Ägyptens Präsident al-Sisi in Berlin

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BERLIN. (hpd) Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi ist zu einem Staatsbesuch in Berlin eingetroffen. Bereits im Vorfeld gab es dagegen Proteste. Doch der deutschen Regierung scheinen Geschäfte wichtiger als Menschenrechte.

Am Anfang der Leipziger Straße, gleich gegenüber dem Roten Rathaus, steht seit vorgestern eine große Werbetafel, die darauf hinweist, wie sich "gutes Geld" mit Ägypten verdienen lässt. Die Tafel ist riesig, auf dass sie niemand übersieht. Nicht so gut zu sehen sind die Journalisten, die in ägyptischen Gefängnissen eingesperrt sind. "Im April verurteilte ein Gericht in Kairo drei Journalisten zu lebenslangen Haftstrafen. Mindestens sieben weitere sitzen derzeit im Gefängnis – zum Teil seit mehr als eineinhalb Jahren ohne formale Anklage oder Prozess."

Die Reporter ohne Grenzen protestieren schon einige Zeit gegen diese Menschenrechtsverletzungen. Wie es den Anschein hat: erfolglos. Auch die Demonstranten vor dem Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten Joachim Gauck, der al-Sisi mit militärischen Ehren begrüßte, stehen wie verloren vor dem weiträumig abgesperrten Gelände. Ihre Proteste gegen den Diktator, der ohne Parlament regiert, gehen unter. "Für den hohen Gast aus Kairo hat das Bundespräsidialamt den roten Teppich ausgerollt, eine Berliner Schulklasse eingeladen, den Kindern Papierfähnchen in die Hände gedrückt." Früher nannte man diese Papierfähnchen "Winkelemente"; und daran, wie Schulklassen für Staatsbesuche missbraucht werden können, hat sich der Rostocker wohl erinnert.

Der Tagesspiegel schreibt: "Bundespräsident Joachim Gauck lächelt durchgehend pastoral." Währenddessen jubeln die bestellten Claqueure des Ägypters in der ersten Reihe in bereitstehende Kameras.

Einzig Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zeigte Rückgrat und sagte ein zunächst geplantes Treffen mit Al-Sisi unter Verweis auf die Menschenrechtsverstöße in Ägypten ab. "Allein im vergangen Jahr sind in Ägypten 1.400 Menschen in Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden. In einem Fall waren es 500 Angeklagte, die für den Tod eines einzelnen Polizisten verantwortlich gemacht worden waren" erinnert die TAZ. "So droht auch Al-Sisis Amtsvorgänger Mohammed Mursi die Hinrichtung - der Islamist hatte im Januar 2013 noch als Staatsgast neben Merkel im Kanzleramt gestanden." (rbb-online)

Bereits am Dienstag Nachmittag versuchten zwei Deutsch-Ägypter, den Bus, der die Delegation vom Flughafen in die Stadt bringen sollte, zu stoppen. "Daraufhin stiegen Delegationsmitglieder aus dem Bus, beleidigten die Männer und griffen sie tätlich an" berichtet die Berliner Morgenpost.

All die Schönwetter-Reden des immer wieder die Freiheit beschwörenden Bundespräsidenten und der zu allem schweigenden Kanzlerin über Menschenrechte gelten als ungesagt, wenn es darum geht, einem deutschen Großunternehmen zu einem Deal zu verhelfen. "Kairo will von Siemens für zwischen vier bis zu zehn Milliarden Euro ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk bauen lassen, Windkraftanlagen sowie eine Fabrik für Rotorblätter." Es bleibt abzuwarten, wann Regierungssprecher Seibert die protestierenden Menschenrechtler darauf hinweist, dass es doch um "deutsche Arbeitsplätze" gehe. Hierfür - so die Erfahrung - ist jedes Mittel recht und man macht Geschäfte mit jedem, der dafür zu zahlen bereit ist.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner ist stellvertretende Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe im deutschen Bundestag und kritisierte ebenfalls den Staatsbesuch: "Die Menschenrechtslage in Ägypten habe sich wesentlich verschlechtert", sagte Brantner, deshalb wäre "es falsch zu sagen: 'Das ist uns alles egal, wir machen da gute Geschäfte'."

Nicht nach Deutschland reisen durfte übrigens Mohammed Lotfy, den die Grünen eingeladen hatten. "Lotfy ist der Direktor der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten. Er sollte unter anderem an einem Fachgespräch der Grünen zum Thema Menschenrechte teilnehmen. "'Die Sicherheit hat mich am Flughafen Kairo an der Ausreise gehindert, ich warte darauf, dass man mir meinen ägyptischen Pass zurückgibt", schrieb Lotfy bei Twitter."
Auch den beiden für die Atheist Convention eingeplanten Referenten wurde die Reise nach Köln verweigert. Die beiden wollten über "Atheismus in Ägypten" berichten.