Überlegungen zu einer vernünftigen Wirtschaft

Lebensgrundlagen bewahren – Ressourcen schonen

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BERLIN. (hpd) Wir leben in einer scheinbaren Überflussgesellschaft. Doch sind die Ressourcen, die der Menschheit zur Verfügung stehen, begrenzt. Der Autor will mit seinem Artikel die Diskussion anregen und das Bewusstsein zur Notwendigkeit einer Eindämmung der Ressourcenverschwendung durch die "geplante Obsoleszenz" schärfen.

Vor zweieinhalbtausend Jahren war der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos einer der treibenden Kräfte bei dem Versuch, die Welt nicht mehr durch die Kraft übernatürlicher Wesen zu erklären, sondern die Gegebenheiten durch vernunftmäßig begründete Beschreibungen zu erläutern. Heraklit gehört zu den frühen Vertretern der Evolutionstheorie, die den Kreislauf vom Werden und Vergehen alles Irdischen als wesentliches Grundprinzip der Evolution und der Naturgesetze beschrieben haben. Alle vorkommenden Dinge der Natur unterliegen einem physikalisch bedingten Alterungsprozess, den man auch als "natürliche Obsoleszenz" bezeichnen kann.

Während die "natürliche Obsoleszenz" auf Naturgesetzen beruht, nimmt die "geplante Obsoleszenz" durch unternehmerische Entscheidungen auf die Qualität und Nutzungsdauer der Produkte Einfluss und wird so immer mehr zu einer Bedrohung für die Bewohnbarkeit unseres Planeten.

Die Lebensgrundlagen unseres Planeten

Natürliche Ressourcen wie Wasser, Luft und Rohstoffe (Metalle, Erdöl, etc.) bilden die Lebensgrundlage auf unserem Planeten und sind nur begrenzt verfügbar. Durch den Lebensstil in der westlichen Welt nimmt die Menschheit der Erde mehr, als sie langfristig geben kann und stellt so eine Gefahr für das Leben auf unserem Planeten dar. Auch die Probleme der Verwertung des Abfalls sowie die Anreicherung der Atmosphäre mit Treibhausgasen mit den Folgen eines dramatischen Klimawandels, sind nicht gelöst.

Da bereits heute viele Ressourcen knapp sind, kann unser westlicher Lebensstil nicht auf alle Erdenbewohner übertragen werden. Es stellt sich somit die Frage, wer auf die knappen Ressourcen Anspruch hat. Die Ressourcenverteilung wird zu einer Gerechtigkeits- und Machtfrage! Siebeneinhalb Milliarden Menschen leben derzeit auf der Erde, und im Jahr 2100 sollen es zwischen 9,6 und 12,3 Milliarden sein. Der Kampf um Ressourcen hat schon lange begonnen. Der Klimawandel wird Millionen von Menschen in eine ausweglose Lage bringen und Ursache von Flucht und Krieg sein.

Hauptverursacher für die globalen Umweltveränderungen sind die Industriestaaten. Mit den knappen Ressourcen muss verantwortungsvoller umgegangen und der Ausstoß von Treibhausgasen massiv reduziert werden!

Was wir derzeit brauchen ist mehr als nur Kenntnis unserer technologischen Möglichkeiten. Was wir benötigen sind Ideen, wie wir die Menschen aus ihrer dumpfen Lethargie aufrütteln können. Haben wir eine Antwort auf die Frage, mit welchen Maßnahmen wir die auf uns zukommende Katastrophe abwenden können? Und haben wir auch ein Konzept, wie wir dafür eine Mehrheit in unserer Gesellschaft erringen werden?

Ein Plan zur Abwendung der Katastrophe wird aus vielen Bausteinen bestehen. Wie ein Puzzle müssen sie aneinandergefügt werden bis daraus ein kohärentes Bild entsteht. An vielen dieser Bausteine wird sehr intensiv gearbeitet – wie zum Beispiel dem Recycling – ein wichtiger Baustein ist jedoch im Bewusstsein der Menschen noch nicht angekommen, und das sind Maßnahmen gegen die sogenannte "geplante Obsoleszenz".

Den politischen Entscheidungen geht immer ein Prozess der Meinungsbildung in unserer Gesellschaft voraus. Den Parteien kommt dabei die Aufgabe zu, politische Vorstellungen zu Konzepten und Programmen zu bündeln und die Ansichten der BürgerInnen so zu beeinflussen, dass diese Konzepte mehrheitsfähig werden. Den gesellschaftlichen Diskurs und Disput können wir nur dann für uns entscheiden, wenn die Vorstellungen in den Köpfen und Herzen der überwiegenden Mehrzahl unserer MitbürgerInnen verankert sind.

Was versteht man unter "geplanter Obsoleszenz"?

Die willkürliche Lebensdauerbegrenzung von Produkten ist keine neue Idee. Auch die im Rahmen eines Konjunkturpakets im Jahre 2009 eingeführte sogenannte Abwrackprämie ging von der Intention her in diese Richtung. Es gibt jedoch subtilere Mittel um Produktionskreisläufe in Schwung zu halten, etwa indem bei der Entwicklung eines neuen Produkts bereits Schwachstellen vorsätzlich eingebaut werden. Für die Strategie der künstlichen Veralterung von Produkten hat sich der Begriff der "geplanten Obsoleszenz" durchgesetzt.

