Wissenschaftsbücher für den Durchschnittsleser

Wenn praktizierende Wissenschaftler wie ich für die Allgemeinheit schreiben, dann haben wir die Gelegenheit, uns an Kontroversen zu beteiligen. Die polemische Haltung wissenschaftlicher Schriften reicht mindestens bis zum Goldenen Zeitalter der muslimischen Wissenschaft zurück, als diese den Wert der Wissenschaften und ihre Beziehung zum Islam in den Mittelpunkt stellten. Einer der versiertesten muslimischen Astronomen, der Perser al-Biruni, klagte über wissenschaftsfeindliche Einstellungen unter islamischen Extremisten, während der Mediziner Rhazes, den Al-Biruni bewunderte, den Standpunkt vertrat, dass Wissenschaftler der Menschheit mehr Nutzen bringen als religiöse Anführer, und dass Wunder nur Tricks seien. Der berühmte Arzt Avicenna antwortete, Rhazes solle sich auf Dinge beschränken, von denen er etwas verstehe, wie Eiterbeulen und Exkremente.

Die Polemik fand auch Eingang in die Schriften europäischer Wissenschaftler für die Allgemeinheit zur Zeit der wissenschaftlichen Revolution. Galileo missachtete nicht nur die Anweisungen der Römischen Inquisition, als er in seinem Buch Dialogo behauptete, dass die Sonne und nicht die Erde still stehe, er schrieb den Dialogo auch auf Italienisch statt im Latein der Scholaren, und er benutzte wenig Mathematik, so dass es von jedem lesekundigen Italiener gelesen und verstanden werden konnte. Seine Landsleute waren nicht undankbar; als die Kirche das Buch unterdrückt hatte, war es bereits ausverkauft.

Darwins Der Ursprung der Arten ist ein beinahe einzigartiges Beispiel für einen professionellen wissenschaftlichen Bericht höchster Güte, der zugleich wenigstens implizit auch eine Polemik – wie Darwin sagte, "eine einzige lange Beweisführung" - zu einem öffentlichen Thema ist: die Fundamente des religiösen Glaubens. Er riss die nahezu allgemeingültige Annahme dauerhaft nieder, dass die Fähigkeiten von Pflanzen und Tieren nur mit göttlichem Eingreifen erklärt werden können. Sein Buch wirkt teilweise deswegen polemisch, weil es wundervoll lesbar ist. (Natürlich hatte Darwin als Autor den Vorteil, dass die Biologie seiner Zeit für einen zweckmäßigen Einsatz von Mathematik noch nicht fortgeschritten genug war, und so sah er sich nicht der Aufgabe gegenüber, der Allgemeinheit mathematische Gedankengänge auseinanderzusetzen.) Polemiken zu Wissenschaft und Religion gibt es auch heute noch, besonders in den Schriften von Richard Dawkins (ebenfalls von McEwan in seinen Kanon aufgenommen) und Sam Harris auf der einen und von John Polkinghorne und Francis Collins auf der anderen Seite. Auch ich bin bei diesem Thema zu Wort gekommen.

Vor einigen Jahren begann ich eine ganze Menge zu einer anderen Frage zu schreiben: der des öffentlichen Rückhalts für die Wissenschaft. Anfang der Achtzigerjahre unterstützte die US-Regierung den Plan, einen sehr großen Teilchenbeschleuniger zu bauen, den Superconducting Super Collider. Die Arbeit begann, und etwa eine Milliarde Dollar wurde ausgegeben, doch die weitere Finanzierung stand noch in Frage. Zusammen mit anderen Physikern wurde ich benannt, um Kongress-Ausschüssen, Redaktionsleitungen und öffentlichen Versammlungen zu erklären, warum der Super Collider eine gute Idee wäre. Ich fand mich dabei so häufig in der Situation wieder, die reduktionistischen Ziele der Hochenergiephysik zu verteidigen, dass ich ein Buch darüber schrieb: Dreams of a Final Theory (deutsch: Der Traum von der Einheit des Universums). Leider wurden die Finanzierung des Super Colliders im Jahre 1983 eingestellt, und obwohl es mich schmerzt, dass es uns Physikern nicht gelungen war, den Kongress zu überzeugen, bin ich doch stolz darauf, dass mein Buch es in McEwans Kanon geschafft hat.

