Interview mit David Farago

"Das 11. Gebot" – Jahrestag einer historischen Entscheidung

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Moses mit dem "11. Gebot" und seinem Schöpfer David Farago
David Farago mit Moses

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Das Team vom "11. Gebot" vor dem Dom in Münster
"Das 11. Gebot" vor dem Dom von Münster

MÜNSTER. (hpd) Während die Christen am 25. März 2016 den Tod ihres Religionsstifters mit einem Feiertag begehen, dürfen auch säkulare Menschen in Deutschland an diesem Datum in stiller Freude feiern. Genau heute vor einem Jahr verbuchte die Aktionsgruppe "Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen" in Münster ihren bislang größten Erfolg im Kampf gegen die massive Finanzierung von Katholikentagen und Evangelischen Kirchentagen durch öffentliche Gelder.

Ausgerechnet der Rat der als tief katholisch geltenden Stadt Münster/Westfalen lehnte es am 25. März 2015 ab, dem ZdK als Veranstalter des Katholikentags 2018 in Münster einen Barzuschuss in Millionenhöhe zu gewähren. Lediglich Sachleistungen wurden zugesagt. Ein Novum. Bisher waren die von Kirchentagsveranstaltern bei den Kommunen regelmäßig beantragten Barzuschüsse immer gewährt worden.

Die Aktionsgruppe "Das 11. Gebot" machte erstmals 2014 während des Katholikentags in Regensburg mit einer knapp drei Meter hohen Mosesfigur inklusive Steintafel die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, wie viele öffentliche Gelder für die Finanzierung eines Kirchentages ausgegeben werden. Seitdem leistet die von der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützte Gruppe "Das 11. Gebot" in Politik und Öffentlichkeit Aufklärungsarbeit und versucht, dieser Zuschusspraxis entgegenzuwirken.

Anlässlich des Jahrestages der Entscheidung von Münster führte der hpd ein Gespräch mit dem Initiator der Aktionsgruppe, David Farago.

hpd: Herr Farago, wie feiern Sie und die Mitglieder des 11ten Gebots denn den Jahrestag Ihres bisher größten Erfolges? Still, weil Karfreitag ist?

David Farago: Ich wurde am Karfreitag für ein erotisches Shooting als Fotograf engagiert und wünsche mir, dass mein Team mindestens ebenso ketzerische Dinge an diesem Tag unternimmt. - Bestenfalls vor der Kamera. Einen Grund, abends die ein oder andere Flasche Messwein zu köpfen, hätten wir allemal.

hpd: Manch einer, der noch nie von Ihrer Gruppe gehört hat, mag sich die Frage stellen, was es denn eigentlich genau zu feiern gibt. Die Stadt Münster wird dem Veranstalter des Katholikentags zwar keinen Barzuschuss zahlen, aber Sachleistungen im Wert von mehreren hunderttausend Euro. Worin genau besteht also Ihr Erfolg?

Vorweg - Die Sachleistungen sind noch nicht beschlossen und wenn, werden sie demokratisch und – falls nötig – auch juristisch angegriffen.

Der Erfolg von Münster ist historisch betrachtet einzigartig. Er besteht darin, dass es die Kirchenlobbyisten aus der Politik, dem ZdK und dem Bistum Münster trotz unzähliger Versuche, Stadträte und Öffentlichkeit mit Falschinformationen und Drohungen massiv zu bedrängen, nicht geschafft haben, die direkte Subventionierung hinter verschlossenen Türen durchwinken zu lassen.

Besonders in hochverschuldeten Städten wie Münster ist es für die Macher der Kirchentage wichtig, dass die Öffentlichkeit von Hintergründen und Entscheidungen über die Finanzierung ihrer Sommerfeste nichts mitbekommt. Durch eine sachliche Informationspolitik der Aktion "Das 11. Gebot" gegenüber den Stadträten und Bürgern wurde eine Transparenz geschaffen, die es so noch nie gab. Das war ein Grundpfeiler des Erfolgs neben der für Aufsehen sorgenden Mosesskulptur. Als dann noch in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass der jetzige Oberbürgermeister Lewe zuvor Referatsleiter der Controlling-Abteilung im Bistum war, fühlten sich die Münsteraner zu Recht verarscht.

Seit dem Erfolg in Münster ist eine gesellschaftliche Debatte über die öffentliche Finanzierung von Kirchentagen losgetreten worden, welche die Kirchen auf jeden Fall verhindern wollten und die es ohne "Das 11. Gebot" nicht gegeben hätte.

Es ist immer wieder das Argument zu hören, dass ein Kirchentag angeblich einen finanziellen Gewinn für eine Stadt darstellt, weil er so viele Besucher anzieht, die ihr Geld dort lassen. Letztlich soll der städtische Zuschuss sich demnach laut Angaben der Kirchentagsveranstalter für die jeweilige Stadt rentieren. Stimmt das?

