Franz Josef Wetz’ Betrachtungen zur Selbstachtung

(hpd) Der Philosoph Franz Josef präsentiert in dem Band “Rebellion der Selbstachtung. Gegen Demütigung” anhand von Alltagsbeispielen ebenso wie anhand von Klassikerpositionen seine Reflexionen zum Thema. Dabei wirkt der Band indessen aufgrund der ebenso richtigen wie unverbindlichen Einschätzungen mehr wie eine Ansammlung interessanter essayistischer Betrachtungen, aber ohne innovative inhaltliche Zuspitzung.

Auch in rechtsstaatlichen Demokratien und offenen Gesellschaften kann es im Alltagsleben wie in der Politik zu persönlichen Erfahrungen der Demütigung und Verachtung kommen. In autoritären Systemen mit ausgeprägter Ungleichheit ist dies noch stärker der Fall. Mitunter führen derartige Erfahrungen dann auch zu Protesten und Widerstand. Indessen müssen einschlägige Handlungen keineswegs notwendigerweise moralisch gerechtfertigt sein. Denn auch die “Gotteskrieger”, also gewalttätige Kämpfer im behaupteten Namen Allahs, haben mitunter zuvor Demütigungen und Verachtungen erfahren. Insofern bedarf es einer differenzierten und kritischen Perspektive auf das Thema.

Eine solche will Franz Josef Wetz, der in Schwäbisch Gmünd Philosophie und Ethik lehrt und durch provozierende Bücher wie “Illusion Menschenwürde” (2005) bekannt wurde, in seinem neuen Werk “Rebellion der Selbstachtung. Gegen Demütigung” einnehmen.

Bereits in der Einleitung formuliert er bezogen auf dessen Absicht einen sehr hohen Anspruch. Es soll um die “Bedeutung des Wortes Selbstachtung” auch im Unterschied zu ähnlichen Begriffen gehen; die “menschliche Natur” werde als “Ursprungsort der Selbstachtung” ausfindig gemacht; die “stärksten Gefährdungen der Selbstachtung” und deren moralische Rechtfertigung sollen Interesse finden; und die Möglichkeit der Selbstachtung auch “unter extremen Belastungen” werde thematisiert (S. 9).

In 13 Kapiteln behandelt Wetz danach die unterschiedlichsten Aspekte der damit einhergehenden Fragen, wobei dies meist in lockerer Schreibe anhand von Alltagsbeispielen geschieht, aber auch gelegentlich ein Ausflug in Richtung der philosophischen Klassiker erfolgt. Es geht dabei um den überforderten Bürger und den Kampf um Respekt, um die Bedeutung des Einzelnen und die Menschenwürde, um narzisstische Sieger und pessimistische Verlierer, um taktlose Barmherzigkeit und soziale Hilfestellungen, um die Deportationen in die Demütigung und den falschen Stolz der Selbsterniedrigung – so lauten jedenfalls die Kapiteltitel.

Der Autor differenziert dabei, sei doch etwa Selbstachtung auf den “inneren Wert” und das Selbstwertgefühl auf “natürliche Eigenschaften” (S. 49) bezogen. Er macht auch deutlich, dass “Mitleid … die Selbstachtung angreifen” (S. 116) könne. Wetz schließt mit den Worten: “Einerseits ist die Selbstachtung allezeit gefährdet. Sie steht auf festem Boden. Demütigungen im häuslichen, gesellschaftlichen und politischen Bereich sind jederzeit möglich. Andererseits sind gerade Demütigungen, die eine Revolte der Selbstachtung entfachen. Niemand findet sich ohne weiteres mit Bevormundung, Spott und sonstiger Erniedrigung ab. Stattdessen möchte jeder mit Respekt behandelt werden, schon weil seine Selbstachtung unweigerlich Anspruch hierauf erhebt oder weil sie so erst zum Aufblühen kommt. Sich selbst zu achten, heißt, sein Dasein für der Mühe wert zu halten, die es einem selbst und anderen macht. Wer sich selbst achtet, nimmt sich ernst, findet sich aber deshalb nicht schon unbedingt der Rede wert; wer sich hingegen verachtet, der hat sich und das Leben einfach nur satt”. (S. 187)

Diese Einschätzungen sind richtig und unverbindlich zugleich. Und genau das ist das Problem des Buches: Einerseits beschreibt und problematisiert es relevante Fragen für die Einzelnen und die Gesellschaft. Dabei hebt Wetz immer wieder bedeutsame Aspekte hervor, heißt es doch etwa: “So unverzichtbar die Selbstachtung fürs menschliche Leben ist, nicht jede Selbstachtung ist moralisch gerechtfertigt.” (S. 185) Eine Fülle von Anmerkungen und Fragen lädt zu weiterführenden Erörterungen und Positionierungen ein.

Andererseits behandelt der Autor allzu häufig das Offensichtliche und bricht die Reflexion gerade an den interessanten Stellen ab. Die zitierten Sätze aus dem Schlusskapitel stehen exemplarisch dafür, kaum jemand dürfte es anders sehen. Doch wie weiter? Die Notwendigkeit von Selbstachtung für das praktische Leben und theoretische Überlegungen dürften die meisten Leser schon vorher gesehen haben. So wirkt denn auch der Band mehr wie eine Ansammlung interessanter essayistischer Betrachtungen, aber ohne innovative inhaltliche Zuspitzung.

 


Siehe auch:
Würde muss überhaupt erst hergestellt werden - Interview mit dem Autoren
Wetz: Warum Selbstachtung? - Bericht über eine Lesung der Säkularen Humanisten zur Buchmesse

 

Franz Josef Wetz: Rebellion der Selbstachtung. Gegen Demütigung. Aschaffenburg: Alibri, 2014. 197 Seiten, Klappenbroschur, Euro 16.-, ISBN 978–3–86569–177–4

 

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