BERLIN. (hpd) Das mit großer Spannung erwartete Urteil des Berliner Arbeitsgerichts zum "muslimischen Kopftuch" von Lehrerinnen ist heute gefällt worden: abgelehnt wurde die Entschädigungsklage einer Frau, deren Bewerbung als Grundschullehrerin daran gescheitert war, dass sie aus religiösen Gründen auch im Schulunterricht Kopftuch tragen wollte. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schulbehörde auf Grundlage des "Berliner Neutralitätsgesetzes" korrekt gehandelt habe, als es die Bewerbung ablehnte.
Nach dem Berliner Neutralitätsgesetz dürfen Lehrkräfte im Schuldienst "keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen".
In den vergangenen Monaten war von islamistischer und konservativ-orthodoxer islamischer Seite und deren politischen Unterstützern wiederholt die Frage der Verfassungswidrigkeit des Berliner Neutralitätsgesetzes aufgeworfen worden. Dieses Gesetz orientiert auf eine strikte Neutralität u.a. für Beamte, in der Justiz und im Schuldienst, macht dabei keine Unterschiede nach Religionen – im Gegensatz etwa zu Regelungen in NRW, die die christliche Religion bevorzugen. Das Arbeitsgericht Berlin hat auf diesen Aspekt genereller Neutralität hingewiesen, aber auch darauf, dass für die Klägerin eine Beschäftigung (mit Kopftuch) an einer berufsbildenden Schule möglich sei.
Anfang letzten Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht in einem vielfach kritisierten Beschluss dafür votiert, dass Lehrerinnen an bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschulen im Allgemeinen auch ein "muslimisches Kopftuch" tragen dürften. Nur bei konkreten Störungen des Schulfriedens dürfte ein Kopftuchverbot ausgesprochen werden. Damit wich das Gericht mit seinem "2. Kopftuchurteil" von den Festlegungen im "1. Kopftuchurteil" aus dem vorhergehenden Jahrzehnt gravierend ab. Das frühere Urteil verlangte für "Kopftuchverbote" lediglich Entscheidungen des Landesgesetzgebers und hielt rein behördliche Anordnungen nicht für rechtlich ausreichend. Diese gesetzlichen Regelungen konnten legitimer Weise auch darin bestehen, auffallende religiöse Kleidung generell im Schulbereich generell nicht zuzulassen.
Das heutige Berliner Urteil, gegen das die Berufung zum Landesarbeitsgericht zulässig ist, wird die Debatte um das "muslimische Kopftuch" erneut befeuern. Religiöse und weltanschauliche Neutralität an Schulen ist ein Ausfluss des Grundsatzes der Trennung von Staat und Kirche – und dient dem innergesellschaftlichen Frieden. Die Schule, das haben säkulare Kommentatoren immer wieder deutlich gemacht, darf sich nicht zum Erfüllungsgehilfen konservativer religiöser Strömungen degradieren lassen.
Was vor Jahrzehnten für für die Ablehnung Bhagwan-üblicher Kleidung von LehrerInnen galt, gilt auch für "muslimische Kleidung": Stets müssen die Kinder und deren Schutz vor religiöser Beeinflussung durch Lehrkräfte im Vordergrund stehen. Nicht die vermeintlichen oder tatsächlichen religiösen Belange des Lehrpersonals. Wem das nicht passt, der/die muss ja nicht LehrerIn werden. Es gibt durchaus auch viele andere interessante, anspruchsvolle und ehrenwerte Berufe!
Diejenigen, die Islam so definieren, dass eine religiöse Bedeckung der Frau verlangt wird, werden schäumen ob dieses Urteils und – ihrem Ritualverhalten folgend – ihre Opferrolle beschwören. Ihre multikulturalistischen ZuträgerInnen werden dies ebenfalls tun. Dagegen ist gelassene Aufklärung angesagt. Allerdings sind – neben der Erörterung von Verfassungsprinzipien – auch die Rechte von Kindern in den Blick zu nehmen. Das kommt regelmäßig zu kurz. Wer gewährt Kindern Schutz vor religiöser/weltanschaulicher Indoktrination in der Schule, wenn dort die familiäre Indoktrination fortgesetzt werden soll?
Die bislang einzige bekannte Gruppe, die diese Problematik in den Blick genommen hat, ist das im letzten Jahr gegründete Muslimische Forum Deutschland. In dessen Berliner Thesen wird verlangt, dass Kinder kein Kopftuch tragen sollen. Punkt. Keine Schnörkel und Verharmlosungen. Diese muslimische Forderung richtet sich auf das wesentliche: die (religiös-sektiererische) Zurichtung des Geistes eines Kindes und was dagegen zu tun ist. Aber darüber wird hierzulande kaum gesprochen, schon gar nicht in der Politik.
Nachtrag: Bei einem Artikel über "religiöse Bekleidung" darf am 14. April 2016 eine zweite Nachricht nicht fehlen: Saudi-Arabien hat die Befugnisse der "Religionspolizei" eingeschränkt. Diese ist u.a. für die Überwachung der strengen religiösen Bekleidungsvorschriften zuständig (darunter der nahezu vollständigen Vermummung der Frauen).
Ab sofort darf diese sog. Polizei nicht mehr selbst Festnahmen und Verhöre durchführen, sondern muss die vermeintlichen Vergehen an die normale Polizei weiter melden. Ein kleiner Fortschritt, gewiss. Aber immerhin werden die Fanatiker an die Leine genommen. Auslöser der neuen Regelung war wohl, dass ein Video im Netz kursierte, auf dem "Religionspolizisten" zu sehen waren, die eine Frau schlugen, die sich nicht verschleiern wollte.
Die Religionsvorstellung der Wahhabiten zur Verhüllung der Frau ist dieselbe wie derjenigen, die in Deutschland (mit muslimischem Kopftuch) Lehrerin werden wollen und die das Kopftuchtragen für eine religiöse Pflicht halten. Heißt es nicht, man solle schon den Anfängen wehren …?
23 Kommentare
Kommentare
Marvin am Permanenter Link
Ich hatte wirklich sorge was bei diesem Urteil herauskommen würde, hatte schon befürchtet die Richter würden irgendeinen Weg finden die Islamisierung weitervoranzutreiben.
Die Frage bleibt was nun kommt, die muslimischen Verbände werden damit sicher nicht zufrieden sein und der SPD, CDU, Grünen und leider auch der Linken traue ich absolut zu diesen "Makel" ausmerzen zu wollen. Dass Kinder keine Rechte haben, spätestens wenn eine anerkannte Religion ins Spiel kommt, ist ja seit dem Verstümmelungsgesetz bekannt.
Und dass wehren der Anfänge ist ja eh schon längst gelaufen. Hätte man dies getan würde es keine so mächtigen Islam-Verbände geben und keine Islamkonferenz die nur noch dazu dient die Opferrolle weiter auszubauen. Und Debatten übers Kopftuch und Teilnahme am Sport-/Schwimm-/Biounterricht hätte es gar nicht gegeben. Auch der Gewaltdynamik an den Berliner Schulen hätte man sonst schon längst Einheit geboten. Einfach ein Basta, fertig, aber das Schaffen unsere Politiker nicht.
Ein wirklich gut geschriebener Artikel im Übrigen, vielen Dank!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich schließe mich diesem Artikel vollumfänglich an.
Menschen kommen nicht nur als Kinder auf die Welt, sondern vor allem religionslos. Religiosität ist also ähnlich unnatürlich (= antrainiert), wie die später erlernte Muttersprache, Fremdsprachen oder wie die Benutzung von Smartphones.
Doch Religionen gehen davon aus, der Mensch käme bereits religiös auf die Welt, weshalb man problemlos bereits Säuglinge in die Gemeinden durch Initiationsriten einführen dürfe. Der Gesetzgeber sollte jedoch im Kontakt mit Bürgern nicht deren individuelle Weltanschauung sehen, sondern muss das Allgemeinwohl im Auge haben.
Hier konkret das Wohl der Kinder. Daher müssen wir schleunigst Korrekturen in der Rechtsprechung/Gesetzgebung in die Wege leiten, nach der die Genitalverstümmelung nicht mehr (wie bisher) dem Kindeswohl dient, aber sehr wohl die Verschonung vor hochgradig individuellen Weltbildern - wenn diese Weltbilder nicht mit einer modernen Rechtsstaatlichkeit konform gehen.
Religiöse Weltbilder haben als gemeinsames Merkmal, dass sie sich extrem schwertun mit praktisch allen Errungenschaften einer modernen pluralistischen und toleranten Gesellschaft. Im Fall des Kopftuches: Männer müssen innerhalb der Religionsgemeinschaften verpflichtet werden, Frauen auch dann zu respektieren, wenn diese sich nicht in Stoff verhüllen. Genau aus diesem Grund müssen Kinder mindestens bis zu ihrem 14. Lebensjahr davor geschützt werden.
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts sollte dann der Strauß an unterschiedlichsten Weltbildern im kulturell-religiösen Umfeld besprochen werden. So kann sich ein heranwachsender Schüler ein eigenes Urteil bilden, ob ihm das eine oder andere zusagt, oder ob er bei seinem angeborenen Naturalismus bleibt.
Bis zu dieser freiwilligen Entscheidung müssen sich alle Staatsorgane - also auch Lehrer - vollständig neutral verhalten, d.h. ohne Propagierung einer konkreten Ideologie, egal ob politisch oder religiös.
Matthias Will am Permanenter Link
Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für die Selbstbestimmung von Individuen. Wie man sich kleidet ist eine privatrechtliche Angelegenheit und Einfluss von außen zu nehmen ein Eingriff in die Privatsphäre!
franz derendinger am Permanenter Link
Die Zahl der Nudisten unter den Lehrern nimmt auch zu.
StefanT. am Permanenter Link
Lass mich raten...du bist selbst ein islamist,oder ?
""Wie man sich kleidet ist eine privatrechtliche Angelegenheit und Einfluss von außen zu nehmen ein Eingriff in die Privatsphäre!""
Die Kleidung einer Lehrkraft während der Unterrichtszeit IST KEINE PRIVATSACHE !!
Matthias Will am Permanenter Link
Lass mich raten...du bist selbst ein islamist,oder ?
