Muslimisches Kopftuch bei Lehrerinnen – Kein Ende der Debatte

Arbeitsgericht Berlin entscheidet gegen das Kopftuch

BERLIN. (hpd) Das mit großer Spannung erwartete Urteil des Berliner Arbeitsgerichts zum "muslimischen Kopftuch" von Lehrerinnen ist heute gefällt worden: abgelehnt wurde die Entschädigungsklage einer Frau, deren Bewerbung als Grundschullehrerin daran gescheitert war, dass sie aus religiösen Gründen auch im Schulunterricht Kopftuch tragen wollte. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Schulbehörde auf Grundlage des "Berliner Neutralitätsgesetzes" korrekt gehandelt habe, als es die Bewerbung ablehnte.

Nach dem Berliner Neutralitätsgesetz dürfen Lehrkräfte im Schuldienst "keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen".

In den vergangenen Monaten war von islamistischer und konservativ-orthodoxer islamischer Seite und deren politischen Unterstützern wiederholt die Frage der Verfassungswidrigkeit des Berliner Neutralitätsgesetzes aufgeworfen worden. Dieses Gesetz orientiert auf eine strikte Neutralität u.a. für Beamte, in der Justiz und im Schuldienst, macht dabei keine Unterschiede nach Religionen – im Gegensatz etwa zu Regelungen in NRW, die die christliche Religion bevorzugen. Das Arbeitsgericht Berlin hat auf diesen Aspekt genereller Neutralität hingewiesen, aber auch darauf, dass für die Klägerin eine Beschäftigung (mit Kopftuch) an einer berufsbildenden Schule möglich sei.

Anfang letzten Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht in einem vielfach kritisierten Beschluss dafür votiert, dass Lehrerinnen an bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschulen im Allgemeinen auch ein "muslimisches Kopftuch" tragen dürften. Nur bei konkreten Störungen des Schulfriedens dürfte ein Kopftuchverbot ausgesprochen werden. Damit wich das Gericht mit seinem "2. Kopftuchurteil" von den Festlegungen im "1. Kopftuchurteil" aus dem vorhergehenden Jahrzehnt gravierend ab. Das frühere Urteil verlangte für "Kopftuchverbote" lediglich Entscheidungen des Landesgesetzgebers und hielt rein behördliche Anordnungen nicht für rechtlich ausreichend. Diese gesetzlichen Regelungen konnten legitimer Weise auch darin bestehen, auffallende religiöse Kleidung generell im Schulbereich generell nicht zuzulassen.

Das heutige Berliner Urteil, gegen das die Berufung zum Landesarbeitsgericht zulässig ist, wird die Debatte um das "muslimische Kopftuch" erneut befeuern. Religiöse und weltanschauliche Neutralität an Schulen ist ein Ausfluss des Grundsatzes der Trennung von Staat und Kirche – und dient dem innergesellschaftlichen Frieden. Die Schule, das haben säkulare Kommentatoren immer wieder deutlich gemacht, darf sich nicht zum Erfüllungsgehilfen konservativer religiöser Strömungen degradieren lassen.

Was vor Jahrzehnten für für die Ablehnung Bhagwan-üblicher Kleidung von LehrerInnen galt, gilt auch für "muslimische Kleidung": Stets müssen die Kinder und deren Schutz vor religiöser Beeinflussung durch Lehrkräfte im Vordergrund stehen. Nicht die vermeintlichen oder tatsächlichen religiösen Belange des Lehrpersonals. Wem das nicht passt, der/die muss ja nicht LehrerIn werden. Es gibt durchaus auch viele andere interessante, anspruchsvolle und ehrenwerte Berufe!

Diejenigen, die Islam so definieren, dass eine religiöse Bedeckung der Frau verlangt wird, werden schäumen ob dieses Urteils und – ihrem Ritualverhalten folgend – ihre Opferrolle beschwören. Ihre multikulturalistischen ZuträgerInnen werden dies ebenfalls tun. Dagegen ist gelassene Aufklärung angesagt. Allerdings sind – neben der Erörterung von Verfassungsprinzipien – auch die Rechte von Kindern in den Blick zu nehmen. Das kommt regelmäßig zu kurz. Wer gewährt Kindern Schutz vor religiöser/weltanschaulicher Indoktrination in der Schule, wenn dort die familiäre Indoktrination fortgesetzt werden soll?

Die bislang einzige bekannte Gruppe, die diese Problematik in den Blick genommen hat, ist das im letzten Jahr gegründete Muslimische Forum Deutschland. In dessen Berliner Thesen wird verlangt, dass Kinder kein Kopftuch tragen sollen. Punkt. Keine Schnörkel und Verharmlosungen. Diese muslimische Forderung richtet sich auf das wesentliche: die (religiös-sektiererische) Zurichtung des Geistes eines Kindes und was dagegen zu tun ist. Aber darüber wird hierzulande kaum gesprochen, schon gar nicht in der Politik.


Nachtrag: Bei einem Artikel über "religiöse Bekleidung" darf am 14. April 2016 eine zweite Nachricht nicht fehlen: Saudi-Arabien hat die Befugnisse der "Religionspolizei" eingeschränkt. Diese ist u.a. für die Überwachung der strengen religiösen Bekleidungsvorschriften zuständig (darunter der nahezu vollständigen Vermummung der Frauen).
Ab sofort darf diese sog. Polizei nicht mehr selbst Festnahmen und Verhöre durchführen, sondern muss die vermeintlichen Vergehen an die normale Polizei weiter melden. Ein kleiner Fortschritt, gewiss. Aber immerhin werden die Fanatiker an die Leine genommen. Auslöser der neuen Regelung war wohl, dass ein Video im Netz kursierte, auf dem "Religionspolizisten" zu sehen waren, die eine Frau schlugen, die sich nicht verschleiern wollte.

Die Religionsvorstellung der Wahhabiten zur Verhüllung der Frau ist dieselbe wie derjenigen, die in Deutschland (mit muslimischem Kopftuch) Lehrerin werden wollen und die das Kopftuchtragen für eine religiöse Pflicht halten. Heißt es nicht, man solle schon den Anfängen wehren …?