Interview mit Davis Mac-Iyalla

"Die Freiheit in Deutschland ist die Hoffnung der Schwulen in Nigeria."

Gesetze müssen angefochten werden, um die Menschen zu entkriminalisieren

“Das Evangelium bedeutet für mich, als einem Menschenrechtsaktivisten, Mitgefühl für die Armen zu empfinden, für die Menschen. Es ist nicht an mir, Menschen zu verurteilen. Gott wird über sie richten. Wenn mich Menschen misshandeln, werde ich meine Energie nicht verschwenden, sie individuell vor Gericht zu bringen. Stattdessen möchte ich die Quelle anfechten, da wo es herkommt.”

“Wir müssen die existierenden Gesetze auf konstitutioneller Ebene bekämpfen, um die Menschen zu entkriminalisieren. Das ist das wichtigste Ziel momentan in Afrika”, betont Mac-Iyalla.

Das Gesetz zum Verbot gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, das dieses Jahr in Nigeria unterzeichnet wurde, kriminalisiert auch Schwulen-Clubs, -Verbände und -Organisationen mit Strafen bis zu 14 Jahren Haft. Es verletzt die grundlegenden Menschenrechte seiner Bürger. Wenn wir von der wissenschaftlichen Annahme ausgehen, dass 6–8 Prozent der Nigerianer homosexuell sind, sprechen wir von über 10 Millionen Individuen. Das mag immer noch eine Minderheit sein, ist aber keine kleine Zahl.

“Westliche Politiker reden nur selten über die harsche Anti-Schwulen-Gesetzgebung in Nigeria, da sie die ökonomischen Beziehungen mit der Regierung, die große Öl-Reserven kontrolliert, nicht gefährden wollen. Sie machen es sich lieber einfach, indem sie sich auf Uganda konzentrieren, welches ein kleines und armes Land ist”, erklärt Mac-Iyalla.

Religiöse Homophobie sei eine riesige Bedrohung in seiner Heimat, setzt er fort. Dort sieht er seine Hauptaufgabe in dem Kampf. Als Gläubiger der Botschaft Jesus Christus sucht er nach aufgeschlossenen Christen in Nigeria und anderswo, um ein “Christliches LGBT Menschenrechts-Netzwerk” aufzubauen. “Du kannst die Homophobie in Afrika nicht bekämpfen, ohne die Religion zu verstehen. Religion ist ein wichtiger Aspekt der Menschenrechte.”

Viele Berühmtheiten helfen hinter den Kulissen

Gefragt, ob Schwule und Lesben in Nigeria auch Unterstützung finden, sagt Mac-Iyalla, dass er den Menschen immer dankbar sein werde, die ihm in schwierigen Zeiten geholfen haben, dass er dazu in der Lage war, seine Rechte einzufordern. Aber sein Fall sei speziell gewesen, gibt er zu. Andere LGBT hätten keinen finanziellen Rückhalt und keine Möglichkeit, zu fliehen. Seine Familie sei sehr einflussreich. Sein Vater war ein Diplomat. “Der Name meiner Familie ist bekannt in Nigeria. Wir haben alle ein hohes Bildungsniveau und viele Familienmitglieder reisen oder leben im Ausland.” Bei seinem Coming-Out reagierte seine Familie erst negativ. “Aber, weißt Du, Dein Coming-Out hilft dem anderen, seinen Platz zu definieren, entweder sie unterstützen Dich, oder sie gehen auf Distanz.” Insgesamt könne er sagen, habe seine Familie ihn mittlerweile akzeptiert. Besonders seine Mutter habe ihn nie fallen gelassen.

Berühmtheiten träten in Nigeria, so Mac-Iyalla, nur selten offen für die Rechte von LGBT ein. “Aber hinter den Kulissen gibt es sehr einflussreiche Menschen, sogar im Parlament und auch Juristen, die uns unterstützen.” Natürlich gäbe es seltene Beispiele wie den Kenianischen Schriftsteller Binyavanga Wainaina, der dieses Jahr sein Coming-Out hatte, Desmond Tutu oder Bischoff Christopher Senyonjo in Uganda, die öffentlich fordern, mit den Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT aufzuhören.

Wir können nicht allein laufen

Was können wir im “Westen” tun? Mac-Iyalla sagt, dass zum Beispiel das, was Pressenza (1) macht, sehr hilfreich sei. Zu versuchen, wirklich zu verstehen, was es mit dem LGBT Thema auf sich hat, die Geschichten zu erzählen, die Menschen zu informieren, Netzwerke aufzubauen. “Die Freiheit der Schwulen in Deutschland ist die Hoffnung der Schwulen in Nigeria.” Darüber hinaus sei es auch wichtig, die diplomatischen Kanäle zu beeinflussen. “Die Homosexuellen in Nigeria können das nicht allein tun. Es ist ein globales Thema. Wir können nicht alleine laufen.”

Wie sieht er die Situation von LGBT in Nigeria in 20 oder 30 Jahren? “Wir werden frei sein. Wir werden bis dahin den Schutz der Menschenrechte für LGBT erreicht haben. Es wird schneller gehen, als es in Europa gedauert hat. Es ist ein Prozess, der nicht aufzuhalten ist.”

Der Erfolg der Propaganda von Hass und Diskriminierung gegen Minderheiten durch religiöse Institutionen, sowie Aberglaube generell, ist – wie wir in Europa erfahren haben – sehr abhängig von dem Bildungsniveau und der ökonomischen Gerechtigkeit. Wie lang es dauern wird, bis Afrikas mittellose Mehrheit einen ökonomischen Aufschwung erfährt, ist fraglich. Nichtsdestotrotz werden die meisten jungen Menschen in Afrikanischen Ländern, in dem Maße wie die Welt sich immer weiter vernetzt, wahrscheinlich eine weniger naive und alternativen Lebensstilen gegenüber aufgeschlossenere Art entwickeln.

In der Zwischenzeit sind unbestechliche, religiöse Männer wie Herr Mac-Iyalla, die keine Monstergeschichten für eine Handvoll Dollar erzählen, vielleicht die größte Hoffnung im Kampf gegen die Homophobie.

 

(1) Der Artikel erschien zuerst bei Pressenza.