Nein. Aber sie scheinen sich ja mit dem Islam recht gut auszukennen, wenn sie schon mutmaßen, dass ich ein Islamist wäre. Dann würden sie vielleicht auch noch schlussfolgern, dass die muslimische Klägerin vor Gericht wahrscheinlich von ihrer Familie gezwungen wird ein Kopftuch zu tragen und einen Rechtsstreit auszutragen!
Während dem Unterricht in der Schule ist es KEINE Privatrechtliche Angelegenheit ! Lehrer haben sich neutral zu kleiden, sowohl Politisch als auch Religiös.
Definieren sie bitte "neutral". Ich erinnere mich noch gut an meine modebewusste Deutschlehrerin, die bewusst manchmal ein Kopftuch trug. Wenn man da nicht differenzieren kann, was jetzt Mode oder religiös motiviert ist, dann gerät man leider viel zu leicht in die Fahrwasser der Diskriminierung. Mit welcher Begründung will man es dem einen erlauben oder dem anderen verbieten? Es ist ei Eingriff in die Privatsphäre!
Was währe wenn jemand einfach mal ein Lehrer mit einem T-shirt in die Schule kommt auf dem ein Hakenkreuz ist ? hey, es ist doch seine Private Angelegenheit wie er sich kleidet, es ihm zu verbieten währe ein Eingriff in seine Privatsphäre...
Ein Hakenkreuz T-Shirt lässt sich wohl kaum mit einem Kopftuch vergleichen, darüber sollten wir uns einig sein. Ich sehe nichts verwerfliches am Tragen eines Kopftuches - lediglich die stereotypen Meinungsmacher des islamkritischen Mainstreams werten es zu einem Symbol der Unterdrückung der Frauen in der muslimischen Welt auf. Wer dabei unter die Räder gerät, ist die Muslimin, die ganz selbstbestimmt am öffentlichen Leben teilhaben möchte und durch die herrschende Konfliksituation ausgegrenzt wird!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für die Selbstbestimmung von Individuen."
Der Zweck eines Kopftuches ist ein Schlag ins Gesicht für die Selbstbestimmung von Frauen. Oder ist Ihnen das nicht bekannt? Oder sind Sie wirklich der Meinung, ausgerechnet muslimische Frauen seien genetisch anders, als die übrigen Frauen der Welt, die sich gerne hübsch herrichten, sich frei und ungezwungen fühlen wollen, ab und zu einen lauen Frühlingswind durchs Haar streifen lassen wollen, von Männerblicken begehrt zu werden?
Ist ihnen bewusst, dass Sie mit dieser Annahme (so Sie sie haben) verdammt dicht an Thilo Sarrazins genetischer Argumentation wären? Oder was ist Ihre Erklärung dafür, dass es ausgerechnet muslimische Frauen vorziehen, mehr oder weniger verpackt durch die Welt der Männer zu schleichen?
Könnte es nicht viel eher sein, dass bereits muslimischen Mädchen vorgelebt wird, dass eine "anständige" Frau nicht wie diese westlichen Flittchen rumläuft? Dass dies die Mutter vormacht, die älteren Schwestern, dass der Vater oder die Brüder darauf drängen, dass sie sich "anständig" zu verhalten habe, um die Ehre der Familie nicht zu besudeln?
Könnte es sein, dass Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen mit Kopftuch dieses Bild verfestigen, bis das Mädchen selbst glaubt, dass es sich nur in einem Stoffkäfig frei fühlen kann? Geschützt davor, von Männern angegrapscht zu werden?
Und finden Sie diese Gehirnwäsche wirklich so selbstbestimmt? Ich habe gewiss nichts gegen selbstbestimmte Kleiderwahl, wobei ein Pastafari als Lehrer in der Schule im Piratenornat sicher schief angesehen würde. Aber geschenkt.
Wenn ich zu Bekannten gehe und diese bitten mich in der Wohnung die Schuhe auszuziehen, weil sie wertvolle Teppiche haben, dann würde ich dieser Bitte ohne zu zögern nachkommen. Doch wenn eine Muslima meine Wohnung betreten würde und ich würde sie bitten, ihr Kopftuch abzulegen, weil sich in meiner Wohnung alle Männer beherrschen können, dann wird sie dieser Bitte kaum folgeleisten.
Sie sollten sich einmal genauer mit den islamischen Familienstrukturen beschäftigen, die weiter verbreitet sind, als sie vermuten. Dann würden Sie feststellen, dass Mädchen in diesen patriarchalen Strukturen sehr wenige Freiheiten haben und sich praktisch nie mit Männern ihrer Wahl treffen dürfen. Manche Mädchen brechen aus, nicht immer zum Vorteil ihrer Gesundheit, andere beugen sich dem Druck und fügen sich ihrer Familie.
Nennen Sie mir bitte nicht die Beispiele säkularer Familien, die höchstens noch den gleichen kulturellen Hintergrund haben, die ein modernes, wirklich freies und selbstbestimmtes Leben führen. Die werden in der Regel kein Kopftuch tragen.
Es geht um die, die es aus Gründen der sozialen Anerkennung tragen müssen - oder auch, um westlichen Frauen zu signalisieren, dass sie reine Frauen sind. Oder die Kindergartenmädchen oder Schülerinnen als Vorbild dienen wollen, damit sie die Tradition der Verhüllung fortsetzen.
"Wie man sich kleidet ist eine privatrechtliche Angelegenheit und Einfluss von außen zu nehmen ein Eingriff in die Privatsphäre!"
Nein! Im vorliegenden Fall geht es nicht um Privatsphäre. Im Privaten darf ich nackt aus der Dusche oder dem Bett steigen. Als Lehrer in der Schule dürfte ich das nicht. Ich darf auch nicht als Pirat auftreten oder mit Nudelsieb auf dem Kopf.
In der Schule habe ich mich neutral zu verhalten. Für Religionen sind Privaträume oder geeignete Vereinsgebäude da. Dies reicht völlig aus, um ungehindert jedem Spleen nachzugehen - solange dort kein Hass gepredigt wird.
"Ein schwarzer Tag für die freie Entfaltung des Menschen!"
Dieser Satz ist der Hammer des Tages! Wenn sich Frauen am Kopf frei entfalten dürfen (oder müssen, je nach Sichtweise), dann ist dies ein schwarzer Tag für die freie Entfaltung?
Nein, es ist ein Tag, der Hoffnung gibt. Nicht mir, denn ich trage kein Kopftuch, sondern all den Musliminnen, die sich unter dem Kopftuch unwohl fühlen und unfrei, die es begrüßen würden, wenn sie einen Dienstherren hätten, der es ihnen erlaubt, das Kopftuch abzulegen, ohne dass die Frau vor ihrer Familie das Gesicht verliert. Schließlich muss sie es ja ablegen...
Matthias Will am Permanenter Link
"Der Zweck eines Kopftuches ist ein Schlag ins Gesicht für die Selbstbestimmung von Frauen. Oder ist Ihnen das nicht bekannt?
Diese Frage sollten sie nicht mir stellen, sondern der Lehrerin, welche geklagt hat. Wollen sie etwa der Dame unterstellen, dass sie nicht aus ihrer eigenen Überzeugung handelt? Glauben sie etwa im Ernst, dass diese Frau nicht weiß, was sie will? Was veranlasst sie zu der Annahme, ich wäre der Meinung muslimische Frauen seien genetisch anders veranlagt als andere Frauen der Welt? Das ist wirklich unterste Schublade, zumal äußerst widersinnig, weil es auch Konvertitinnen gibt. Ich möchte deshalb auch auf den Sarrazinschmarrn gar nicht eingehen.
"Könnte es nicht viel eher sein, dass bereits muslimischen Mädchen vorgelebt wird, dass eine "anständige" Frau nicht wie diese westlichen Flittchen rumläuft? Dass dies die Mutter vormacht, die älteren Schwestern, dass der Vater oder die Brüder darauf drängen, dass sie sich "anständig" zu verhalten habe, um die Ehre der Familie nicht zu besudeln?
Könnte es sein, dass Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen mit Kopftuch dieses Bild verfestigen, bis das Mädchen selbst glaubt, dass es sich nur in einem Stoffkäfig frei fühlen kann? Geschützt davor, von Männern angegrapscht zu werden?
Und finden Sie diese Gehirnwäsche wirklich so selbstbestimmt? Ich habe gewiss nichts gegen selbstbestimmte Kleiderwahl, wobei ein Pastafari als Lehrer in der Schule im Piratenornat sicher schief angesehen würde. Aber geschenkt."
Sie reduzieren die Kopftuchdebatte auf den Schutzeffekt vor geilen Männerblicken und ziehen daraus die Konsequenz, dass sich die muslimischen Frauen in der westlichen Welt für die anständigeren halten, welche sich in einer sündigen Welt bewegen und als Vorbildfunktion fungieren sollen. Diese stereotype Argumentationsweise kennt man zur Genüge von Pegida Demos. Es hat nichts mit den Beweggründen zu tun, welche die Lehrerin bewog vor Gericht zu gehen.
"Wenn ich zu Bekannten gehe und diese bitten mich in der Wohnung die Schuhe auszuziehen, weil sie wertvolle Teppiche haben, dann würde ich dieser Bitte ohne zu zögern nachkommen. Doch wenn eine Muslima meine Wohnung betreten würde und ich würde sie bitten, ihr Kopftuch abzulegen, weil sich in meiner Wohnung alle Männer beherrschen können, dann wird sie dieser Bitte kaum folgeleisten."
Allein diese Aussage spricht Bände: bei ihnen stehen wertvolle Teppiche offensichtlich höher im Ansehen, als der Respekt vor menschlichen Gefühlen! Dabei spielt es keine Rolle, ob sie der Frau versichern, dass sich in ihrer Wohnung die Männer beherrschen können, weil sie einfach nicht begreifen (wollen), dass diese Frau vielleicht noch andere Gründe - außer geilen Männern - haben könnte, warum sie das Kopftuch trägt. Und bitte unterstellen sie nicht irgendwelche anderen Gründe, solange sie nicht wirklich eine Muslima zu Gast haben, die sie dazu auch befragen könnten.
"Sie sollten sich einmal genauer mit den islamischen Familienstrukturen beschäftigen, die weiter verbreitet sind, als sie vermuten. Dann würden Sie feststellen, dass Mädchen in diesen patriarchalen Strukturen sehr wenige Freiheiten haben und sich praktisch nie mit Männern ihrer Wahl treffen dürfen. Manche Mädchen brechen aus, nicht immer zum Vorteil ihrer Gesundheit, andere beugen sich dem Druck und fügen sich ihrer Familie.
