Einem ex-muslimischen Humanisten und Menschenrechtsaktivisten aus Ägypten wurde mehrfach die Ausreise verweigert. Diesmal sogar, als er zu seinem eigenen Hochzeitsfest aufbrechen wollte. Er befindet sich seit vier Wochen im Hungerstreik.
Ahmed Harkan ist einer der wenigen bekannten laizistischen Blogger und Aktivisten Ägyptens. Er wuchs in einer muslimischen Familie auf, die sich an der islamischen Salafi-Bewegung orientierte. Er erhielt religiösen Unterricht durch den Gelehrten Yasser Al Borhamy, einem Ideengeber und Vertreter der salafistischen ägyptischen Partei des Lichts. Einen Großteil seiner Jugend verbrachte Harkan als salafistischer Fundamentalist. Im Juni 2010 verließ er den Islam nach einer langen Zeit des Zweifels an religiösen Dogmen und Praktiken.
Seit einigen Jahren setzt er sich für die Rechte der Nichtreligiösen und der Frauen sowie die Meinungsfreiheit ein. In Ägypten und der arabischsprachigen Welt machte er sich als regelmäßiger Gast in ägyptisch-arabischen Talkshows einen Namen, in denen er mit namhaften Religionsgelehrten über Religion und Atheismus debattierte. Aufgrund seiner kritischen Einstellung zur Religion war er immer wieder Repressalien und Angriffen ausgesetzt. Im Jahr 2014 überlebte er einen Attentatsversuch, bei dem er verletzt wurde. Statt Hilfe von der Polizei zu erhalten, wurde er wegen Blasphemie und "Diffamierung der Religion" angeklagt.
Vergangenen Monat wollte Harkan nach Tunesien reisen, um seine tunesische Partnerin zu heiraten. Die Sicherheitskräfte nahmen ihn auf dem Flughafen fest. Obgleich es keinen offiziellen Gerichtsbeschluss gab, hinderten sie ihn daran, das Land zu verlassen und nahmen ihn in Haft. Dort erfuhr er, dass ihm schon 2016 ein Reiseverbot auferlegt worden war. Bereits im Juni dieses Jahres war ihm die Ausreise verweigert worden, als er nach Beirut fliegen wollte, um an der AlhuraTv-Talkshow der libanesischen Schriftstellerin und Feministin Joumana Haddad teilzunehmen.
Als Harkan am 30. Oktober die Ausreise nach Tunesien verweigert wurde, startete er einen offenen Hungerstreik, um gegen die Willkür der Behörden zu protestieren. Harkans Gesundheitszustand verschlechtert sich weiter, er wurde zweimal ins Krankenhaus gebracht. Dort berichtete er, dass die Polizei ihn besucht hatte. Ein Polizist teilte ihm lakonisch mit: "Du musst wissen, warum dir das Reisen verwehrt ist."
Die Freidenkenden in der Schweiz konnten mit Harkan sprechen. Er teilt mit:
"Ich möchte der freien Welt sagen, dass ich hier im Sterbebett liege, nur weil ich ein Atheist bin. Vor den Augen einer Regierung, die behauptet, den Terrorismus zu bekämpfen."
Die FreidenkerInnen werden sich an die Ägyptische Botschaft in Bern wenden und das Land auffordern, das inoffizielle Reiseverbot für Ahmad Harkan aufzuheben und allen BürgerInnen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit die gleichen Rechte zu garantieren. Andreas Kyriacou, Präsident der FreidenkerInnen der Schweiz, hofft auf weiteren öffentlichen Druck: "Es ist beklagenswert, dass jemandem wie Ahmed Harkan, der in Ägypten friedvoll für Redefreiheit und Humanismus eintritt, ein elementares Recht verweigert wird. Es ist unsere Pflicht als Freidenkende und Humanisten im Westen, die wir uns ohne Angst vor staatlicher Verfolgung engagieren können, diejenigen zu unterstützen, die sich anderswo mutig für die Freiheit des Denkens und die Menschenrechte einsetzen."
Erstveröffentlichung auf der Webseite der Freidenkenden Schweiz.
Siehe auch: Nach Hungerstreik: Atheist in Ägypten festgenommen
2 Kommentare
Kommentare
Edward von Roy am Permanenter Link
Petition
Für die Rechte von Ahmed Harqan hat Rabab Khaja (AyyA أيا Ruby Khaja @Rubiesk) bei Change.org folgende Petition an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gestartet, als Nachfolger von Ban Ki-moon ist das seit dem 1. Januar 2017 António Guterres.
