Rezension

Allen zu Diensten – Geschichte eines Geheimagenten

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Die Geheimdienst-Welt ist anders als der Polit-Thriller suggeriert.

Der Historiker Bodo von Hechelhammer beschreibt in "Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten" das Leben des Genannten, der sowohl für den BND wie für den KGB arbeitete. Der Autor arbeitet in der Biographie auf Grundlage von intensivem Quellenstudium einen früheren Skandal auf, wobei tiefe Einblicke in den Lebensweg eines Opportunisten deutlich werden.

Die Geheimdienst-Welt ist anders als der Polit-Thriller suggeriert. Und anstatt eines James Bonds gibt es dann mitunter eher einen Heinz Felfe. Doch wer ist "Heinz Felfe"? Es handelte sich um einen Doppelagenten, der sowohl für den BND wie für den KGB arbeitete. Damit hatte die frühe Bundesrepublik ihren ersten Spionageskandal. Betrachtet man die Biographie Felfes genauer, dann hat man in diesem großen Skandal noch viele kleine Skandale. Denn Felfe arbeitete noch für fünf andere Geheimdienste. Darüber hinaus war er während der NS-Diktatur bis zum SS-Obersturmführer aufgestiegen. Was wie eine Geheimdienstsatire oder ein Politdrama klingen mag, entsprach indessen der historischen Realität. Dies macht eine Biographie über Felfe deutlich, die dessen Lebensweg minuziös aus den Quellen nacherzählt. Geschrieben hat sie der Historiker Bodo V. Hechelhammer, er leitet als Chefhistoriker das Historische Büro des Bundesnachrichtendienstes.

Beispielbild

Der Autor geht in klassischer Form historisch-chronologisch vor. Das Besondere wird bereits im Vorwort zusammengefasst: "Wie kein Zweiter bewegte sich Felfe in der Welt des Geheimen und der Geheimnisse. Für nicht weniger als sieben Nachrichten- bzw. Geheimdienste war er auf deutschem Boden tätig. Mit Schnelligkeit passte er sich wie ein Chamäleon den Zeitläufen an und erfüllte die Erwartungen seiner jeweiligen Umgebung. Er war überzeugter Nationalsozialist im Dritten Reich, Antikommunist in der Bundesrepublik Deutschland und 'Kundschafter des Friedens' in der Deutschen Demokratischen Republik – ohne sein Loyalitätsempfinden als Widerspruch zu begreifen" (S. 8). Die meisten Biographien sind historischen Licht- oder Schreckensgestalten gewidmet. Hier hat man es mit der Lebensbeschreibung eines Opportunisten zu tun. Er wechselte Dienste und Loyalitäten nach eigenem Vorteil. Damit entsteht ein besonderes Bild menschlicher Wandlungsfähigkeit.

Der Autor geht nur kurz auf Kindheit und Jugend ein, wo es offenbar wenig Anhaltspunkte für Felfes späteren Weg gab. Der 1918 Geborene trat 1936 in die SS ein und machte auch dadurch bedingt Karriere, wobei das "Reichssicherheitshauptamt" und der "Sicherheitsdienst" zu seinen Stationen gehörten. Nach dem Ende des Krieges kam er in britische Gefangenschaft und diente sich dem britischen Geheimdienst MI5 an. Dort erweckte Felfe aber auch schnell Misstrauen. Daher wandte er sich dem KGB zu, arbeitete Felfe doch seit 1950 für diesen. Ein Jahr später wurde er für die "Organisation Gehlen", den späteren "Bundesnachrichtendienst" angeworben. Dort brachte Felfe es zum Referatsleiter mit der Sowjetunion-Zuständigkeit, wodurch er zu vielen Geheimakten zum Thema direkten Zugang hatte. 1961 konnte Felfe enttarnt werden. 1963 erhielt er eine vierzehnjährige Haftstrafe, wurde aber dann in die DDR "ausgetauscht". 2008 starb Felfe mit 90 Jahren.

1986 hatte er seine Memoiren im SED-Staat unter dem Titel "Im Dienste des Gegners" veröffentlicht, wobei viele Details seines Lebens und Wirkens verdreht und verfälscht wurden. Dies macht Hechelhammer durch seine akribische Quellenarbeit deutlich. Darin besteht auch das Besondere dieser Lebensbeschreibung, wobei sich der Autor gelegentlich auch BND-kritisch äußert. Denn es gab schon sehr früh Anstöße im Dienst, die auf Felfes mitunter auffälliges Wirken aufmerksam machten. Indessen scheint er immer von dem Präsidenten persönliche Rückendeckung bekommen zu haben, womit der entschiedene "Antikommunist" Reinhold Gehlen ausgerechnet einen KGB-Agenten schützte. Demnach hatte die ganze Affäre die unterschiedlichsten Facetten. Hechelhammer bleibt bei alldem Historiker und verweigert sich hinsichtlich Felfes Motiven der Spekulationen. Das kann man bedauern oder gut finden. Es handelt sich auch so um eine beklemmende Biographie.