Nennen Sie mir bitte nicht die Beispiele säkularer Familien, die höchstens noch den gleichen kulturellen Hintergrund haben, die ein modernes, wirklich freies und selbstbestimmtes Leben führen. Die werden in der Regel kein Kopftuch tragen."
Gleich vorneweg: ich kenne eine Reihe von religiösen und säkulären Familien in meinem Bekanntenkreis. Nicht zuletzt deswegen ist mir die Thematik vertraut. Sie haben jedoch das Problem, dass sie das Kopftuch schlechthin als Symbol für Unterdrückung sehen - es steht aber auch als Zeichen für die Selbstbestimmung. Es gibt mittlerweile einen Trend, in dem auch nichtreligiöse muslimische Frauen mit dem Kopftuch ein Zeichen setzen wollen. Ein Aktionskünstler in den 90er Jahren (der Name ist mir leider entfallen) hat einmal gesagt: "Womit kann man heutzutage noch provozieren? Es ist doch schon alles erlaubt!" Wenn ich mir diese heftigen Reaktionen zum Thema Kopftuch ansehe, dann fällt die Antwort hier leicht.
"Nein! Im vorliegenden Fall geht es nicht um Privatsphäre. Im Privaten darf ich nackt aus der Dusche oder dem Bett steigen. Als Lehrer in der Schule dürfte ich das nicht. Ich darf auch nicht als Pirat auftreten oder mit Nudelsieb auf dem Kopf.
In der Schule habe ich mich neutral zu verhalten. Für Religionen sind Privaträume oder geeignete Vereinsgebäude da. Dies reicht völlig aus, um ungehindert jedem Spleen nachzugehen - solange dort kein Hass gepredigt wird."
Richtig! Das Kopftuch hat aber nichts mit dem Verhalten zu tun! Wenn sie jetzt argumentieren, dass es als religiöses Symbol anzusehen ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis - wie in Frankreich vor einigen Jahren geschehen - die ersten Muslime gegen einen Weihnachtsbaum in der Schule klagen und dann auch Recht bekommen, weil sie sich auf das Neutralitätsprinzip der Schule berufen. Das sollte man auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Jede Art von religiösem Symbol wird dann auf die Waagschale gelegt und am Ende opfern wir für unsere Intoleranz auch unsere ureigensten, uns lieb gewordenen Traditionen!
Ist es das, was wir wollen? Ich habe kein Problem mit einem Klassenzimmer, an dem ein Kreuz hängt, wenn in demselben auch eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch unterrichten darf. Und deswegen bleibt es dabei: ein schwarzer Tag für die freie Entfaltung des Menschen!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Wollen sie etwa der Dame unterstellen, dass sie nicht aus ihrer eigenen Überzeugung handelt? Glauben sie etwa im Ernst, dass diese Frau nicht weiß, was sie will?"
Was für Möglichkeiten gibt es denn, warum die Frau klagt? 1. Sie wird durch sozialen Druck dazu angehalten, das Kopftuch zu tragen oder 2. Sie will das Kopftuch als polit-religiöse Demonstration tragen. Was sollte es sonst für Optionen geben? Weil es so windig oder regnerisch im Klassenraum ist? Weil sie unter starkem Haarausfall leidet und dies verstecken will?
Wir müssen z.B. Hosen oder Röcke tragen, weil wir unsere Genitalien nicht zeigen wollen. Der ursprüngliche Begriff für das "Kopftuch" war nach der syro-aramäischen Lesart des Koran (laut Christoph Luxenberg) ein Hüftschal, der die REIZE der Frau bedecken sollte. Dies macht auch Sinn, weil dort die primären Geschlechtsorgane sitzen.
Damit war die ursprüngliche Bedeutung des "Kopftuchs" identisch mit der Bedeutung unserer Hosen und Röcke. Männer sollten nicht durch den Anblick unverhüllter weiblicher Genitalien geil gemacht werden.
Durch fehlerhafte Übertragung ins Hocharabische wurde aus dem logischen Hüftschal ein Kopftuch, dass nun idiotischer Weise die Haare (nicht die Schamhaare) vor Männerblicken verbergen soll. Mädchen wird sogar Angst gemacht, indem ihnen suggeriert wird, dass ihnen im Paradies für jedes Haar, dass mal unter dem Kopftuch hervorlugte, eine Schlange auf ihrem Kopf sein würde. Eine Horrorvorstellung, die derart eingeschüchterte Mädchen sicher den exakten Sitz der Haarbedeckung prüfen lässt.
"Was veranlasst sie zu der Annahme, ich wäre der Meinung muslimische Frauen seien genetisch anders veranlagt als andere Frauen der Welt? Das ist wirklich unterste Schublade, zumal äußerst widersinnig, weil es auch Konvertitinnen gibt."
Sie können die Schublade entspannt zulassen. Ich habe Ihnen dies - wenn Sie meinen Text genau lesen - nicht unterstellt. Nur gehen Sie auf meine Argumentation mit keinem Wort ein: Warum sollten muslimische Frauen anders gestrickt sein, als die meisten Frauen in "westlichen" Ländern? Warum haben muslimische Frauen kein Interesse, ihre Schönheit offen zu zeigen? Es geht ja nicht nur um das Kopftuch.
Die strenge Kleiderordnung des Islams geht ja mittlerweile noch viel weiter: bis auf das Gesicht muss alles verhüllt sein, in weiten Mänteln, die auch die weiblichen Konturen verwischen. Die Folge ist, dass sich die Frau als weibliches Wesen aufgibt und letztlich verleugnet, um nicht von Männern als Hure beschimpft zu werden. Wenn das - was ich Ihrem Kommentar entnehme - freiwillig geschieht, dann möchte ich wissen, was an muslimischen Frauen anders ist, als an "westlichen" Frauen.
"Sie reduzieren die Kopftuchdebatte auf den Schutzeffekt vor geilen Männerblicken und ziehen daraus die Konsequenz, dass sich die muslimischen Frauen in der westlichen Welt für die anständigeren halten, welche sich in einer sündigen Welt bewegen und als Vorbildfunktion fungieren sollen."
Ich reduziere gar nichts, sonders dies ist die alleinige Aufgabe der weiblichen Bedeckung! Sprechen Sie mal mit dem Imam Ihres Vertrauens über das Thema. Welchen Sinn sollte die Verschleierung weiblicher Reize sonst haben? Wie gesagt: der ursprüngliche koranische Zweck, nämlich die Hüfte der Frau zu bedecken, um ihrer primären Geschlechtsorgane zu verhüllen, ist völlig nachvollziehbar und wird bei "uns" mit Hosen oder Röcken erreicht. Das heutige Verstecken der Frau unter unterschiedlich intensiven Stoffkäfigen ist frauenverachtend.
Sie haben ein recht naives Bild von der Funktion religiöser Kleiderordnungen. Es gibt auch religiöse Menschen, die verteidigen die Genitalverstümmelung von Knaben mit "gesundheitlichen Vorteilen". Aber man muss nicht jeden Schmarrn glauben, der aus dem Mund von indoktrinierten Gläubigen kommt. Ich habe einen eigenen Verstand, den ich bei solchen Fragen einzuschalten pflege.
"Diese stereotype Argumentationsweise kennt man zur Genüge von Pegida Demos."
Was hat das mit Pegida zu tun? Hat Pegida die Deutungshoheit in Deutschland? Oder gilt nur eine Meinung, die zu 100% Pegida widerspricht?
"Es hat nichts mit den Beweggründen zu tun, welche die Lehrerin bewog vor Gericht zu gehen."
Die Beweggründe werden sicher nicht in einem Anerkenntnis einer freien Gesellschaft liegen, wenn man dafür plädiert, sich "freiwillig" in die Unfreiheit zu begeben.
"Allein diese Aussage spricht Bände: bei ihnen stehen wertvolle Teppiche offensichtlich höher im Ansehen, als der Respekt vor menschlichen Gefühlen!"
Woraus lesen Sie das? Kaffeesatz oder Kristallkugel?
"Dabei spielt es keine Rolle, ob sie der Frau versichern, dass sich in ihrer Wohnung die Männer beherrschen können, weil sie einfach nicht begreifen (wollen), dass diese Frau vielleicht noch andere Gründe - außer geilen Männern - haben könnte, warum sie das Kopftuch trägt."
Dann benennen Sie doch mal diese ominösen Gründe. Ich bin gespannt, ob was kommt.
"Und bitte unterstellen sie nicht irgendwelche anderen Gründe, solange sie nicht wirklich eine Muslima zu Gast haben, die sie dazu auch befragen könnten."
Woher wissen Sie, dass ich keine Musliminnen kenne? Ich hatte sogar eine Zeitlang eine Firma in Ägypten und da laufen erstaunlich viele Musliminnen herum. Mit denen konnte ich sogar reden.
"Sie haben jedoch das Problem, dass sie das Kopftuch schlechthin als Symbol für Unterdrückung sehen - es steht aber auch als Zeichen für die Selbstbestimmung."
Also kann eine Frau in Saudi-Arabien sagen: "Ach, welch hübscher Tag, es ist warm, da gehe ich mal ohne Kopftuch raus, mache mir eine hübsche Frisur, die zum Wetter passt!"? Wäre dies möglich, würde auch ich von Selbstbestimmung sprechen. Doch ausgerechnet in den Ländern, in denen Ihrer Meinung nach die Selbstbestimmung am ausgeprägtesten sein müsste, nämlich in muslimischen Ländern, werden Frauen von der Religionspolizei regelmäßig bestraft, wenn sie kein Kopftuch tragen. Dies wird sogar von nichtmuslimischen Frauen verlangt, die zu Gast in diesen Ländern sind.
Lieber Herr Will, Sie wissen schlicht nicht, was Selbstbestimmung ist. Das ist alles.
"Es gibt mittlerweile einen Trend, in dem auch nichtreligiöse muslimische Frauen mit dem Kopftuch ein Zeichen setzen wollen."
Gewiss gibt es das. Es ist die beleidigte Dauerleberwurst, die Opferrolle, in die sich Muslime begeben, weil man ja einen Schuldigen für die eigene Misere braucht. Da rückt man zusammen, zeigt sich solidarisch und präsentiert nach außen: "Wir sind ja wer, wir tragen sogar Kopftuch!" Toll!