An Egyptian ex-Muslim in Hunger Strike
https://www.change.org/p/ban-ki-moon-secretary-general-of-the-united-nations-an-egyptian-ex-muslim-in-hunger-strike?recruiter=48766371&utm_campaign=petition_published_onboarding_0&utm_medium=twitter&utm_source=share_petition&fbclid=IwAR23KC_269BfFSHwB2hMdBE0jXrxY3TNODgq7_6szLWlsQWqXERCZadbciA
(Hier vorab der Petitionstext; unautorisierte Übersetzung.)
Der 36-jährige ägyptische Ex-Muslim und YouTuber Ahmad Harqan, der seine Ansichten zur Religion mit größter Höflichkeit äußert und niemanden jemals verletzt oder terrorisiert hat, musste feststellen, dass ihm seit 2016 die Ausreise aus Ägypten verboten ist. Weder liegt ein Gerichtsbeschluss gegen ihn vor noch ein Beschluss des Generalstaatsanwalts. Jedoch ließ der Nationale Sicherheitsdienst am Kairoer Flughafen und an anderen Verkaufsstellen ihn nicht passieren. Dies geschah seit 2016 dreimal.
Sein jüngster Ausreiseversuch hätte ihm dazu diesen sollen, seine Verlobte zu heiraten, die in einem anderen Land lebt. Das teilte er den diensthabenden Wachleuten auch mit, die ihm jedoch, ohne eine Erklärung der Leitung der Sicherheitsabteilung vorlegen zu können, verweigerten, das Terminal bzw. den Sicherheitsbereich zu verlassen.
Nachdem er alle seine Hoffnung auf zeitnahe Ausreise und Heirat aufgeben musste, trat er in den Hungerstreik. Zum Zeitpunkt der Erstellung unserer Petition verweigert Ahmad seit sieben Tagen jede Nahrung.
Reisen ist ein wesentlicher Bestandteil der Menschenrechte. Wie jeder Mensch hat auch Harqan das Recht zu reisen, solange kein Strafverfahren bzw. anderes Rechtsverfahren gegen ihn vorliegt. Wir nutzen diese Petition, um die internationalen Medien, die ägyptischen Botschaften sowie die Behörden in Ägypten zu erreichen.
Harqan ist verzweifelt und befindet sich in einem sehr kritischen Zustand. Wieder und wieder haben Freunde versucht, ihn dazu zu motivieren, seine lebensgefährliche Entscheidung zu überdenken, aber ohne Erfolg. Er sagt: Entweder bekomme ich mein Recht oder ich sterbe.
Die eigene Meinung frei zu äußern ist das Recht für jeden. Das Einsperren einer Person in den Bereich der Grenzen des Landes ist unmenschlich und sollte von keinem Staat ohne triftigen Grund praktiziert werden.
Ich hoffe, dass diese Petition genug Echo findet, bevor es zu spät ist.
(Der Petitionstext im englischen Original.)
A 36 year old Egyptian ex-Muslim and YouTuber by the name of Ahmad Harqan, who states his opinions about religion with utmost politeness, who never hurt anyone nor terrorized anyone found that he is banned from traveling outside of Egypt since 2016. There is no court order against him nor any order from the Attorney General. Yet the National security in Cairo airport and other outlets would not let him pass. This happened 3 time since 2016.
Last time he tried to travel was to get married with his sweetheart who is in a different country. He told the guards that, but they would not let him out of the security section in the terminal without any explanation.
When he lost all hope and left with no other option, he went on hunger strike. At the time of writing this petition Ahmad has stopped eating for 7 days.
Traveling is an essential part of human rights. Harqan has the right to travel just like any human being, as long as there is no legal issue against him. We need this petition to spread around and reach the media and the Egyptian Embassies and other authorities in Egypt.
Harqan is desperate and in very critical condition. Friends tried to make him reconsider his decision but to no avail. He says I either get my right or die.
Stating one’s opinion is his right. Locking a person within the boarders of the country is atrocity that shouldn’t be practiced by modern states.
I hope this petition gets enough echo before it’s too late.
https://www.change.org/p/ban-ki-moon-secretary-general-of-the-united-nations-an-egyptian-ex-muslim-in-hunger-strike?recruiter=48766371&utm_campaign=petition_published_onboarding_0&utm_medium=twitter&utm_source=share_petition&fbclid=IwAR23KC_269BfFSHwB2hMdBE0jXrxY3TNODgq7_6szLWlsQWqXERCZadbciA
Irmtraud Kutsch am Permanenter Link
Bin selbst mit einem Ägypter verheiratet,der sich aber in Ägypten aufhält und erst vor kurzem unter diesen Willkür der Regierung zu leiden hatte.Er musste einne bestimmze Summe zahlen oder ins Gefängnis.Ich selbst bin