Schon in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann General Motors damit, jährlich Veränderungen bei Automobilen einzuführen – und wenn es nur im Design war – um Kaufanreize zu schaffen auch für diejenigen, deren altes Auto noch funktionstüchtig war. Zur gleichen Zeit verständigten sich die führenden Herstellern von Glühbirnen auf eine tückischere Form der geplanten Obsoleszenz, die dem Kunden verborgen blieb: Die Lebensdauer von Produkten wurde auf 1.000 Stunden begrenzt. Fast unbegrenzte Möglichkeiten erschließen sich den Herstellern von programmierbaren Geräten: Verborgene Programmodule können das Gerät außer Betrieb setzen, wenn vom Hersteller definierte Nutzungsdauern erreicht werden. Eine weitere tückische Form der geplanten Obsoleszenz ist die Verwendung von ungeeigneten elektronischen Bauteilen oder deren unsachgemäße Anordnung auf einer Leiterplatte.

Was kann man gegen willkürliche Lebensdauerbegrenzungen unternehmen?

Langfristiges Ziel muss sein, eine (zumindest) europäische Richtlinie für ein obligatorisches Zulassungsverfahren als verbindlich für alle Hersteller zu etablieren. Vorbild dafür könnte die Europäische EMV-Richtlinie sein, die die Elektromagnetische Verträglichkeit definiert und gemeinsam mit den EMV-Normen die Voraussetzungen festlegt, die von Herstellern bei der Entwicklung und Fertigung von Produkten eingehalten werden müssen! Auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse müssen Richtlinien erarbeitet und in Normen umgesetzt werden.

In einer Übergangsphase könnte mit einem Gütesiegel dem Verbraucher Hinweise über die Beschaffenheit des Produktes im Hinblick auf zu vermeidende Schwachstellen gegeben werden, um sein Kaufverhalten positiv zu beeinflussen. Mit diesem Gütesiegel wird dokumentiert, dass auch ethische Fragestellungen bezogen auf die Produktlebensdauer in die Entwicklung und Fertigung eines Produktes eingegangen sind. Es stellt als Werbeinstrumentarium die Dokumentation nach außen dar, so dass über den Markt Druck auf Hersteller ausgeübt wird, Produkte anzubieten, die dem Gütesiegel entsprechen.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass im Bereich der vorzeitigen Alterung von Produkten belastbare wissenschaftliche Daten systematisch ermittelt und gesammelt werden. Forschung, die sich dem interdisziplinären Ansatz zur gemeinsamen Weiterentwicklung wichtiger Fragen und Herausforderungen eines Produkt-Lebenszyklus widmen, wird notwendig. Als heute schon bekannte Schlagworte für "gelebte" Obsoleszenz seien hier erwähnt: unterdimensionierte Bauteile; verklebte Bauteile die nicht ausgetauscht werden können; Verwendung besonders hitzeempfindlicher Bauteile in unmittelbarer Nähe von Hitzequellen; Beschleunigung des Alterungsprozesses von Kondensatoren, die bewusst im Heißluftstrom der Prozessorkühlung angebracht werden; usw. …

Durchsetzungsstrategien und Konsequenzen einer veränderten Politik

Ein so bedeutsames Thema wie die Obsoleszenz muss in den Parteien und der Bevölkerung diskutiert werden und dort im Bewusstsein verankert sein. Doch scheuen die Parteien offensichtlich das Risiko, dieses Thema den Wählern nicht vermitteln zu können. Die geplante Obsoleszenz konsequent zu verhindern würde zwangsläufig zu einer Entschleunigung des Wirtschaftskreislaufs und somit zu einem "Negativ-Wachstum" führen. In unserem Wirtschaftssystem hätte dies eine Rezession und Massenarbeitslosigkeit zur Folge. Ohne einen vorausschauenden Reformprozess wären wir dann mit großen sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen in unserer Gesellschaft konfrontiert. Dennoch darf eine visionäre Politik bei einem solch grundsätzlichen Thema den Ball nicht flach halten, sondern muss vorausschauend (volkswirtschaftliche) Konzepte erarbeiten, wie diese Auswirkungen zu verhindern oder zumindest abzumildern sind.

Erfolgreich kann die Obsoleszenz auch nur bekämpft werden, wenn ein großer Wirtschaftsraum dies gegen global agierende Unternehmen erzwingt. Dieser Kampf muss Teil einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftspolitik sein.

"Unsere Wirtschaftsweise ist weder ökologisch nachhaltig noch global gerecht", erklärt Julia Otten, Referentin bei Germanwatch. "Damit beuten wir die Erde auf Kosten künftiger Generationen und der in Armut lebenden Menschen aus, die insbesondere im globalen Süden leben."

Wir reden hier über ein Generationenprojekt! Wenn wir die Menschen in der westlichen Welt mitnehmen wollen, müssen überzeugende Konzepte auch in einem ebenso professionellen Kommunikationskonzept ihren Niederschlag finden. Denn ohne demokratische Mehrheiten wird auch diese Vision nicht Realität werden.

Die heutige Wirtschaftsweise zerstört unsere natürlichen Lebensgrundlagen und untergräbt dadurch die Bewohnbarkeit unseres Planeten für kommende Generationen. Nur wenn Ökonomie und Ökologie zusammen gedacht werden, können wir diese Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen sicherstellen, eine gerechte Ressourcenverteilung erreichen und dem friedlichen Miteinander der Menschen eine Chance geben.