"Wenn sie jetzt argumentieren, dass es als religiöses Symbol anzusehen ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis - wie in Frankreich vor einigen Jahren geschehen - die ersten Muslime gegen einen Weihnachtsbaum in der Schule klagen und dann auch Recht bekommen, weil sie sich auf das Neutralitätsprinzip der Schule berufen."
Das ist ja auch richtig. Religion ist eine Schnapsidee aus der Bronzezeit und stellt keine "natürliche Eigenschaft" einer Gesellschaft dar. Die Idee eines "Gottes", der die ganze Welt unter Kontrolle hält, ist passé. Heute ist Religion in einer aufgeklärten Gesellschaft reine Privatsache und sollte auch so vom Gesetzgeber behandelt werden.
Zu Hause darf ich jeden Firlefanz machen und an jeden x-beliebigen "Gott" beten. Ich darf mich wie jeder Verein in Clubhäusern treffen und dort meine Riten zelebrieren. Doch in der Öffentlichkeit hat dies nichts zu suchen. Oder dürfen jetzt Lehrer, die Mitglieder in einem Karnevalsvereins sind, vor ihren Schülern im Clownskostüm auftreten dürfen?
"Jede Art von religiösem Symbol wird dann auf die Waagschale gelegt und am Ende opfern wir für unsere Intoleranz auch unsere ureigensten, uns lieb gewordenen Traditionen!"
Sie wissen nicht nur nicht, was Selbstbestimmung bedeutet, auch mit dem Begriff Intoleranz haben Sie Ihre Schwierigkeiten. Die Intoleranz ist zentrales Motiv jedes Monotheismus. Sonst würde er nämlich keinen Sinn machen. Wenn Religionen tolerant wären, hätten sie keine Begründung für ihren Alleinvertretungsanspruch.
Und zu liebgewordenen Traditionen: Eine Liste mit liebgewordenen Traditionen, die wir glücklicherweise heute nicht mehr praktizieren, ist zu lang für diesen Kommentar. Wir kommen als Gesellschaft nur weiter, wenn wir täglich gerade die liebgewonnenen Traditionen auf den Prüfstand stellen und überlegen, ob sie noch zeitgemäß sind. Wenn wir darauf verzichten, bleibt die Gesellschaft in ideologischer Erstarrung stehen. Wer das will, verfolgt andere Interessen, als die, dass es der Gesellschaft gut geht.
"Ich habe kein Problem mit einem Klassenzimmer, an dem ein Kreuz hängt, wenn in demselben auch eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch unterrichten darf."
Ich habe damit sehr wohl ein Problem. Sie hätten mit der Grundeinstellung, die Sie hier vortragen, auch ein Problem, wenn nicht eine Lehrerin aus dem muslimischen Verein vor den Schülern stünde, sondern eine aus dem FKK-Verein.
"Und deswegen bleibt es dabei: ein schwarzer Tag für die freie Entfaltung des Menschen!"
Nicht "es" - Sie bleiben dabei! Das bleibt Ihnen völlig unbenommen. Wir haben (noch) Meinungsfreiheit in Deutschland. Ich aber habe eine andere Meinung als Sie, weil ich für echte Freiheit eintrete...
Matthias Will am Permanenter Link
"Was für Möglichkeiten gibt es denn, warum die Frau klagt? 1. Sie wird durch sozialen Druck dazu angehalten, das Kopftuch zu tragen oder 2. Sie will das Kopftuch als polit-religiöse Demonstration tragen.
Wir müssen z.B. Hosen oder Röcke tragen, weil wir unsere Genitalien nicht zeigen wollen. Der ursprüngliche Begriff für das "Kopftuch" war nach der syro-aramäischen Lesart des Koran (laut Christoph Luxenberg) ein Hüftschal, der die REIZE der Frau bedecken sollte. Dies macht auch Sinn, weil dort die primären Geschlechtsorgane sitzen.
Damit war die ursprüngliche Bedeutung des "Kopftuchs" identisch mit der Bedeutung unserer Hosen und Röcke. Männer sollten nicht durch den Anblick unverhüllter weiblicher Genitalien geil gemacht werden.
Durch fehlerhafte Übertragung ins Hocharabische wurde aus dem logischen Hüftschal ein Kopftuch, dass nun idiotischer Weise die Haare (nicht die Schamhaare) vor Männerblicken verbergen soll. Mädchen wird sogar Angst gemacht, indem ihnen suggeriert wird, dass ihnen im Paradies für jedes Haar, dass mal unter dem Kopftuch hervorlugte, eine Schlange auf ihrem Kopf sein würde. Eine Horrorvorstellung, die derart eingeschüchterte Mädchen sicher den exakten Sitz der Haarbedeckung prüfen lässt."
Zunächst zu ihrem 2., 3., und vierten Absatz: Ich gebe Ihnen absolut recht; in der Tat lässt sich nirgends, auch im hocharabischen nur die Kopfbedeckung im Koran nachweisen. An anderer Stelle hier im Forum habe ich bereits angedeutet, dass sich ein Kopftuchgebot leichter in der Bibel als im Koran nachweisen ließe.Vielleicht ist ihnen der inzwischen verstorbene ägyptische Islamwissenschaftler Abu Zaid ein Begriff, der mit den Mitteln der Literaturkritik an die Koranexegese heranging und das Land als "Ungläubiger" verlassen musste, weil man von ihm verlangte, dass er sich zwangsscheiden lasse. Er schreibt:
'Der Koran ordnet das Herunterziehen des dschilbab an, damit die muslimischen Frauen nach außen hin erkennbar sein sollen. Es handelt sich sozusagen um ein Statussymbol, ein Unterscheidungsmerkmal zwischen freine und versklavten Frauen, denn Sklavinnen durften keinen dschilbab tragen. Diese zweite Koranstelle (33,59) hat ihren Sinn also vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die zwischen Freien und Sklaven unterschied und in denen man Sklavinnen nach Belieben nachstellen durfte. Diese Art von Rechtlosigkeit gibt es in unseren modernen Gesellschaften zum Glück nicht mehr, und daher glaube ich vor dem Hintergrund dieser Analyse nicht, dass man von einer religiösen Pflicht, ein Kopftuch zu tragen, sprechen kann - schon gar nicht eine Burka oder die komplette Verhüllung, die schreckliche kulturelle Phänomene sind.
Trotzdem würde ich das Recht jeder Frau, ein Kopftuch zu tragen, sowohl gegen gehässige Kommentare als auch gegen gewisse neue gesetzgeberische Anstrengungen westeuropäischer Länder verteidigen: als das selbstverständliche Recht eines jeden Individuums in einer pluralistischen Gesellschaft, seine oder ihre Identität durch Kleidung auszudrücken, so wie er oder sie es möchte. Dass die Familie oder ein religiöser Lehrer von einem Mädchen verlangt, es müsse ein Kopftuch tragen, lehne ich ab. Aber wenn ein Mädchen oder eine Frau meint, es sei richtig, wenn sie es als Teil ihrer religiösen Auffassung versteht, sollte man ihr dieses Recht nicht streitig machen.'
Ich bin ganz bei Ihnen, dass es viele Mythen und Geschichten in den Überlieferungen gibt, welche den Frauen das Kopftuch richtig schmackhaft machen soll als Eintrittskarte ins Paradies. Das ändert aber nichts daran, dass man tunlichst zwischen einer bewussten Entscheidung eines Individuums und/oder gesellschaftlichen Zwängen unterscheiden muss. Sie sehen als Hintergrund der Klage von der Frau nur 1.sozialen Druck und 2. eine polit-religiöse Demonstration. Dass es in der Tat aber auch wirklich ein Ausdruck gelebter Religiösität sein kann, ziehen sie nicht in Betracht. Ich werde Ihnen im weiteren ein Beispiel dafür geben.
"Sie können die Schublade entspannt zulassen. Ich habe Ihnen dies - wenn Sie meinen Text genau lesen - nicht unterstellt. Nur gehen Sie auf meine Argumentation mit keinem Wort ein: Warum sollten muslimische Frauen anders gestrickt sein, als die meisten Frauen in "westlichen" Ländern? Warum haben muslimische Frauen kein Interesse, ihre Schönheit offen zu zeigen? Es geht ja nicht nur um das Kopftuch.
Die strenge Kleiderordnung des Islams geht ja mittlerweile noch viel weiter: bis auf das Gesicht muss alles verhüllt sein, in weiten Mänteln, die auch die weiblichen Konturen verwischen. Die Folge ist, dass sich die Frau als weibliches Wesen aufgibt und letztlich verleugnet, um nicht von Männern als Hure beschimpft zu werden. Wenn das - was ich Ihrem Kommentar entnehme - freiwillig geschieht, dann möchte ich wissen, was an muslimischen Frauen anders ist, als an "westlichen" Frauen."
Also gut, ich lasse die Schublade zu. Nein, muslimische Frauen sind nicht anders gestrickt. Wir dürfen aber nicht verallgemeinern, und da sind wir schon wieder bei der Schublade. Das Beispiel von Abu Zaid sollte ihnen gezeigt haben, dass es verschiedene Gründe für verschiedene Kleiderordnungen im Islam gibt, die sich noch nicht einmal islamisch begründen lassen. Und da drehen wir uns im Kreis: es gibt diejenigen, die Opfer ihrer Gesellschaftsnormen sind, aber auch diejenigen, die sich dafür entscheiden. Ich behaupte nicht, dass sich alle Musliminnen freiwillig verhüllen, insbesondere nicht in den theokratischen Systemen im nahen oder mittleren Osten. Aber diejenigen, welche hierzulande leben und dazu gezwungen werden, würden wohl kaum dafür klagen, eines Tragen zu dürfen.
"Ich reduziere gar nichts, sonders dies ist die alleinige Aufgabe der weiblichen Bedeckung! Sprechen Sie mal mit dem Imam Ihres Vertrauens über das Thema. Welchen Sinn sollte die Verschleierung weiblicher Reize sonst haben? Wie gesagt: der ursprüngliche koranische Zweck, nämlich die Hüfte der Frau zu bedecken, um ihrer primären Geschlechtsorgane zu verhüllen, ist völlig nachvollziehbar und wird bei "uns" mit Hosen oder Röcken erreicht. Das heutige Verstecken der Frau unter unterschiedlich intensiven Stoffkäfigen ist frauenverachtend."
