Rezension

Der "Fall Rosenberg" aus der Sicht der Diskriminierungsforschung

Die Soziologen Sina Arnold und Olaf Kistenmacher behandeln in ihrem Buch "Der Fall Ethel und Julius Rosenberg. Antikommunismus, Antisemitismus und Sexismus in den USA zu Beginn des Kalten Krieges" den angesprochenen Fall von "Atomspionage" aus der Sicht der Diskriminierungsforschung. Im Band brauchen die Autoren die Hälfte des Textes, bevor sie zur eigentlichen Fragestellung kommen, wobei dann aber die Kombination verschiedener Diskriminierungsideologien gut vermittelt wird.

Anfang der 1950er Jahre löste der Fall von Ethel und Julius Rosenberg weltweites Interesse aus: Beide entstammten jüdischen Familien, beide hatten sich in kommunistischen Organisationen betätigt und beiden warf man Atomspionage zugunsten der Sowjetunion vor. Der 1951 erfolgte Prozess endete mit der Todesstrafe, die 1953 vollstreckt wurde. Bereits seit Beginn gab es an der Schuld der Rosenbergs einige Zweifel. Das Gerichtsverfahren verlief offenkundig unfair. Und die "Kommunisten-Hysterie" der McCarthy-Ära schien mit von großer Relevanz für das Urteil zu sein. Es kam gar zu einer breiten Protestbewegung, welcher sich nicht nur viele Linksintellektuelle, sondern auch der damalige Papst anschlossen.

Nachdem die Archive der früheren Sowjetunion teil- und zeitweise geöffnet wurden, stellten sich indessen die Ereignisse etwas anders dar: Julius Rosenberg hatte offenbar tatsächlich Militärgeheimnisse an die Sowjetunion verraten, allerdings waren diese nicht so bedeutsam, wie angenommen. Ethel Rosenberg schien sich aber nicht aktiv derart betätigt zu haben.

Ihrem Fall haben die Soziologen Sina Arnold und Olaf Kistenmacher, die beide im Bereich der Antisemitismusforschung promoviert haben, ein Buch von nicht einmal hundert Seiten gewidmet. Dessen Anliegen wird im Untertitel ausformuliert, heißt es doch: "Der Fall Ethel und Julius Rosenberg. Antikommunismus, Antisemitismus und Sexismus in den USA zu Beginn des Kalten Krieges". Die genauen Absichten der Autoren versteht man ansonsten erst in der Mitte des Textes. Denn zunächst geht es um die Auseinandersetzung mit dem Fall bis in die Gegenwart hinein und anhand einer Fallstudie um die literarische Verarbeitung der Vorfälle. Erst danach erfolgt eine Rekonstruktion der Ereignisse. Dabei hat man es nach heutigen Kenntnisstand mit einem komplizierten Verfahren zu tun. Dies gilt sowohl für die Beweise für eine Schuld wie für die Höhe der Strafe. Denn: "Es ist bis heute das einzige Urteil, bei dem in den USA in Friedenszeiten Menschen wegen Spionage hingerichtet wurden" (S. 31). Es fehlten klare Beweise, es gab nur problematische Zeugenaussagen.

Erst nach der Aufarbeitung dieser Details formulieren die Autoren ihr Erkenntnisinteresse. Dazu stellen sie zunächst fest: "Als ehemalige Mitglieder der CPUSA bzw. als Linke, die dem Parteikommunismus sehr nahestanden, und als Jüdin und Jude aus New York schienen sie der Vorstellung eines 'unamerikanischen' Ehepaars zu entsprechen. Besonders im Hinblick auf Ethel Rosenberg, aber auch in der medialen Darstellung Julius Rosenbergs lässt sich nachzeichnen, dass die Feindschaft zu dem mit gender-politischen Maßstäben begründet wurde" (S. 41). Es geht demnach um die Frage, inwieweit Antikommunismus, Antisemitismus und Sexismus eine Rolle bei dem Urteil spielen. Die erwähnten Diskriminierungsideologen werden dabei in ihrer Interdependenz gesehen. Für den Antikommunismus müssen die Autoren keine großen Nachweise anführen. Der Antisemitismus spielte eher latent ein Rolle. Und Ethel Rosenberg wurde ebenso unterschwellig als Gegensatz zum vorherrschenden Frauenbild portraitiert.

Die Autoren machen an diesem Fallbeispiel erneut deutlich, dass Diskriminierungsideologien nicht immer für sich allein stehen, sondern häufig in Kombination mit anderen Diskriminierungsideologien vorkommen. Entscheidend war hier der Antikommunismus. Der Antisemitismus hatte nicht die gleiche Bedeutung, war aber sehr wohl relevant. Dagegen muss nicht sprechen, dass beim Prozess aktive Richter und Staatsanwälte ebenfalls häufig aus jüdischen Familien stammten. Sie sahen sich wohlmöglich durch die gesellschaftliche Stimmung motiviert, hier gerade kein eher leichtes Urteil zu fällen. Es gibt exkursartig auch einen kurzen Rückblick auf den Slánský-Prozess in der damaligen Tschechoslowakei. Ob die Autoren hier eine Gleichsetzung vornehmen wollen, ist nicht richtig klar – dies wäre sicherlich mehr als nur eine schiefe Sicht. In der Gesamtschau hätte auch noch etwas mehr berücksichtigt werden können, dass zumindest Julius Rosenberg kein Unschuldiger war. Ansonsten hat man es mit einer auch methodisch interessanten Erinnerung zu tun.

Sina Arnold/Olaf Kistenmacher, Der Fall Ethel und Julius Rosenberg. Antikommunismus, Antisemitismus und Sexismus in den USA zu Beginn des Kalten Krieges, Münster 2016 (Edition Assemblage), 94 S.,SBN 978-3-96042-009-5, 12,80 Euro