Finanziell trifft dies nicht zu. Dazu müssen einige Fakten betrachtet werden. Das Wichtigste ist, dass von dem Geld, das von Besuchern auf einem Kirchentag ausgegeben wird, natürlich nur ein Bruchteil im Steuertopf der jeweiligen Stadtkasse landet, weil die Stadt nur über die Gewerbesteuer direkt von den Umsätzen der Unternehmen profitieren kann, die in der Stadt ansässig sind.

Und damit wären wir gleich beim nächsten Punkt: Von den Kirchentagsveranstaltern wird natürlich gern verheimlicht, dass die Steuer-Einnahmen am Veranstaltungsort mit keinem Euro steigen, wenn die immer gleichen und nicht ortsansässigen Unternehmen für Werbung, Marketing, PA-und Bühnentechnik und Bürokratie vom Veranstalter beauftragt werden. Diese sind – wie die unzähligen bezahlten Mitarbeiter von Kirchentagen – nach den strengen Regeln der Religionszugehörigkeit ausgesucht oder sogar Tochterunternehmen der Kirchen. Das Geld fließt also nicht nur oft an Firmen außerhalb der Veranstaltungsregion, es wird auch penibel darauf geachtet, dass vorwiegend Kirchensteuerzahler für Kirchentage engagiert und angestellt werden.

Darüber hinaus haben wir berechtigte Zweifel daran, dass die von den Kirchentagsveranstaltern behauptete Höhe der Gelder, die die Besucher angeblich in der Stadt lassen, zutrifft. Die Kirchentagsveranstalter setzen pro Besucher den Satz eines normalen Tagestouristen an. Kirchentagsbesucher geben aber im Schnitt viel weniger Geld aus als ein normaler Tourist, da viele von ihnen beispielsweise nicht im Hotel, sondern in Turnhallen schlafen.

Was ist Ihr langfristiges Ziel mit der Aktion "Das 11. Gebot" und wie wollen Sie es erreichen?

Angetreten bin ich mit den Worten "Die derzeitige Praxis, dem Steuerzahler und damit auch bewusst kirchenfernen Menschen die Mitfinanzierung christlicher Kirchentage zuzumuten, muss beendet werden!" Deshalb bleibe ich bei meiner Ankündigung vom 29. Mai 2014 aus Regensburg, "dass der mahnende Moses mit der Gesetzestafel auf jedem der kommenden Kirchentage in Erscheinung treten werde, solange die Verantwortlichen glaubten, das 11. Gebot - Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen! - nicht befolgen zu müssen."

Dass bei jährlich über 10 Milliarden Euro Kirchensteuereinnahmen, weiteren mehr als 20 Milliarden Euro Steuererleichterungen und direkten Subventionen für die Kirchen und zusätzlichen 45 Milliarden Euro für den Betrieb von Caritas und Diakonie an die beiden Großkirchen weitere Millionen für ihre jährlichen Missionierungsfeste fließen sollen, ist schlicht niemandem mehr vermittelbar. 30 bis 50 Prozent eines solchen Kirchentags werden von der öffentlichen Hand bezahlt. Das muss man sich mal vorstellen!

Nicht vergessen darf man auch die unzähligen Posten, die bei einem Kirchentag auf der Rechnung der allgemeinen Steuerzahler stehen und noch nie beziffert wurden: Vergünstigungen für den öffentlichen Fern- und Nahverkehr, kostenlose Nutzung von öffentlichen Flächen, Gebäuden und Einrichtungen, Gebührenbefreiungen mit spektakulären Ausreden und ein gewaltiger Kostenfaktor, der durch die Anreise von mehr als 100 Prominenten und Politikern und deren Schutz entsteht – und das ist nur der Anfang einer langen Liste.

Sicher werden wir nicht in 50 Jahren mit dem 11. Klon von Moses Kirchentage unsicher machen, zumal ich bezweifle, dass sich Kirchentage dann noch für die übrigen 0,11 Prozent Kirchenmitglieder in Deutschland lohnen. Gezeigt hat sich, dass das Auftreten von Moses vor einem Stadtratsbeschluss die gewünschte Aufklärung der Öffentlichkeit bewirkt. Doch auch das reicht nicht aus, wie sich in Leipzig und Dortmund gezeigt hat. Darum stehen die ersten juristischen Schritte gegen die Kirchentagssubventionierung in den Startlöchern. Das Projekt soll zudem um weitere Gebote ausgeweitet werden, denn die Liste der Privilegien der Kirchen ist so lang wie die ihrer Verbrechen.