Klar, was mir der Imam meines Vertrauens sagt. Im Kern bin ich ja bei Ihnen. Wir drehen uns aber im Kreis: solange die Frau es selbst will, sollte man ihr das Recht nicht streitig machen. Das frauenverachtende beginnt dann, wenn man es ihr auferlegt.
"Sie haben ein recht naives Bild von der Funktion religiöser Kleiderordnungen. Es gibt auch religiöse Menschen, die verteidigen die Genitalverstümmelung von Knaben mit "gesundheitlichen Vorteilen". Aber man muss nicht jeden Schmarrn glauben, der aus dem Mund von indoktrinierten Gläubigen kommt. Ich habe einen eigenen Verstand, den ich bei solchen Fragen einzuschalten pflege."
Ich habe kein naives Bild von der Funktion religiöser Kleiderordnungen, das sollten Sie mittlerweile bemerkt haben. Genausowenig über die Genitalverstümmelung von Knaben. Insbesondere, weil diese nicht volljährig sind und selbst über ihr Schicksal bestimmen können.
"Hat Pegida die Deutungshoheit in Deutschland? Oder gilt nur eine Meinung, die zu 100% Pegida widerspricht?"
Da bin ich froh, wenigstens hier sind wir 100prozentig einer Meinung!
"Die Beweggründe werden sicher nicht in einem Anerkenntnis einer freien Gesellschaft liegen, wenn man dafür plädiert, sich "freiwillig" in die Unfreiheit zu begeben."
Das sehen Sie so, weil Sie es so sehen wollen.
"Allein diese Aussage spricht Bände: bei ihnen stehen wertvolle Teppiche offensichtlich höher im Ansehen, als der Respekt vor menschlichen Gefühlen!
Woraus lesen Sie das? Kaffeesatz oder Kristallkugel?"
Woraus ich das lese? Wenn ich bei jemanden zu Gast bin, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich meine Schuhe ausziehe - da muss man mich nicht erst darum bitten. Wenn ich eine Muslima in mein Haus einlade, dann weiß ich, was mich erwartet und ich bringe ihr den nötigen Respekt entgegen. Einen Rasta würde ich auch nicht bitten, seine Haare zu bedecken aus Angst vor Läusen. Das wäre genauso respektlos. Wenn ich das nicht tolerieren kann, dann lade ich solche Menschen nicht ein.
"Dabei spielt es keine Rolle, ob sie der Frau versichern, dass sich in ihrer Wohnung die Männer beherrschen können, weil sie einfach nicht begreifen (wollen), dass diese Frau vielleicht noch andere Gründe - außer geilen Männern - haben könnte, warum sie das Kopftuch trägt."
Dann benennen Sie doch mal diese ominösen Gründe. Ich bin gespannt, ob was kommt.
"Und bitte unterstellen sie nicht irgendwelche anderen Gründe, solange sie nicht wirklich eine Muslima zu Gast haben, die sie dazu auch befragen könnten."
Woher wissen Sie, dass ich keine Musliminnen kenne? Ich hatte sogar eine Zeitlang eine Firma in Ägypten und da laufen erstaunlich viele Musliminnen herum. Mit denen konnte ich sogar reden."
Ich habe ebenfalls im Rahmen von Tätigkeiten mit mehreren NGO's drei Jahre lang im Sudan, ein halbes Jahr in Kenia und sieben Jahre in Uganda mit und unter Muslimen verschiedenster Prägungen gelebt. In Afrika südlich der Sahara ist es kein seltenes Bild, dass Musliminnen ohne Kopftuch in Richtung Moschee gehen, das Kopftuch zum Gebet anlegen und anschließend wieder ablegen und sich danach frei bewegen. Eine hat mir das so erklärt, dass sie im Gebet eine Bindung zu Gott aufbaut. Wenn sie das Bedürfnis hat, dann behält sie das Kopftuch an, um die Bindung zwischen den Gebeten aufrecht zu erhalten. Wenn nicht, dann streift sie es einfach ab. Es muss sich also nicht immer um Scham und Männerblicke drehen, es gibt auch ungezwungenere Gründe!
"Also kann eine Frau in Saudi-Arabien sagen: "Ach, welch hübscher Tag, es ist warm, da gehe ich mal ohne Kopftuch raus, mache mir eine hübsche Frisur, die zum Wetter passt!"? Wäre dies möglich, würde auch ich von Selbstbestimmung sprechen. Doch ausgerechnet in den Ländern, in denen Ihrer Meinung nach die Selbstbestimmung am ausgeprägtesten sein müsste, nämlich in muslimischen Ländern, werden Frauen von der Religionspolizei regelmäßig bestraft, wenn sie kein Kopftuch tragen. Dies wird sogar von nichtmuslimischen Frauen verlangt, die zu Gast in diesen Ländern sind.
Lieber Herr Will, Sie wissen schlicht nicht, was Selbstbestimmung ist. Das ist alles."
Nein, eine Frau in Saudi-Arabien kann das nicht sagen. Ihr Problem ist (wieder mal) die Schublade, in die Sie alles stecken und die Saudi-Arabienklatsche rausholen um gegen das Kopftuch zu wettern. Sie schließen aus meiner Haltung, dass man einer Frau das Kopftuch nicht verwehren sollte, wenn sie es tragen möchte, dass die Selbstbestimmung in den Ländern, in denen es den Frauen auferlegt wird meiner Meinung nach am ausgeprägtesten sein müsste. Wir reden hier nicht von Saudi-Arabien! Wenn ich mir die Reaktionen hier im Forum ansehe, dann ist das sehr wohl Selbstbestimmung, denn hierzulande wird man offensichtlich sanktioniert, wenn man eines trägt!
"Es ist die beleidigte Dauerleberwurst, die Opferrolle, in die sich Muslime begeben, weil man ja einen Schuldigen für die eigene Misere braucht. Da rückt man zusammen, zeigt sich solidarisch und präsentiert nach außen: "Wir sind ja wer, wir tragen sogar Kopftuch!" Toll!"
Es geht hier nicht um Schuldige und Opferrollen. Es geht schlicht und ergreifend darum, die Muslime Teil der hiesigen Gesellschaft werden zu lassen und Ausgrenzungen zu vermeiden.
"Das ist ja auch richtig. Religion ist eine Schnapsidee aus der Bronzezeit und stellt keine "natürliche Eigenschaft" einer Gesellschaft dar. Die Idee eines "Gottes", der die ganze Welt unter Kontrolle hält, ist passé. Heute ist Religion in einer aufgeklärten Gesellschaft reine Privatsache und sollte auch so vom Gesetzgeber behandelt werden.
Zu Hause darf ich jeden Firlefanz machen und an jeden x-beliebigen "Gott" beten. Ich darf mich wie jeder Verein in Clubhäusern treffen und dort meine Riten zelebrieren. Doch in der Öffentlichkeit hat dies nichts zu suchen. Oder dürfen jetzt Lehrer, die Mitglieder in einem Karnevalsvereins sind, vor ihren Schülern im Clownskostüm auftreten dürfen?"
Da haben wir aber in Deutschland ein Riesenproblem: die Bundesrepublik Deutschland ist kein laizistischer Staat, denn die Kirchen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Es wird immer wieder zu Klagen bis vor das Bundesverfassungsgericht kommen, selbst wenn einige Bundesländer laizistisch geprägt sind. Da fehlt es also schon an der Struktur.
Natürlich darf ich zu Hause alles machen. Ein Kopftuch ist aber ein universelles Kleidungsstück, das auch von Nichtmuslimen gelegentlich getragen wird. Ich wünsche mir einfach mal einen ungezwungeneren Umgang mit dem Thema: in Uganda beispielsweise bekommen Christen an muslimischen Internaten an Sonntagen die Aula als Kirche für ihren Gottesdienst zur Verfügung gestellt und an christlichen Schulen unterrichen muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch!
"Jede Art von religiösem Symbol wird dann auf die Waagschale gelegt und am Ende opfern wir für unsere Intoleranz auch unsere ureigensten, uns lieb gewordenen Traditionen!"
Sie wissen nicht nur nicht, was Selbstbestimmung bedeutet, auch mit dem Begriff Intoleranz haben Sie Ihre Schwierigkeiten. Die Intoleranz ist zentrales Motiv jedes Monotheismus. Sonst würde er nämlich keinen Sinn machen. Wenn Religionen tolerant wären, hätten sie keine Begründung für ihren Alleinvertretungsanspruch.
Und zu liebgewordenen Traditionen: Eine Liste mit liebgewordenen Traditionen, die wir glücklicherweise heute nicht mehr praktizieren, ist zu lang für diesen Kommentar. Wir kommen als Gesellschaft nur weiter, wenn wir täglich gerade die liebgewonnenen Traditionen auf den Prüfstand stellen und überlegen, ob sie noch zeitgemäß sind. Wenn wir darauf verzichten, bleibt die Gesellschaft in ideologischer Erstarrung stehen. Wer das will, verfolgt andere Interessen, als die, dass es der Gesellschaft gut geht."
Ich habe weder mit der Selbstbestimmung noch mit der Intoleranz meine Schwierigkeiten. Was ist es denn anderes als Intoleranz, wenn Sie es nicht für richtig befinden, dass eine Lehrerin mit Kopftuch ihren Beruf ausüben darf. Sie begeben sich selbst - wie die Rechtsgelehrten der islamischen Orthodoxie es zu tun pflegen - in Analogieschlüsse aus denen Sie den Alleinvertretungsanspruch von Religionen auf vermeintliche Vertreter derselben projizieren und sie deshalb als intolerant für nicht gesellschaftsfähig deklarieren. Nur wenn sie sich in ihren eigenen vier Wänden verstecken können sie das akzeptieren. Das sie aber auch öffentlich an unserem Leben teilhaben ist aber genau das, was wir aushalten müssen, wenn wir eine echte offene Gesellschaft sein wollen.
Was die liebgewordenen Traditionen anbelangt: so weit sind wir uns sicher einig, dass ich nicht gewisse Praktiken aus dem Mittelalter meine. Falls sie Kinder haben und diese in die Schule gehen, dann gibt es halt in dieser tristen aufgeklärten Welt keine Weihnachts -oder Osterfeste mehr. Das passt ohnehin recht gut in unsere erkaltende Gesellschaft. Klar gibt es viele Dinge, die man auf den Prüfstand stellen und hinterfragen muss. Ich habe aber keine Lust darauf, dass man mit gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigt, um den anderen etwas zu nehmen, was man sich selbst schon genommen hat. Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Es gibt immer einen Weg, den alle beschreiten können.
