Die Positionspapiere der Parlamentarier auf dem Prüfstand

Kann der Gesetzgeber Rechtssicherheit für Ärzte schaffen

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Renate Künast (MdB)
Renate Künast (MdB)

BERLIN. (hpd/dghs) Mit dem Thema Sterbehilfe hat sich der Deutsche Bundestag hat viel vorgenommen. Noch lässt ein konkreter Gesetzes-Text auf sich warten. Der Zeitplan der schwarz-roten Koalition hängt. Deshalb lohnt ein vertiefender Blick in die bislang vorliegenden Positionspapiere, die zumeist fraktionsübergreifend entstanden waren.

Während Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nicht müde wird zu betonen, er wolle ein Verbot jeglicher gewerbsmäßigen und organisierten Hilfe zur Selbsttötung im Strafgesetz durchsetzen, wofür er eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten bereits hinter sich glaubt, gibt es auch andere liberalere Stimmen. Eine fraktionsübergreifende Gruppe um Dr. Reimann schlägt eine zivilrechtliche Lösung vor.

Eine kleine Gruppe um die Juristin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Dr. Petra Sitte (Die Linke) betont zur Freude der DGHS, dass es keinen Grund gebe, Sterbehilfe-Vereine zu verbieten. Leicht sei es aber nicht gewesen, in den Reihen der Bundestagsabgeordneten dafür Mitstreiter zu finden, erzählte die Rechtsausschuss-Vorsitzende am Rande einer DGHS-Veranstaltung, bei der sie auf dem Podium mitdiskutierte. Für die Beibehaltung der jetzigen Rechtslage und einer allenfalls zu erfolgenden Präzisierung des geltenden Rechts tritt die DGHS gemeinsam mit ihren Bündnis-Partnern ein.

"Ein Verbot würde die Tabuisierung vergrößern"

In dem Künast-Positionspapier heißt es: "Wir setzen uns dafür ein, die von Angehörigen, Nahestehenden, Ärzten und Sterbehilfevereinen geleistete Beihilfe zum Freitod weiterhin straflos zu lassen." Im weiteren Textverlauf wird von den Erstunterzeichner argumentiert: "Die Beihilfe zum Freitod (teilweise) verbieten zu wollen, ist unserer Meinung nach der falsche Ansatz. Ein Verbot nimmt übrigens Menschen, die sich in großen Nöten befinden, die Chance, ein ergebnisoffenes Gespräch zu führen. Die Tabuisierung würde noch vergrößert, aber nicht die Prävention."

Deshalb kommt die Gruppe zu dem Fazit: "Wir meinen, es soll bei dieser Rechtslage bleiben, wonach Vereine und Ärzte nach dem Strafrecht Beihilfe zum selbstbestimmten Freitod leisten dürfen. Es gibt keine sachlichen Gründe zwischen der Beihilfe von Verwandten, Angehörigen, behandelnden Ärzten und der Beihilfe durch Vereine zu differenzieren. Sinnvoll kann jedoch eine klarere Regelung über das Beratungsverfahren bei Sterbehilfevereinen sein."

Einig sind sich alle Gruppen, dass die Palliativ- und Hospizversorgung besser ausgebaut werden soll. Diesem Anliegen trägt ein Gesetzentwurf Rechnung, den Bundesgesundheitsminister Gröhe angekündigt hat.

Ärztliche Hilfe unter Auflagen denkbar

Eine weitere Initiative um die Abgeordneten Dr. Carlo Reimann (SPD), Peter Hintze (CDU) u. a. ist zwar nach jüngsten Äußerungen bereit, ein Verbot von Sterbehilfe-Vereinen mitzutragen, legte aber zugleich einen Regelungsvorschlag vor, der für das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gedacht ist. Eine solche mögliche Regelung solle Ärzten Rechtssicherheit bieten und das vom Deutschen Ärztetag im Jahr 2011 ausgesprochene berufsrechtliche Verbot zur Suizidassistenz aushebeln. Dies klingt auf den ersten Blick gut, hat aber aus Sicht der DGHS den Nachteil, dass aus Juristen-Logik die bislang nicht verbotene Suizidassistenz erstmals grundsätzlich verboten werden muss, um dann in einem zweiten Schritt Ausnahmetatbestände für Ärzte zu schaffen. Das würde Laienhelfer möglicherweise kriminalisieren.

Zudem ist eine Einschränkung auf Fälle von irreversibel zum Tode führenden Erkrankungen vorgesehen. Jede Form von Hilfe bei einem Bilanzsuizid von multimorbid Erkrankten wäre somit nicht möglich. Die Position der Bundestagsabgeordneten Peter Hintze (MdB CDU), Dr. Carola Reimann (SPD), Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach (SPD), Burkhard Lischka, Katherina Reiche (CDU) und Dagmar Wöhrl (CSU) war im November vorigen Jahres auf einer Presse-Konferenz vorgestellt worden.

Darin hieß es: "Wir halten es für einen Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn aus dem Schutz menschlichen Lebens ein staatlicher Zwang zum Leiden wird. (…) Wir wollen Rechtssicherheit für Ärzte und lehnen eine weitergehende Regulierung ärztlichen Handelns mit den Mitteln des Strafrechts ab.(…) Wir halten eine zivilrechtliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch im Umfeld der Patientenverfügungen unter dem Gesichtspunkt der Selbstbestimmung für den richtigen Weg. Eine solche Regelung sollte es volljährigen und einsichtsfähigen Menschen ermöglichen, die freiwillige Hilfe eines Arztes bei der selbst vollzogenen Lebensbeendigung in Anspruch zu nehmen, wenn feststeht, dass eine unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt, der Patient objektiv schwer leidet, eine umfassende Beratung des Patienten bezüglich anderer, insbesondere palliativer Behandlungsmöglichkeiten stattgefunden hat und die ärztliche Diagnose von einem anderen Arzt bestätigt wurde (Vier-Augen-Prinzip)."

Auch dieses Papier betont den Wunsch nach Suizidprävention.

Helfen auch Sie vor Ort mit!

Und so geht es weiter im Bundestag: Im Juni 2015 wird das Gesetz zur Stärkung der Palliativ- und Hospizversorgung vorgestellt, eine Entscheidung zur Suizidhilfe ist für spätestens Herbst angekündigt. Da immer noch viele Parlamentarier unentschlossen sind, lohnt es sich, in ihrer jeweiligen Stadt oder Region den Abgeordneten auf dieses Thema anzusprechen. Machen Sie ihm klar, dass eine Verschärfung des Strafrechts die Betroffenen weiterhin zum "Sterbetourismus" in die Schweiz oder gar in die Illegalität treiben würde. Helfen auch Sie mit, eine strafgesetzliche Verschärfung zu verhindern.

 


Die fünf Positionspapiere im vollen Wortlaut auf dghs.de/wissen

Erstveröffentlichung in Heft 2/2015 der Zeitschrift "Humanes Leben Humanes Sterben"