Einige – auch säkular eingestellte Menschen – empfinden die Aktion "Das 11. Gebot" als aggressiv oder befürchten, dass durch solche Aktionen säkulare Positionen nicht mehr ernst genommen werden könnten. Was sagen Sie dazu?

Das Gegenteil ist der Fall. Von liberalen, säkular eingestellten Menschen wird oft eines vergessen: Wer ernst genommen werden will, muss seine Forderungen klar formulieren und sie nachhaltig und professionell in der Öffentlichkeit positionieren. Dazu gehört eine Bildsprache, die die Gegenseite – in dem Fall: die Kirchen – und Passanten gut kennen und auch sofort verstehen: Moses mit einer 11. Gebotstafel. Die Galionsfigur unserer Aktion schaffte mit Witz und ihrer haptischen Präsenz vor Ort etwas, das alleine mit einer Vielzahl von Infoständen und unzähligen Printmaterialien nicht erreicht worden wäre: Die Verhinderung der direkten finanziellen Subventionierung eines Kirchentags durch eine Stadt.

Im Übrigen möchte ich erwähnen, dass selbst der überwiegende Anteil von Kirchentagsbesuchern voll hinter unserer Forderung steht und viele den Moses sogar mögen. Moses ist die mit Abstand am meisten fotografierte Attraktion der letzten beiden Kirchentage gewesen.

Wie genau sehen Ihre Aktionen eigentlich aus?

Ursprünglich sollte Moses mit seinem 11. Gebot auf jedem Kirchentag präsent sein und dort die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass diese kirchlichen Sommerfeste bevorzugt und zu mehr als einem Drittel aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt werden.

Aber dann dachten wir uns: Hey, wie wär's, wenn wir versuchen würden, diese öffentlichen Zuschüsse im Vorfeld zu verhindern? Seitdem taucht Moses in jeder Stadt auf, deren Stadtrat aktuell darüber entscheiden muss, ob er einen Kirchentag bezuschusst oder nicht.

Indem wir mit der Mosesfigur durch die Straßen der Stadt ziehen und Infomaterialien verteilen, klären wir die Bürger darüber auf, dass diese Entscheidung in ihrem Stadtrat ansteht – was viele überhaupt nicht wissen. Wir arbeiten mit säkularen Gruppen vor Ort zusammen, wenden uns an die Presse und gehen auf die Politik zu, indem wir den Stadträten Informationen zu den finanziellen und inhaltlichen Hintergründen eines Kirchentags liefern, die sich deutlich von denen unterscheiden, die sie von den Kirchentagsveranstaltern – und damit den Antragstellern – serviert bekommen.

Leider ist der kirchliche Lobbyismus in Rathäusern manchmal so stark, dass Stadtregierungen immun sind gegen Fakten und den Kirchentagsveranstaltern sogar nicht belegbare Behauptungen blind glauben.

Welche Aktionen stehen als nächstes für "Das 11. Gebot" an?

Die Planung für ein Gegenprogramm zum Katholikentag in Leipzig im Mai 2016 ist so gut wie abgeschlossen. Selbstverständlich wird Moses in Leipzig auch persönlich dabei sein.

Für dieses Jahr steht außerdem noch auf dem Plan die Luther-Jahr-Finanzierung für 2017 anzugreifen und juristische Möglichkeiten für die Durchsetzung unserer Forderungen auszuloten, die den entscheidenden Durchbruch liefern sollen.

Und dann haben natürlich auch die Vorbereitungen für die Zuschussverhinderung in Frankfurt für den Kirchentag 2021 längst begonnen. Sobald hier die Entscheidung ansteht, werden wir mit Moses vor Ort sein, auch wenn es wahrscheinlich nur eine kurze Vorlaufzeit geben wird. Unser Team kann sehr schnell reagieren und Aktionen realisieren. Das ist ein wichtiger Teil des Erfolgs vom 11. Gebot.

Apropos "Team". Darf ich zum Schluss noch eine kleine Danksagung loswerden?

Sicher. Nur zu!

Im Namen des Teams um das 11. Gebot bedanke ich bei allen Aktiven, Sponsoren, Spendern und dem IBKA für die Zusammenarbeit in Münster. Dem Hauptsponsor unserer nicht unbedingt günstigen Aktion, der Giordano-Bruno-Stiftung, ein großes Dankeschön, dass sie von Anfang an meine Idee gefördert und mich als "Schöpfer des Moses" in jeder Hinsicht unterstützt hat. Übrigens freut sich unsere Aktion immer über Spenden. Egal ob groß oder klein.

Mein letzter Dank geht an das Team: Wenn ich ein Zuhause habe, dann seid IHR das, denn mein Zuhause ist, wo ich gottlos glücklich bin! Prost auf den Erfolg und die weitere erfolgreiche Zusammenarbeit!

Das Interview führte Daniela Wakonigg für den hpd.