""Ich habe kein Problem mit einem Klassenzimmer, an dem ein Kreuz hängt, wenn in demselben auch eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch unterrichten darf."
Ich habe damit sehr wohl ein Problem. Sie hätten mit der Grundeinstellung, die Sie hier vortragen, auch ein Problem, wenn nicht eine Lehrerin aus dem muslimischen Verein vor den Schülern stünde, sondern eine aus dem FKK-Verein."
Möglich, dass ich damit ein Problem hätte, aber fragen Sie sich selbst, ob das schon mal passiert ist und - falls nein - warum nicht? Wir sollten die Verhältnismäßigkeit waren!
"Und deswegen bleibt es dabei: ein schwarzer Tag für die freie Entfaltung des Menschen!"
Nicht "es" - Sie bleiben dabei! Das bleibt Ihnen völlig unbenommen. Wir haben (noch) Meinungsfreiheit in Deutschland. Ich aber habe eine andere Meinung als Sie, weil ich für echte Freiheit eintrete..."
Das haben wir ja schon zur Genüge diskutiert. Wenn Sie glauben, dass Ihr Verständnis von Freiheit, das echte ist, so sei es Ihnen unbenommen. Ich habe Ihnen versucht darzulegen, dass jeder Mensch letztlich seines (Un)Glückes Schmied ist und wir dies akzeptieren und - falls der Wille dazu da ist - auch aushalten müssen, solange niemand dabei zu Schaden kommt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... und daher glaube ich vor dem Hintergrund dieser Analyse nicht, dass man von einer religiösen Pflicht, ein Kopftuch zu tragen, sprechen kann ..."
Das sehen wir beide und noch ein paar andere so, aber die Mehrheit der muslimischen Frauen - gerade die klagenden - berufen sich stets auf Religionsfreiheit, wenn sie ihr Tuch verteidigen, als hing ihr Leben (oder ihr Einzug ins Paradies) davon ab.
"Trotzdem würde ich das Recht jeder Frau, ein Kopftuch zu tragen, [...] verteidigen: als das selbstverständliche Recht eines jeden Individuums in einer pluralistischen Gesellschaft, seine oder ihre Identität durch Kleidung auszudrücken, so wie er oder sie es möchte."
Dagegen habe ich ja nichts einzuwenden. Doch ist das Kopftuch ideologisch überladen - und zwar gerade von vielen Musliminnen. Wäre der Tuch nicht so aufgeladen, wäre es - so denke ich - der Mehrheit herzlich egal, ob es jemand trägt.
"Dass die Familie oder ein religiöser Lehrer von einem Mädchen verlangt, es müsse ein Kopftuch tragen, lehne ich ab."
Sehr gut!
"Aber wenn ein Mädchen oder eine Frau meint, es sei richtig, wenn sie es als Teil ihrer religiösen Auffassung versteht, sollte man ihr dieses Recht nicht streitig machen."
Das steht jetzt im Widerspruch zu Ihrer obigen Aussage, die ich eingangs meines Kommentars gestellt habe. Entweder das Kopftuch ist eine religiöse Pflicht oder nicht. Beides gleichzeitig geht nicht.
"Das ändert aber nichts daran, dass man tunlichst zwischen einer bewussten Entscheidung eines Individuums und/oder gesellschaftlichen Zwängen unterscheiden muss."
Wie sollte die Unterscheidung denn aussehen? Worin unterschiedet sich ein Kopftuch, das aus Zwang getragen wird, von einem, das freiwillig getragen wird? In beiden Fälle ist es ein Symbol der Unterdrückung der Frau oder sind Sie ernsthaft der Meinung, alle muslimischen oder ex-muslimischen Frauenrechtlerinnen irren sich hier?
"Dass es in der Tat aber auch wirklich ein Ausdruck gelebter Religiösität sein kann, ziehen sie nicht in Betracht."
Erneut: Wie nun? Ist es religiös vorgeschrieben oder nicht?
"... es gibt diejenigen, die Opfer ihrer Gesellschaftsnormen sind, aber auch diejenigen, die sich dafür entscheiden."
Und wie kann ich das unterschieden? Woran erkenne ich, ob eine Muslimin von ihrem Vater gezwungen wird ein Kopftuch zu tragen und woran, ob sie es freiwillig trägt?
"Ich behaupte nicht, dass sich alle Musliminnen freiwillig verhüllen, insbesondere nicht in den theokratischen Systemen im nahen oder mittleren Osten."
Ausgerechnet in den Ländern, die nun mal die Deutungshoheit über den Islam haben (Mekka und Medina oder die Al Azhar-Universität in Kairo) propagieren, dass das Tragen eines Kopftuches eben keinesfalls selbstbestimmt oder freiwillig geschieht, sondern ein religiös begründeter Zwang ist.
"Aber diejenigen, welche hierzulande leben und dazu gezwungen werden, würden wohl kaum dafür klagen, eines Tragen zu dürfen."
Ihnen wird der Begriff frühkindliche Indoktrination ein Begriff sein. So, wie Kinder die Sprache der Eltern lernen, lernen sie auch deren Verhaltensregeln. Wenn ein Mädchen von klein auf mitbekommt, dass eine anständige Frau nur verhüllt ins Freie tritt, wird es dies irgendwann nicht mehr hinterfragen.
Auf diese Weise hält sich trotz Aufklärung der ganze Unsinn der monotheistischen Religionen, deren Regelwerk in ihrer Zeit und Region Sinn gemacht haben mag, doch die Dogmatisierung hat jede Anpassung an die heutige Zeit und Region verhindert.
Ich denke schon, dass sich eine Frau durch die Beeinflussung im Kindesalter ohne Kopftuch "nackt" fühlen mag. Aber objektiv ist dies ja nicht der Fall. Daher bin ich gegen jede frühkindliche Indoktrination, nicht nur durch Religion, sondern auch durch politische Systeme oder andere "Spezialitäten".
"... solange die Frau es selbst will, sollte man ihr das Recht nicht streitig machen. Das frauenverachtende beginnt dann, wenn man es ihr auferlegt."
Erneut meine Frage: Wie erkennt man den Unterschied? Gerade heranwachsende Mädchen werden in ihren Familien derart unter Druck gesetzt (nicht alle selbstverständlich), dass sie sich gar nicht trauen, sich Fremden anzuvertrauen. Die tribalistisch-patriarchale Gesellschaftsstruktur bietet ja totalen Schutz gegen totale Unterwerfung. Das ist ein systemisches Problem. Gerade um zu zeigen, dass man sich nicht unterwirft, würde ich als Muslimin das Kopftuch ablegen.
"Wenn ich bei jemanden zu Gast bin, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich meine Schuhe ausziehe - da muss man mich nicht erst darum bitten."
Ich fände es schon höflich, erst zu fragen, ob man die Schuhe ausziehen darf. Vielleicht hat man gerade qualmende Käsesocken und das riecht auch nicht so prickelnd. Ich lasse meine lieber an.
"Wenn ich eine Muslima in mein Haus einlade, dann weiß ich, was mich erwartet und ich bringe ihr den nötigen Respekt entgegen."
Respekt wofür? Eine religiöse Attitüde ist für mich so privat, dass ich allein dafür keinen Respekt übrighabe.
"In Afrika südlich der Sahara ist es kein seltenes Bild, dass Musliminnen ohne Kopftuch in Richtung Moschee gehen, das Kopftuch zum Gebet anlegen und anschließend wieder ablegen und sich danach frei bewegen."
Also geht das doch! Da eine Lehrerin während des Unterrichts nicht beten sollte, kann sie das Tuch ja in der Moschee aufsetzen. Dann sollte sie sich mal ein Beispiel an den afrikanischen Frauen nehmen.
"Es muss sich also nicht immer um Scham und Männerblicke drehen, es gibt auch ungezwungenere Gründe!"
"Ungezwungen" ist ein weiterer Begriff, den sie nicht verstehen.
"... um gegen das Kopftuch zu wettern."
Ich wettere nicht gegen das Kopftuch. Mir ist völlig egal, was Menschen anhaben. Ich finde nur, dass religiöse Symbole (und Sie selbst sind mit sich hier höchst uneins, wie ich oben gezeigt habe) bestimmte Aufgaben haben und auch bestimmte Zeiten/Orte, an denen sie genutzt werden sollten. Wenn es um Neutralität geht (der Ausgangspunkt dieser netten Diskussion), haben alle religiösen, politischen oder sonstigen Eigenarten des Lehrers außen vor zu bleiben.
"Wenn ich mir die Reaktionen hier im Forum ansehe, dann ist das sehr wohl Selbstbestimmung, denn hierzulande wird man offensichtlich sanktioniert, wenn man eines trägt!"
Das ist Unsinn. Es geht nur darum, dass man nicht alles zu allen Zeiten an allen Orten tragen darf.
"Es geht schlicht und ergreifend darum, die Muslime Teil der hiesigen Gesellschaft werden zu lassen und Ausgrenzungen zu vermeiden."
Wer hindert Muslime daran, Teil dieser Gesellschaft zu werden, außer sie selbst? Die Aus-/Abgrenzung erfolgt doch schon bereits bei Muslimen - wobei die Fehler der 60er-Jahre ihren Teil dazu beigetragen haben. Und das Kopftuch ist das Symbol für diese Ausgrenzung. Nicht die Biodeutschen haben den Musliminnen das Kopftuch aufgezwungen, sondern der religiöse Apparat des Islams.
"Da haben wir aber in Deutschland ein Riesenproblem: die Bundesrepublik Deutschland ist kein laizistischer Staat,..."
Ein Fehler, den die Zukunft heilen wird. Da bin ich ganz sicher.
"Natürlich darf ich zu Hause alles machen. Ein Kopftuch ist aber ein universelles Kleidungsstück, das auch von Nichtmuslimen gelegentlich getragen wird."
Gelegentlich, ja! Aber die von Ihnen öfters vorgebrachte Selbstbestimmung impliziert ja, dass es eben gelegentlich ist und kein Zwang. Doch kopftuchtragende Frauen können hin und wieder dieses "universelle Kleidungsstück" nicht einmal ablegen, wenn sie in Innenräumen unterrichten.
