(hpd) Die Jahrbücher zum Terrorismus des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik zeichnen sich durch genaue Analysen, sachliche Informationen und abgewogene Einschätzungen aus – mitunter etwas zu nüchtern wirkend, aber überaus erkenntnisreich. Für die Diskussion zum Thema „Terrorismus“ sind sie grundlegend wichtig und informativ.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stand das Thema „Terrorismus“ im Zentrum des öffentlichen Interesses. In den Medien äußerten sich vielfach Personen, die als „Terrorismus-Experten“ firmierten, aber meist über rein deskriptive und oberflächliche Kommentare hinaus ihre Fachkompetenz nur selten unter Beweis stellen konnten. Wer demgegenüber kontinuierlich nach überaus kenntnisreichen bilanzierenden und problemorientierten Einschätzungen sucht, kann zu dem seit 2006 erscheinenden „Jahrbuch Terrorismus“ greifen. Es wird vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel herausgegeben und neben wenigen externen Fachleuten überwiegend von Mitarbeitern dieser Einrichtung verfasst. Damit will man jeweils für einen abgeschlossenen Zeitraum strategische Bewertungen der Ereignisse und der strukturellen Entwicklungen im Bereich des Terrorismus vornehmen. Die bisher vorliegenden drei Bände für die Jahre 2006, 2007/2008 und 2009 gliedern sich nach einem einheitlichen Grundmuster:
Zunächst wird ein Überblick zur allgemeinen Entwicklung im jeweiligen Berichtszeitraum gegeben, danach folgt ein Schwerpunktbeitrag zu einem besonderen Thema wie hier der Begriffsdefinition „Terrorismus“, der Wiederkehr von Al-Qaida oder neuen Strategien und Taktiken sowie eine statistische Übersicht zur Jahresbilanz des weltweiten Terrorismus. Der dann folgende Teil „Brennpunkte des Terrorismus“ enthält Aufsätze zur Situation in bestimmten Ländern und Regionen. Regelmäßig wird ebendort über die aktuelle Situation in Afghanistan, dem Irak oder Pakistan berichtet. Man konzentriert sich aber nicht nur auf die Gebiete, welche regelmäßig ausführlicher Berichtsgegenstand der Medien sind. Auch die Situation in Indien, Somalia, Sri Lanka oder im Sudan findet in gesonderten Beiträgen Aufmerksamkeit. Und schließlich enthält die folgende Rubrik Beiträge zu „Konzepten und Strategien der Terrorismusbekämpfung“, meist bezogen auf allgemeine oder besondere Maßnahmen in den westlichen Ländern.
Die einzelnen Beiträge sind überaus informativ und stark problemorientiert ausgerichtet. So macht etwa eine nur kurze, aber erkenntnisfördernde Analyse zu den Selbstmordattentaten darauf aufmerksam, dass dabei nicht eine religiöse Orientierung der Gruppe, sondern deren totalitäre Ideologie der entscheidende Gesichtspunkt sei. Demnach müsste bei der Bekämpfung dieser Form des Terrorismus auch auf der intellektuellen Ebene ein „Kampf gegen den Terrorismus“ erfolgen. Ein anderer Aufsatz arbeitet vier neue Trends im Terrorismus heraus: die globale Häufung von Einzeltätern als Antwort auf internationale Terrorabwehrmaßnahmen, die zunehmende Professionalisierung von Terroristen bei der Durchführung von Anschlägen und deren erhöhte strategische Flexibilität, die immer stärkere Vermischung zwischen transnationalem Terrorismus und der international organisierten Kriminalität und die globale Zunahme von Selbstmordattentaten als sicheres und ultimatives Zerstörungsmittel ohne erkennbaren Urheber.
Die Beiträge bewegen sich nicht nur auf dem aktuellen Stand der internationalen Forschung, sie präsentieren auch umfangreiches Datenmaterial zu den unterschiedlichsten Aspekten. Die Länderstudien stammen von guten Kennern der Situation in der jeweiligen Region, welche daher auch breit gefächerte Informationen in Verbindung mit einer analytischen Perspektive präsentieren können. Hierbei verzichtet man auf oberflächliche und vorschnelle Einschätzungen um eines möglichen medialen Effektes. Stattdessen setzen die Autoren auf sachliche Informationen und abgewogene Einschätzungen – mitunter etwas zu nüchtern wirkend, aber überaus erkenntnisreich. Man darf positiv darüber erstaunt sein, was das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel mit einem relativ kleinen Stab an festen Mitarbeitern und einem „Netzwerk“ von externen Experten in Sachen regelmäßiger Terrorismus-Analyse zustande bringt. Der Gebrauchswert der Jahrbücher wird übrigens noch durch ein Namens- und Sachregister sowie Literaturhinweise am Ende jedes Beitrags erhöht.
Armin Pfahl-Traughber
Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (Hrsg.), Jahrbuch Terrorismus 2006, Opladen 2007 (Verlag Barbara Budrich), 259 S., 24,90 €
Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (Hrsg.), Jahrbuch Terrorismus 2007/2008, Opladen 2008 (Verlag Barbara Budrich), 259 S., 24,90 €
Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (Hrsg.), Jahrbuch Terrorismus 2009, Opladen 2010 (Verlag Barbara Budrich), 350 S., 29,90 €





