Missbrauch in der katholischen Kirche

"Andere Organisationen würden aufgelöst werden"

hiding-1209131_1920.jpg

Auf die jüngste Veröffentlichung der Untersuchung zum Missbrauch in der deutschen Katholischen Kirche gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Reaktionen: Vor allem Kritik gegenüber der Kirche, von katholischer Seite aber auch Kritik gegenüber der Studie.  

"Die Kirchen, besonders die Katholische Kirche, haben den systematischen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch ihre Geistlichen über sehr lange Zeit vertuscht und geleugnet und waren in erster Linie darauf bedacht, ihre Funktionsträger vor juristischen Konsequenzen zu bewahren", erklärten Tobias von Pein, jugendpolitischer Sprecher sowie Martin Habersaat, kirchenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein. "Jede andere Organisation mit Abhängigkeits- und Machtstrukturen, die ermöglichen, dass tausende von Männern sich jahrzehntelang an abertausenden Kindern und Jugendlichen vergehen konnten, würde aus gutem Grund vom Staat aufgelöst werden", heißt es weiter in der Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein, in der nun endlich vollständige Aufklärung gefordert wird: "Die Aufklärung kann nicht mehr durch eigene Gutachter oder ohne staatlichen Zugriff auf Archive und Zeugen erfolgen."

Der Kriminologe Christian Pfeiffer, der 2012 ursprünglich mit der Untersuchung der Missbrauchsfälle beauftragt worden war, jedoch im Streit mit der Kirche aus dem Projekt ausstieg, erklärte in der Passauer Neuen Presse: "Die ganze verbale Erschütterungsrhetorik, die wir heute zu hören bekommen, überzeugt mich nicht, solange die Kirche nicht konsequent ist und die Dinge wirklich offenlegt." Nach Pfeifers Meinung will die Kirche keine Transparenz.

Der Opferverband Eckiger Tisch bemängelt unter anderem, dass in der Studie keine verantwortlichen Bischöfe genannt werden, die das System aus sexuellen Übergriffen jahrzehntelang gedeckt und perfektioniert hätten. "Das kommt dabei raus, wenn man das Trockenlegen eines Sumpfs den Fröschen überlässt", sagte Matthias Katsch, Sprecher des Opferverbands Eckiger Tisch.

Auch Raoul Löbbert, immerhin Träger des Katholischen Medienpreises, kommentiert bei Zeit Online, dass die katholischen Bischöfe mit routinierter Reue und Scham auf die Studie reagierten, wahre Aufklärung jedoch verweigerten.

Der kirchennahe Theologe, Psychiater und Bestseller-Autor Manfred Lütz hingegen schlägt einen anderen Weg ein. Er hält die Studie für "mangelhaft und kontraproduktiv". "Wer die ganze Studie dann liest, ist befremdet vom unwissenschaftlichen Stil weiter Passagen, von feuilletonistischen und anekdotischen Bemerkungen und vom fast vollständigen Mangel an wissenschaftlich-kritischer Diskussion der Ergebnisse", teilt er in der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost mit. Lütz wirft der Studie ihre "schwache Datenbasis" vor.

Ein erstaunlicher Vorwurf, da die schwache Datenbasis nicht zuletzt auf die Weigerung der Kirche zurückzuführen ist, den Wissenschaftlern direkte Einsicht in ihre Akten zu gewähren.