"Nur wenn sie sich in ihren eigenen vier Wänden verstecken können sie das akzeptieren. Das sie aber auch öffentlich an unserem Leben teilhaben ist aber genau das, was wir aushalten müssen, wenn wir eine echte offene Gesellschaft sein wollen."
Wie weit geht das Aushalten? Völlige Beliebigkeit, weil wir ja für alles tolerant sein müssen? Ich habe ja nichts dagegen, wenn sich Menschen einem "Gott" unterwerfen müssen, solange sie es freiwillig tun. Aber ob das nun unbedingt im Schulunterricht sein muss, wo es um die Vermittlung sachlicher Fakten geht und keine eingebildeten "Götter", möchte ich doch schon in Zweifel ziehen dürfen. Religion ist nun mal nichts, was gerade in der heutigen Welt eine große Rolle spielen sollte. Und zwar alle Religionen. Das hat mit dem Islam im Speziellen gar nicht zu tun.
"Falls sie Kinder haben und diese in die Schule gehen, dann gibt es halt in dieser tristen aufgeklärten Welt keine Weihnachts -oder Osterfeste mehr. Das passt ohnehin recht gut in unsere erkaltende Gesellschaft."
Sie halten also Aufklärung für den Weg in die Tristesse? Eine interessante Einstellung, wenn man bedenkt, dass wir praktisch alle modernen Errungenschaften der Aufklärung zu verdanken haben. Aber warum sollten die Kommerzveranstaltungen "Weihnachten" und "Ostern" etwas "Warmes" in die Welt bringen, außer Glühwein?
Oder meinen Sie den Aberglauben, der dahintersteckt? Die jungfräuliche Geburt oder das Menschenopfer, um einen gewalttätigen "Gott" zu besänftigen? Ehrlich gesagt: Gerade die Hintergründe dieser Feste sind für mich wesentlichster Grund, dass Religion nicht in Kinderhirne gewaschen werden sollte.
""Sie hätten mit der Grundeinstellung [...] auch ein Problem, wenn nicht eine Lehrerin aus dem muslimischen Verein vor den Schülern stünde, sondern eine aus dem FKK-Verein."
Möglich, dass ich damit ein Problem hätte, aber fragen Sie sich selbst, ob das schon mal passiert ist und - falls nein - warum nicht?"
Das wird nicht passieren, weil Lehrerinnen, die Mitglieder in einem FKK-Club sind, wissen, wann sie zur Arbeit gehen und wann sie in ihrer Freizeit sind. Das ist eigentlich alles, was Lehrerinnen muslimischen Glaubens lernen müssen.
Michael Paschko am Permanenter Link
Ich würde Ihnen zustimmen, wenn das muslimische Kopftuch nur eine kulturelle Gewohnheit bestimmter Bevölkerungsgruppen wäre, etwa wie die Jeans oder das T-Shirt.
In anderen Zusammenhängen religiöser Bekleidungen haben wir heutzutage eine genau entgegengesetzte Entwicklung: Nonnen legen oft ihre Tracht in bestimmten beruflichen Zusammenhängen ab, weil es ihnen im Rahmen der Berufsausübung, etwa als Sozialarbeiterinnen, Beraterinnen etc. vorteilhaft erscheint um ihren Klienten unbelastet von etwaigen religiösen Vorbehalten professionell begegnen zu können. Auch diese Nonnen sind traditionell durch ihre Ordensregeln zum Tragen des Habits verpflichtet. Aber offensichtlich gelingt es hier, die Regelungen so anzupassen, dass ein Eingehen auf berufliche Erfordernisse möglich wird.
Gleiches kann man von muslimischen Lehrerinnen und ihren Gemeinden doch eigentlich auch erwarten. Das Problem sind nicht die Kopftuchträgerinnen, sondern ihre Gemeinden und/oder Familien, die ihnen keinen flexiblen Umgang mit dem Kopftuch erlauben. Die Lösung des Problems kann nur darin liegen, dass die Gemeindeleitungen Lehrerinnen, die bei ihnen Mitglied sind, empfehlen, bei der Berufsausübung auf das Kopftuch zu verzichten. Damit hätten sie es selbst in der Hand, Teil der Lösung zu werden.
Es gilt doch für die meisten Berufstätigen, dass sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit nicht auf der uneingeschränkten bekleidungsbezogenen Entfaltung ihrer Persönlichkeit bestehen können. So gibt es doch jenseits des Kopftuchs vielfältigste Einschränkung der Bekleidung im beruflichen Kontext. Ein dezidierter Barfußgänger wird als Kellner auf seine Vorliebe genauso verzichten müssen, wie ein Koch auf die Vorliebe baren Hauptes durch Leben zu gehen. Auch müssen Schaffner bei der Deutschen Bahn Uniform tragen. Und in jedem Büro gibt es Mindeststandards, die man tunlichst einhalten sollte, will man nicht auf Probleme stoßen.
Es ist einfach eine ganz blöde und unvorteilhafte Idee, wenn man meint, ausnahmslos zu jeder Zeit nur ohne ein oder mit einem bestimmten Kleidungsstück leben zu können. Das schränkt die eigenen Möglichkeiten völlig unnötigerweise ein.
Matthias Will am Permanenter Link
"Ich würde Ihnen zustimmen, wenn das muslimische Kopftuch nur eine kulturelle Gewohnheit bestimmter Bevölkerungsgruppen wäre, etwa wie die Jeans oder das T-Shirt.
Auf den ersten Blick ihrer Aussage würde ich ihnen sogar Recht geben: in der Tat haben gerade konservative Islamvertreter das Kopftuch zu einem Symbol erhoben. Es sollte wirklich dazu herhalten, die Religion des Islam zu repräsentieren. Geht man aber tiefer in die Analyse, dann wird einem bald sehr klar, dass es sich nicht um ein "Symbol" als vielmehr ein Erkennungsmerkmal handelt. Ein Symbol steht stellvertretend für eine Sache - beispielsweise das Kreuz im Christentum (durch den Kreuzestod Jesu und die Wiederauferstehung wurde das Kreuz zum Symbol für für die Überwindung des Todes durch den Glauben). Ein Symbol im Islam ist z.B. der Halbmond, welcher auf den Islamischen Kalender und die sichtbare Mondsichel zum Beginn des Fastenmonats Ramadan verweist. Das Kopftuch ist kein islamisches Symbol, auch wenn man es der Einfachheit einfach mal als solches erklärt. Ich könnte an dieser Stelle sehr weit ausholen, um einen Vergleich anzustellen, ob sich im Vergleich von Bibel und Koran eine religiös begründete Vorschrift auf ein Kopftuch eher in der Bibel als im Koran ausfindig machen ließe, das würde aber an dieser Stelle zu weit vom Thema ablenken. Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass es eine Gratwanderung ist, wenn an den Schulen in Berlin das Neutralitätsgebot gilt und man als Lehrkraft diese zu vermitteln hat. Ich denke aber auch, dass das Tragen eines Kopftuches - welches nicht nur von Musliminen sondern auch in anderen Kulturkreisen getragen wird - nicht nur religiös sondern auch anders motiviert sein kann und ein Kopftuchverbot sehr wohl einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte mit dem Beigeschmack von Diskriminierung sein kann. Wie würden sie sich als Direktor einer Schule verhalten, in dem beispielsweise eine Kunstlehrerin ein Kopftuch von Dior trägt, weil ihr das Kleidungsstück gefällt. (Ich hatte in meiner Schulzeit eine Deutschlehrerin, die durch ihren Modegeschmack - auch Kopftücher - auffiel) Würden sie ihr sagen: "Frau Fischer, da ich weiß, dass sie keine Muslimin sind, dürfen sie das Kopftuch tragen, Frau Özkan, ich möchte sie bitten, ihr Kopftuch abzunehmen!" Dies wäre eine Situation, die vielleicht nicht vorstellbar, aber rein theoritsch möglich wäre.
"In anderen Zusammenhängen religiöser Bekleidungen haben wir heutzutage eine genau entgegengesetzte Entwicklung: Nonnen legen oft ihre Tracht in bestimmten beruflichen Zusammenhängen ab, weil es ihnen im Rahmen der Berufsausübung, etwa als Sozialarbeiterinnen, Beraterinnen etc. vorteilhaft erscheint um ihren Klienten unbelastet von etwaigen religiösen Vorbehalten professionell begegnen zu können. Auch diese Nonnen sind traditionell durch ihre Ordensregeln zum Tragen des Habits verpflichtet. Aber offensichtlich gelingt es hier, die Regelungen so anzupassen, dass ein Eingehen auf berufliche Erfordernisse möglich wird."
Das ist auch nur teilweise vergleichbar: Nonnen tragen wegen ihres Gelübdes eine Ordenstracht - es geht also weit mehr als um ein Kopftuch. Man erkennt die Nonne also nicht nur an ihrem Kopftuch. Auch die Kopftücher von Nonnen sind uniform gemäß ihres Ordens. Es geht daher auch schon wieder in Richtung Symbolik, weil die Ordenstracht der Nonne stellvertretend für ihren Orden steht. Das muslimische Kopftuch ist im Gegensatz dazu indiviuell verschieden und die restliche Kleidung ebenso. So schwer es manch einem fallen mag: wir werden und müssen uns einfach daran gewöhnen, dass Kopftücher in unserem öffentlichen Leben sichtbar sind und dass sie sich nicht nur auf Kolonnen türkischer Putzfrauen beschränken!
"Das Problem sind nicht die Kopftuchträgerinnen, sondern ihre Gemeinden und/oder Familien, die ihnen keinen flexiblen Umgang mit dem Kopftuch erlauben. Die Lösung des Problems kann nur darin liegen, dass die Gemeindeleitungen Lehrerinnen, die bei ihnen Mitglied sind, empfehlen, bei der Berufsausübung auf das Kopftuch zu verzichten. Damit hätten sie es selbst in der Hand, Teil der Lösung zu werden"
Es mag immer wieder Fälle geben, in denen die Gemeinde und/oder Familie ausschlaggebend für die Probleme bei der Berufsausübung sind. Ich stimme ihnen zu, dass das einen flexiblen Umgang mit dem Kopftuchtragen erschweren kann. Letztendlich liegt die Entscheidung aber immer bei der betroffenen Person selbst - jemand, der sich in der Bundesrepublik Deutschland als Lehrer/in bewirbt steht wohl kaum unter dem Einfluß von familiären Zwängen und hat mit Sicherheit ein gefestigtes Weltbild.
