hier kein Getreide!) durch Subventionierung des Staates für jeden Bürger erschwinglich gemacht werden müsse. Man könne auf „alte“ Rassen zurückgreifen, so könnten die meisten Tiere auch im Winter frei laufend gehalten werden, so dass es kein Tierleid gebe. Weltweit gesehen müsse man die Überbevölkerung in den Griff bekommen, Bildung sei hierbei die wichtigste und erste Maßnahme.
Zur Frage aus dem Publikum, wie denn die Tiermast mit dem Klimawandel zu vereinbaren sei, brachte sie verblüffende Zahlen ins Spiel: Gerade in der letzten Ausgabe der Zeitschrift „Focus“ sei die Frage getitelt, ob die Klimakatastrophe ausfiele und wegen der Aktivität der Sonnenflecken vielleicht sogar eine neue Eiszeit drohe. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Erderwärmung tatsächlich stattfinde: exakte Daten seien nie zu bekommen, es gebe immer nur Schätzwerte und ungenaue komplizierte Berechnungen. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sei 2009 zu lesen gewesen, dass die Landwirtschaft nur 14% der Treibhausgas-Emissionen verursache. Und dem WWF-Report von 2009 könne man entnehmen, dass in Großbritannien die Vieh-Wirtschaft lediglich 7% an Treibhausgasen verursache! (Der Rest der Landwirtschaft 15 bis 10%.) Somit sei ein eventueller Klimawandel durch Fleischverzicht nur sehr geringfügig bis kaum zu beeinflussen...
Wolle man diesen Verzicht trotzdem üben, müsse man aber unbedingt dafür Sorge tragen, dass man genügend pflanzliches Eiweiß zu sich nehme, was etwas Aufwand bedeutet... Eiweißmangel könne zu Serotonin-Mangel und somit zu Aufmerksamkeitsdefizit und gar Depressionen führen.
Schließlich stellte Frau Paul der klassischen Deschner'schen These, dass das Christentum Haupt-Ursache für Tierleid sei, eine andere Sicht entgegen: Die Basis des Christentums sei der Vegetarismus (Genesis 1,30).
Allgemein korrespondiere die Genussfeindlichkeit in der Gesellschaft, in der es fast als ein moralisches Verdienst angesehen werde, schlecht zu essen, und die skeptische Einstellung bezüglich tierischer Nahrungsmittel mit den traditionellen Denkmustern der Religionen: In einem Überblick über Nahrungsmittel-Tabus bzw. Einschränkungen, merkte sie an, es sei besonders auffällig, dass es enorm viele von der Art gebe, die den Verzehr von Fleisch verböten oder einschränkten – aber fast keine, die pflanzliche Nahrung beträfen! (Es sei sehr schwierig, für Letzteres überhaupt Beispiele zu finden. Eines stellten die Hua in Neuguinea dar, die Angst vor rotem und behaartem Gemüse haben, weil sie mit Menstruationsblut bzw. Schamhaaren in Verbindung gebracht werden...)
Die Tatsache, dass in den Religionen Pflanzenkost kaum problematisiert werde, stehe ebenfalls im direkten Gegensatz zur Paläo-Ernährung: Für Jäger und Sammler ist es enorm wichtig, zu wissen, welche Pflanzen ungenießbar oder giftig sind: Fleisch, was zu jagen ist, sei hingegen immer problemlos, weil es keine giftigen Sorten gebe. Dass Fleisch Teil der artgerechten Ernährung ist, zeigen auch Untersuchungen, die zum Ergebnis haben, dass kaum jemand Antikörper gegen Fleisch-Eiweiße im Blut habe – im Gegensatz zu häufig vorhandenen Antikörpern gegen Nahrungsmittel, die erst im Neolithikum eingeführt wurden.
Der Vortrag dürfte die Diskussion innerhalb der Giordano Bruno Stiftung bereichern und vielleicht auch etwas „anheizen“. Man darf gespannt sein...
Constanze Cremer
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