Wissenschaftsbücher für den Durchschnittsleser

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Andromeda Galaxy
Andromeda Galaxy

BERLIN. (hpd/rdf) Der Nobelpreisträger für Physik, Steven Weinberg, schreibt im Guardian darüber, wie Wissenschaftsvermittlung am besten funktioniert und stellt die für ihn wichtigsten Bücher vor, die es auch dem Laien möglich machen, Wissenschaft zu verstehen. Die Richard Dawkins Foundation hat den Artikel ins Deutsche übersetzt.

Wenn Sie Aristoteles fragen könnten, was er von der Idee hielte, ein Physikbuch für jedermann zu schreiben, würde er nicht verstehen, was Sie meinen. Seine eigenen Schriften über Physik und Astronomie, über Politik und Ästhetik waren für jeden gebildeten Griechen verständlich. Dies ist nicht so sehr ein Beleg für Aristoteles Fähigkeiten als Autor oder die ausgezeichnete griechische Bildung, als vielmehr für den primitiven Stand der hellenischen Physik, die von der Mathematik keinen wirkungsvollen Gebrauch machte. Es ist vor allem die Mathematik, die dem Austausch zwischen professionellen Wissenschaftlern und der gebildeten Allgemeinheit im Wege steht. Die Entwicklung der reinen Mathematik war zu Aristoteles Zeiten bereits in vollem Gange, doch ihr Einsatz in der Wissenschaft durch Platon und die Pythagoreer war kindisch, und Aristoteles selbst zeigte wenig Interesse daran, Mathematik in der Wissenschaft einzusetzen. Er schloss aus der Tatsache, dass der Nachthimmel auf verschiedenen Breitengraden unterschiedlich aussah, scharfsinnigerweise darauf, dass die Erde eine Kugel ist, aber er machte sich nicht die Mühe, diese Beobachtungen zur Berechnung der Größe unseres Planeten heranzuziehen (was möglich gewesen wäre).

Die Physik begann erst nach Aristoteles Tod im Jahre 332 v. Chr., als sich das eigentliche Zentrum der Wissenschaften von Athen nach Alexandria verlagerte, ernsthaft aus der Mathematik Nutzen zu ziehen. Doch die unverzichtbare Verwendung von Mathematik durch hellenische Physiker und Astronomen begann der Verständigung zwischen Wissenschaftlern und Allgemeinheit in die Quere zu kommen. Wenn wir die überlieferten, hoch-mathematischen Werke von Aristarch, Archimedes und Ptolemäus durchsehen, können wir einen Anflug von Mitgefühl mit den Griechen und griechisch sprechenden Römern spüren, die mit den neuesten Entdeckungen über das Licht, Flüssigkeiten oder die Planeten Schritt zu halten versuchten.

Es dauerte nicht lange, bis "Kommentatoren" genannte Autoren diese Lücke zu füllen versuchten. Ironischerweise waren sie als Autoren so viel populärer als die professionellen Wissenschaftler, dass anstelle der eigentlichen Forschungsberichte ihre Kommentare zur wissenschaftlichen Forschung kopiert und wieder kopiert wurden, was ihren Werken die Chance gab, den Zusammenbruch der Antike zu überleben. Zum Beispiel wissen wir von Eratosthenes Berechnung des Erdumfanges nicht aus seinen Schriften, die verloren sind, sondern durch den Kommentar von Cleomedes, der einige Jahrhunderte später schrieb. Es ist, also würden Studierende in einer postapokalyptischen Zukunft von Newton und Einstein nur aus überlieferten Artikeln in Scientific American oder New Scientist erfahren.

Nach dem Untergang des Weströmischen Imperiums verlor sich die fachliche Tradition mathematischer Physik und Astronomie in der verbleibenden griechischen Hälfte des Imperiums, wenngleich sie in den islamischen Ländern überlebte. Diese Tradition wurde im Europa des Spätmittelalters wiederbelebt und erstarkte, wobei sie zwei Jahrhunderte später in den Werken von Kepler, Huygens und vor allem Newton einen Höhepunkt erreichte. Newtons Principia ist immer noch das wichtigste Buch, das jemals über Physik geschrieben wurde, doch es ist für jeden Leser abschreckend schwierig. Newton selbst machte keine Anstalten, seine Theorien zur Bewegung und zur Gravitation dem Durchschnittsleser nahezubringen. Deshalb war es wichtig, dass Voltaire es unternahm, dieses Werk der französischen Öffentlichkeit zu erklären, die sich in Descartes Irrtümern verstrickt hatte. Im Jahre 2006 nahm Ian McEwan in dieser Zeitschrift Voltaires Letters on England zu Recht in Ein Kanon wissenschaftlichen Schreibens auf.

Da die Physik nach Newton zunehmend mathematisch wurde, wurde der Austausch mit der Öffentlichkeit immer schwieriger. Im zwanzigsten Jahrhundert nahmen George Gamow und Sir James Jeans die Herausforderung an, die aufregenden neuen Entwicklungen der Relativität und der Quantenmechanik zu erklären, mit gemischtem Erfolg. Für mich, der ich als Teenager gerade dabei war, ein ernsthaftes Interesse an der Physik zu entwickeln, waren diese Werke inspirierend. Durch sie wurde mir nicht alles klar. Eher im Gegenteil. Diese Bücher schilderten ein lebhaftes Bild einer Welt, die von der Intuition widersprechenden Naturgesetzen beherrscht wurde, welche (wie Galileo bekanntermaßen in The Assayer deutlich gemacht hatte), nur von jemandem verstanden werden konnten, der der Sprache mächtig war, in der sie verfasst waren: der Sprache der Mathematik. Ich erinnere mich, in einem ihrer Bücher (ich glaube, es war Jeans The Mysterious Universe), auf eine Diskussion von Heisenbergs Unschärferelation zu stoßen, in der die Gleichung qp-pq = ih/2? erwähnt wurde. Ich wusste nicht, was mit der rechten Seite der Gleichung gemeint war, aber ich wusste, wenn q und p irgendwelche Zahlen waren, q mal p und p mal q dasselbe sein musste, und was konnte dann qp minus pq anderes sein als null? Mir war sonnenklar, dass ich noch eine Menge zu lernen hatte, bevor ich diese tiefgründige Materie beherrschen würde.

Wenn man über Physik schreibt, ist es also nicht immer wesentlich, dem Durchschnittsleser alles zu erklären. Wichtig ist, die Leser zu respektieren, nicht sie zu der Annahme zu verleiten, alles wäre einleuchtend, wenn sie nur nicht solche Tölpel wären, oder dass Unklarheit ein Zeichen von Tiefgang wäre. Im Vorwort meines Buches über den Urknall, Die ersten drei Minuten, legte ich dar, dass "ein Anwalt, der für die Allgemeinheit schreibt, nicht voraussetzt, dass sie Juristen-Französisch oder das Ewigkeitsverbot kennt, deswegen aber nicht schlechter von ihr denkt oder sie herablassend behandelt … ich stelle mir den Leser als einen schlauen, alten Anwalt vor, der zwar meine Sprache nicht spricht, der aber dennoch einige überzeugende Argumente zu hören erwartet, bevor er ein Urteil fällt."