In To Explain the World bringe ich Einwände gegen jene Wissenschaftshistoriker vor, die die wissenschaftliche Arbeit jeder Ära mit den Maßstäben jener Zeit statt mit den heutigen beurteilen wollen, so als würde die Wissenschaft nicht sammeln und fortschreiten, und als ob ihre Geschichte wie eine Geschichte der Mode geschrieben werden könne. Man kann die großartige Energie und Intelligenz eines Aristoteles anerkennen, während man gleichzeitig feststellt, dass seine Vorstellung davon, wie man etwas von der Welt begreift, ein Hindernis für den Fortschritt war. Ich habe gehörigen Respekt vor professionellen Wissenschaftshistorikern, von denen ich so viel gelernt habe, aber mein Buch wirft einen kühleren Blick als die meisten Historiker nicht nur auf Aristoteles, sondern auch auf anderen Ikonen wie Demokrit, Platon, Avicenna, Grosseteste, Francis Bacon und Descartes.

In den letzten Jahrzehnten ist für wissenschaftliche Ideen ein neuer Kommunikationsweg zur Öffentlichkeit entstanden. Es ist die Literatur. Ich meine nicht Science Fiction, die sich schon seit Jules Verne mit den Auswirkungen technischer Anwendungen der Wissenschaft befasst. In letzter Zeit haben sich einige Autoren – Tom Stoppard zum Beispiel – für die Auswirkungen wissenschaftlicher Tätigkeit und wissenschaftlicher Ideen auf das Individuum zu interessieren begonnen, statt für die ihrer Anwendungen. Sie haben viel dafür getan, die Wissenschaft zu etwas zu machen, was sich einige Wissenschaftler schon immer für sie erhofft hatten: zu einem Teil unserer heutigen Kultur.

Das ist in der Tat ein Ziel, das Physiker wie Brian Greene, David Deutsch und Larry Krauss, und Biologen wie Dawkins, Stephen Jay Gould und E.O. Wilson veranlasst hat, sich eine Auszeit von ihrer Forschung zu nehmen, um für die Allgemeinheit zu schreiben. Es gibt natürlich noch andere Ziele. Ich glaube, es war E.M. Forster, der einmal sagte, er schreibe, um sich den Respekt derer zu verdienen, die er respektiert, und um seine Brötchen zu verdienen. Was die Brötchen angeht, habe ich eine Menge Beratung zu Verteidigungsfragen geleistet, bis ich herausfand, dass Bücherschreiben in jeder Hinsicht lohnender ist, und da der Umgang mit Verschlusssachen nicht dazugehörte, konnte ich das auch zuhause machen. Wichtiger war die Gelegenheit, den Elfenbeinturm der Forschung in theoretischer Physik für eine Zeitlang zu verlassen und mit der Außenwelt in Kontakt zu treten.

Steven Weinbergs 13 beste Wissenschaftsbücher für den Durchschnittsleser

Die untenstehende Liste ist bemerkenswert dürftig, was Bücher von Frauen angeht. Das ist deswegen so, weil Frauen im Großteil ihrer Geschichte in der Wissenschaft nicht willkommen waren. Alexandria war in dieser Hinsicht weniger repressiv als Athen, aber dennoch sticht unter den weiblichen Naturphilosophen der antiken Welt nur Hypathia von Alexandria hervor. Glücklicherweise jedoch wird dieser Mangel allmählich behoben. Obwohl es noch zu wenige sind, gibt es heute brillante Frauen in allen Wissenschaftszweigen, eine von ihnen schließt diese Liste ein.

  • Philosophische Briefe – Voltaire (1733)
  • Der Ursprung der Arten - Charles Darwin (1859)
  • On a Piece of Chalk – Thomas Huxley (1868)
  • The Mysterious Universe – James Jeans (1930)
  • Geburt und Tod der Sonne – George Gamow (1940)
  • Vom Wesen physikalischer Gesetze – Richard Feynman (1965)
  • Das elegante Universum – Brian Greene (1999)
  • Das egoistische Gen – Richard Dawkins (1976)
  • Die Atombombe oder Die Geschichte des 8. Schöpfungstages – Richard Rhodes (1986)
  • Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts: Die Theorie des inflationären Universums – Alan Guth (1997)
  • The Whole Shebang – Timothy Ferris (1997)
  • Hiding in the Mirror – Lawrence Krauss (2005)
  • Verborgene Universen. Eine Reise in den extradimensionalen Raum – Lisa Randall (2005)

Übersetzung für die Richard-Dawkins-Foundation: Burger Voß, Thomas Knorra, Originalartikel bei theguardian.com