WIEN. (hpd) Die aktuelle Ausgabe der österreichischen Zeitschrift für FreidenkerInnen, HumanistInnen und AtheistInnen "freidenker" ist erschienen. Das aktuelle Heft stellt die neue Redaktion vor und die Frage, ob Konfessionsfreie weniger wert sind.
Der langjährige Chefredakteur der Zeitschrift, Rony Bilik, nimmt Abschied und übergibt die Redaktion in die Hände von Patrick C. Cloiber. Der verspricht dann auch, dass die Ausgaben des Jahres 2015 sich stärker gesellschaftlichen und realpolitischen Aspekten widmen werden. "Immerhin ist das Handerlhalten der Politik mit den Religionen für uns alle ein rotes Tuch… Weiterhin gibt es in Österreich, dem Rest Europas und der Welt gravierende Missstände, wenn es um die Rechte von Konfessionsfreien geht…"
Gleich auf der sechsten Seite wird von Dr. Bilik erklärt, ob Freidenker eine liberale (islamische) Theologie unterstützen sollen. Er schreibt: "Dieser Gedanke erscheint auf den ersten Blick reizvoll, ich bin aber zu der Überzeugung gekommen, dass dies der falsche Weg ist." Für ihn sei klar, dass der Einfluss der Theologen auf das "alltägliche Christentum" vernachlässigbar ist. Deshalb fragt er, weshalb das bei islamischen Theologen anders sein sollte, "wobei hier noch zu berücksichtigen ist, dass die Islamverbände in der Regel fundamentalistische Organisationen darstellen und jegliche liberale Interpretation massiv bekämpfen." Er verweist auf die Anfeindungen, denen die beiden liberalen islamischen Gelehrten Mohammed Khorchide und Sven Kalisch von Seitens der Islamverbände ausgesetzt sind; aber nicht darauf, dass die Studenten, die in den Seminaren der beiden Genannten lernen, eine andere Sichtweise auf den Islam ebenfalls weitergeben. Bilik schreibt: "Was Österreich braucht, sind daher nicht theologische Fakultäten … sondern ein Säkulares Institut für Humanismus und Aufklärung."
Der Präsident der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ), Amer Albayati, stellt in einem Gastkommentar fest, dass es die Politik sei, die einen liberalen Islam europäischer Prägung verhindern. Solange die Politik sich mit einigen Islamverbänden und -vereinen berät und diesen einen Alleinvertretungsanspruch für alle Muslime zugesteht, besteht die Gefahr einer zunehmenden Radikalisierung. Denn "alle diese Vereine vertreten nicht die religiösen Interessen der in Österreich lebenden Muslime, viele von ihnen stehen dem Dschihadismus und Terrorismus nahe." Für Albayati ist klar, dass es die Muslime selbst sein müssen, die "den Islam reformieren", denn sonst "können wir die Moderne nicht erreichen und die Geschichte der islamischen Stagnation bleibt unverändert."
"Wie frei ist die Welt?" fragt Max Wallner in seinem Bericht, der die Ergebnisse des Ende vergangenen Jahres von der International Humanist and Ethical Union (IHEU) vorgestellten Freedom of Speech Report. Der Bericht ist ein Meilenstein für Humanisten und Freidenker. Denn er stellt zusammenfassend die Situation weltweit dar. Es ist "die umfangreichste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den … Diskriminierungen, denen HumanistInnen, AtheistInnen und Areligiöse weltweit ausgesetzt sind."
Martina Laszakovits berichtet über das Urteil eines argentinischen Gerichts, das dem Orang-Utan-Weibchen "Sandra" Personenrechte zubilligte. Der lange Artikel endet mit den Fragen: "Die Neudefinierung des Personenbegriffs durch Sandras Fall eröffnet gänzlich neue Fragen und fordert zum Umdenken auf. Wo sind die Grenzen der übertragenen Rechte? Sollte man Menschen zur Rechenschaft für die Verbrechen gegen Tier ziehen? Sollten Tiere ein Gehalt im Gegenzug für einen Auftritt im Zoo bekommen? …"
Über die "Ehrung", die dem verstorbenen Kardinal Hans Hermann Groer durch die "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" erteilt wurde, hat auch der hpd mehrfach berichtet. Sepp Rothwangel verfasste für den Freidenker ein flammendes Plädoyer für einen anderen Umgang mit den Verbrechen, die Kindern im Namen der Kirche angetan wurden.
Gerhard Engelmeyer fragt, ob Religion für Kinder wichtig sei. Und beantwortet die Frage mit einem deutlichen "Nein". Für ihn ist klar, dass es (jedenfalls in Österreich) schon schwierig sei, sich diese Frage überhaupt zu stellen. Zu allgemein wird anerkannt, dass Kinder religiös erzogen werden müssen. Doch "darf man diese Entscheidung so fahrlässig vornehmen? Werden dadurch nicht ganz wichtige Weichen gestellt? Speziell dann, wenn man selbst nicht bereit ist, sich mit dem Kind über diese Fragen eingehend zu unterhalten und wichtige Wegweisungen im Leben des Kindes anderen zu überlassen." Denn die Eigenheit kleiner Kinder, kritiklos von den Eltern alles zu übernehmen, wird von den Religionen schamlos dazu ausgenutzt, ihnen sinnloses "Wissen" zu vermitteln. Er plädiert daher dafür, die religiöse Indoktrination von Kindern zu verbieten und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich selbst für oder gegen den Glauben zu entscheiden. "Kinder brauchen Sicherheit für ihre Entwicklung. Religion bringt Schein-Sicherheit, in Wirklichkeit hat sich über die Jahrhunderte immer wieder erwiesen, dass der Wille Gottes erstaunlich gut mit den Absichten jener übereinstimmt, die gerade an der Macht sind."
Diesen Gedanken ergänzt Karin Morschinsky mit der Satire "Mein Atheistenkind", in der sie kolportiert, wie sich manche ein gottloses Leben vorstellen.
In einem langen Interview berichtet Philippe Lorre, Mitinitiator des Volksbegehrens über seine Arbeit in der Steiermark, Martina Laszakovits schreibt über die Atheist Community of Austin (USA) und deren Show The Atheist Experience. Gerfried Pongratz erklärt, "Warum wir glauben" und Peter Schreiber zeigt auf, wie sehr uns überholte Denk-Gewohnheiten noch im Griff haben.
Den Abschluss des Heftes bilden Rezensionen der Bücher "Der Dogmenwahn" von Heinz-Werner Kubitza, "Das Elend des Christentums" von Joachim Kahl sowie Bernd Galeski’s Buch "Die Welt des konservativen Katholizismus".