"Es gilt doch für die meisten Berufstätigen, dass sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit nicht auf der uneingeschränkten bekleidungsbezogenen Entfaltung ihrer Persönlichkeit bestehen können. So gibt es doch jenseits des Kopftuchs vielfältigste Einschränkung der Bekleidung im beruflichen Kontext. Ein dezidierter Barfußgänger wird als Kellner auf seine Vorliebe genauso verzichten müssen, wie ein Koch auf die Vorliebe baren Hauptes durch Leben zu gehen. Auch müssen Schaffner bei der Deutschen Bahn Uniform tragen. Und in jedem Büro gibt es Mindeststandards, die man tunlichst einhalten sollte, will man nicht auf Probleme stoßen.
Es ist einfach eine ganz blöde und unvorteilhafte Idee, wenn man meint, ausnahmslos zu jeder Zeit nur ohne ein oder mit einem bestimmten Kleidungsstück leben zu können. Das schränkt die eigenen Möglichkeiten völlig unnötigerweise ein."
Ich finde es mutig und engagiert, dass sich die Lehrerin ihre Möglichkeiten nicht einschränken lassen will. Klar ist es leichter, einfach aufzugeben und das Kopftuch abzustreifen. Doch warum sollte sie? Blicken wir doch mal über den eigenen Tellerrand hinaus: schon eine Reise nach Österreich genügt, um zu sehen, dass die Möglichkeiten nicht eingeschränkt sind. Österreich ist - im Gegensatz zu Großbritannien - nicht das klassische Einwanderungsland und hat durch seine Historie die gelebte und praktizierte Religionsfreiheit. Großbritannien hat diese Freiheit ebenso aufgrund der Commonwealthvergangenheit. Wir haben ebenso eine Verantwortung, nachdem in Deutschland in den 50er und 60er Jahren massenweise muslimische Migranten ins Land als Arbeitskräfte geholt wurden. Bitte ersparen sie mir das Beispiel von Frankreich. Frankreich hat aus seiner Geschichte heraus bewußt den Laizismus als Staatsform gewählt! Deutschland ist strukturell anders, hier sind die Kirchen Körperschaften des öffentlichen Rechts, es wird Kirchensteuer eingezogen, etc. Wenn man also den Islam aus dem öffentlichen Leben verbannen möchte, dann muß man den ganzen Staat und unser System nach französischem Vorbild umkrempeln. Das würde aber in letzter Konsequenz bedeuten, dass christliche Symbole und Traditionen genauso aus den Schulen verbannt würden wie muslimische. Ich halte davon nichts, weil zuviel staatliche Reglementierung immer die Beschneidung von Rechten bedeutet und nur gerne und allzuoft missbraucht wird.
Ich lebe lieber in einem Land in dem vieles erlaubt ist als in einem, wo alles verboten ist.
Darüber sollten wir alle mal nachdenken.
Marvin am Permanenter Link
Mal eines vorweg zu Ihrem Letzen Abschnitt: Eine menschenverachtende Ideologie eines Massenmörders hat in einer aufgeklärten modernen Gesellschaft nichts zu suchen und diese Einstellung macht einen nicht zum Rassisten
Die Frau kann privat tragen was sie will, in der öffentlichen Arbeit wo sie als Autoritätsperson und Vorbild wahrgenommen wird muss es Regeln geben. So oder so haben Lehrer bereits einen großen Einfluss auf die jungen Menschen und das ist ja auch zu großen Teilen gewollt und gut, aber es braucht eben Grundsätze an die sich alle zu halten haben. Mir ist es ja schließlich, zu Recht, auch nicht erlaubt mit Parteien-Werbung auf meinen Hemd als Pädagoge Kinder zu unterrichten. Wir sind ein säkularer Staat, falls es Ihnen entgangen sein sollte.
Matthias Will am Permanenter Link
"Mal eines vorweg zu Ihrem Letzen Abschnitt: Eine menschenverachtende Ideologie eines Massenmörders hat in einer aufgeklärten modernen Gesellschaft nichts zu suchen und diese Einstellung macht einen nicht zum Ras
Toller Humanismus, der den Menschen vorschreibt, was man zu tragen hat. Im Namen unserer aufgeklärten Gesellschaft ist es ja auch noch nie zu Kriegen und Konflikten gekommen: Napoleons Feldzüge, die Völkermorde in den afrikanischen und überseeischen Kolonien der Europäer, die beiden Weltkriege, die Bombardements im Namen der Demokratie im Nahen Osten welche in ihrer Folge der "menschenverachtenden Ideologie eines Massenmörders" erst so richtig Zulauf verschaffen sind ja ausnahmslos religiös begründet. Ihre "aufgeklärte, moderne Gesellschaft" ist erst zu dieser geworden, als aus den arabischen Khalifaten und Al Andalus die "verbotenen Wissenschaften" zu uns gekommen sind. Im 10. Jahrhundert hat ein islamischer Wissenachaftler wie Al Biruni den Erdumfang berechnet und 500 Jahre später hat man in Europa Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er behauptete, dass die Erde um die Sonne kreist und nicht umgekehrt! Die großen Wissenschaftler in der muslimischen Welt wie Al Jabr, Ibn Sina, Ibn Rushd (bekannt durch seine Aristoteleskommentare) haben ihren Geist auch aus dieser "menschenverachtenden Ideologie eines Massenmörders" geschöpft. Ihre Bücher waren als ketzerisch verboten, wurden aber von gebildeten Mönchen unter Verschluss gehalten, bis man sich in Europa unter dem Zeitalter der Aufklärung dafür zu interessieren begann. Das die Aufklärung auch bei uns noch sehr langsam vonstatten geht beweist die Tatsache, dass in den 60ziger Jahren in der Bundesrepublik per Gesetz Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie einen Beruf ergreifen wollten. Sie sollten also nicht allzu stolz auf unsere aufgeklärte Gesellschaft sein, denn sie kann noch nicht auf eine lange Tradition zurückgreifen!
"Die Frau kann privat tragen was sie will, in der öffentlichen Arbeit wo sie als Autoritätsperson und Vorbild wahrgenommen wird muss es Regeln geben. So oder so haben Lehrer bereits einen großen Einfluss auf die jungen Menschen und das ist ja auch zu großen Teilen gewollt und gut, aber es braucht eben Grundsätze an die sich alle zu halten haben. Mir ist es ja schließlich, zu Recht, auch nicht erlaubt mit Parteien-Werbung auf meinen Hemd als Pädagoge Kinder zu unterrichten."
Ich habe bereits andernorts erwähnt, dass ein Kopftuch nicht notwendigerweise als Symbol für etwas stehen kann welches nicht nur religiös motiviert getragen werden kann und muss. Man kann es daher nicht mit einem Parteien T-Shirt vergleichen.
"Wir sind ein säkularer Staat, falls es Ihnen entgangen sein sollte."
Richtig, und zwar einer, der laut Grundgesetz Artikel 140 die Religionsfreiheit garantiert, falls es ihnen entgangen sein sollte!
Gerhard Zimmer am Permanenter Link
Zu Matthias Will möchte ich mich äußern. Privat kann sich doch jeder kleiden wie er will. Aber in einer Schule muss man als Lehrer schon neutral in Erscheinung treten.
So kann auch keiner nackt durch die Gegend laufen, nur weil er sich dadurch freier fühlt. Das geht eben nur am FKK und nicht an anderen Badestränden. Auch die Helm- pflicht beim Motorrad fahren. Viele fühlen sich auch ohne Helm freier. Da spielt es auch keine Rolle ob ich Schrittgeschwindigkeit fahre oder auch nicht.
Harald Leinweber am Permanenter Link
Es ist einfach h nicht wahr dass eine demokratische Gesellschaft keine Bekleidungsvorschriften kenne: Versuchen Sie doch einfach mal,einen kleidsamen schwarzen Anzug mit kleinen silbernen Totenköpfen auf den Kragenspi
Es gibt jede Menge Bekleidungsvorschriften, auch in demokratischen Gesellschaften, und das ist auch gut so.
Manfred Geiger am Permanenter Link
Matthias: Wäre dann Totalverschleierung (z.B. Burka) für Lehrerinnen (oder Bikini) auch o.k.?
Ralf Fischer am Permanenter Link
Sie haben ja so recht Herr Will. Auch ich bin ein bisschen individuell. Aber lesen Sie meine Geschichte selber. Ich habe ein 1er Abitur gemacht.
Mein erster Berufswunsch war die Polizei. Ich habe auch alle Prüfungen glänzend geschafft. Die Einstellung scheiterte letztendlich an meinen drei Gesichts-Tattoos.
Mein zweiter Berufswunsch war, Theologie zu studieren. Die Evangelische Kirche fand meine Jesusbilder auf den beiden Wange cool, lehnte mich aber wegen des Teufel-Tattoo auf der Stirn ab. Die Katholiken hätten den Teufel akzeptiert. Da scheiterte das Studium an der falschen Religion.
Banken wollten mich auch nicht, nachdem ich mich persönlich vorgestellt habe. Auch das Fernsehen verweigerte mir eine Ausbildung.
Die Arbeitsagentur vermittelte mir einen Job in einem Callcenter. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, denn dort kamen meine Eloquenz und meine Sprachkenntnissen richtig zur Geltung. Als ich mir vor vier Wochen ein geiles Zungen-Piercing zulegte, wurde ich gekündigt und bin seitdem wieder arbeitslos. Angeblich haben die Kunden mich nicht mehr verstanden.
Sie sehen selbst, auch für mich war das ein schwarzer Tag für die freien Entfaltung meiner Persönlichkeit!
Matthias Will am Permanenter Link
Herr Fischer,
Versuchen sie es doch mal mit einem Kopftuch um wenigstens den Teufel auf der Stirn zu verdecken...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schöner Beitrag ohne faule Kompromisse. Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht religiotischer Bevormunder und gut so.
Ilse Rose am Permanenter Link
Konsequenterweise sollte nun auch das christliche Lehrpersonal auf das Tragen von Kreuzen am Kettchen verzichten.
Wolfgang am Permanenter Link
Das Urteil des Berliner Gerichts empfinde ich als ein "Wunder". Es besteht also Hoffnung, das mehr menschliches Denken die Dummheit auffrisst.