Bereits im Vorfeld gab es viel Kritik an dieser Zurschaustellung christlicher Macht. Zumal in Berlin, der wahrscheinlich säkularsten Stadt Deutschlands. Doch als wäre das nicht genug, steht nun über der deutschen Hauptstadt "dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."
Selbst die Kuratorin Mahret Kupka sieht hier eine vertane Chance. "Das Kreuz stehe zwar mit dem Stadtschloss als Ursprungsgebäude in Verbindung. Mit der ohnehin nicht originalen Rekonstruktion hätte das Symbol aber auch überdacht und reflektiert werden können."
Das Spruchband, das die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum fordere, ist ihrer Auffassung nach "eine sehr krasse Aussage, die tatsächlich alles unterläuft, was das Humboldt Forum vorgibt, sein zu wollen." Das Kreuz wie auch der auf die Bibel zurückzuführende Spruch stehen auch in der Tradition eines längst überwundenen Kolonialismus. "Das Christentum ist ein Kanal gewesen, über den auch der Kolonialismus mitfunktionierte und bestärkt wurde. Es geschah quasi im Namen des Christentums, das Dinge geraubt oder zerstört wurden." Was diese Machtzuschaustellung für eine multikulturelle, heterogene, postmigrantische Gesellschaft wie Deutschland bedeute; darüber haben sich die Befürworter des Kreuzes viel zu wenig Gedanken gemacht.
Ganz anders sieht das (erwartungsgemäß) Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche. "Erstens steht ja keine Zwangsmissionierung Berlins bevor, und zweitens wird man diesen Spruch von unten kaum lesen können." Bei dieser Argumentation muss allerdings die Frage erlaubt sein: Weshalb musste der Spruch denn dann sein?
Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg, kritisiert, dass man mit dem Kreuz und dem Spruch die Geschichte Preußens unangemessen heroisiere. "Das Kreuz steht in diesem Kontext auch für das Gottesgnadentum der Hohenzollern, also für eine undemokratische Ausrichtung, für einen universellen Herrschaftsanspruch."
In der FAZ weist Andreas Kilb darauf hin, dass das Kreuz auf den alten Stadtschloss "eine Machtgeste des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. [war], der damit sein Verständnis monarchischer Herrschaft illustrierte. […] Im Klartext heißt das, dass Friedrich Wilhelm die Ansichten anderer über sein angemaßtes Gottesgnadentum egal waren. Seine Untertanen hatten ihm ebenso bedingungslos zu gehorchen wie dem Wort Christi." Und das darf keinesfalls als Wahlspruch über dem Humboldt Forum stehen, das sich selbst als "Forum für Kultur und Wissenschaft" versteht. Kalb schreibt weiter: "In einem Online-Dossier, das die Stiftung Humboldt Forum auf ihrer Website veröffentlicht hat, gibt Monika Grütters zu Protokoll, das Kuppelkreuz sei ein Symbol für 'Nächstenliebe, Freiheit, Weltoffenheit und Toleranz'. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erklärt, das Kreuz sei 'Teil unserer Pluralität'. Haben die beiden die Umschrift nicht gelesen? Sie ist der Text, der das Symbol erläutert: als Insignie der Intoleranz."
Grütters jedoch hält das Kreuz nicht für ein Zeichen des Alleinanspruchs der christlichen Religion. "Davon sind wir in dieser sehr säkularen Stadt Berlin und auch in einem Deutschland, was sehr genau unterscheidet zwischen der Rolle der Glaubensgemeinschaften und dem Staat weit entfernt", so die Kulturstaatsministerin: "Insofern ist die Provokation, die in dieser Frage liegt, vielleicht eine gute Stimulanz für eben die Kontroversen und die Auseinandersetzung, die wir dazu führen werden."
Seltsam nur, dass diese von ihr angeregten "Kontroversen und Auseinandersetzungen" erst geschehen sollen, wenn Tatsachen geschafft wurden und das Kreuz sowie der Allmachtsanspruch des Christentums im Himmel über Berlin thront.
8 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich habe mit dem Teil kein Problem, weil es die Machtstellung Jesu, die ihm hienieden zwar nie zustand, die er aber (auch durch Grütters' und Thierses urpeinliche Unterwürfigkeit indiziert) *de facto innehat*, so
Und es wird einer späteren Generation eine freudige Genugtuung sein, das Teil als Indiz einer endlichen Säkularisierung / Trennung von Staat und Kirche runterzuholen, um es zu stürzen und zu übermalen.
Ein gutes Ziel.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Der Nachbau des Stadtschlosses wird hauptsächlich von konfessionsfreien Steuerzahlern als Kultur-Forum finanziert!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Der letzte Satz in diesem Artikel zeigt wieder einmal deutlich die Hinterfotzigkeit der Christlich affinen Politiker in der Regierung des Landes Berlin, wie auch in der gesamten BRD.
Kathi am Permanenter Link
Ich beuge vor keinem unsichtbaren "himmlischen Herrn" die Knie, denn ich bin der eigene Gestalter meines Lebens und benötige keine "allmächtigen???" Götter, die mir zu sagen haben, was ich tun soll
Leon T am Permanenter Link
Nun ja, Kreuz und Spruchband gehörten nun einmal zum Stadtschloß, wenn das Stadtschloß nachgebildet werden soll, gehören sie definitiv dazu, sonst wäre das Schloß nicht das Schloß.
Das Schloß ist ja nicht nur ein Gebäude, es ist ein Zeugnis seiner Zeit, und natürlich auch des Geistes seiner Zeit.
Das war auch durchaus kein Geheimnis, als der Aufbau beschlossen wurde, insofern wirken die Kritik und die Nörgelei, die jetzt allerorten zu hören sind, ziemlich befremdlich.
Ich denke, daß hier gleich zweimal ziemliche Kulturbanausen am Werke gewesen sind:
Erst haben sie den Aufbau beschlossen, dann das Humboldt-Forum als Nutzer.
Das Forum hätte etwas besseres verdient gehabt, keine Frage.
Unechter Pole am Permanenter Link
Ausgerechnet im Kontext der Weltkulturen ist die über diese herrschende christlich gesprenkelte Kuppel mehr als bedenklich, sondern ein Zeichen, bei dem ein Vorwurf des Rassismus wirklich nicht zu hoch gegriffen ist.<
A.S. am Permanenter Link
Nachdem Kreuz und Spruch da sind, schlage ich vor, es gegen die Evangelikalen zu instrumentalisieren: "Schaut, was die Kirchen einst für einen Mist gepredigt haben und heute tun sie so, als hätten sie Freiheit un
An diesem Spruch und dem Kuppelkreuz lässte sich wunderbar herausarbeiten, welche politische Funktion die christliche Religion im Kontext von Monarchie und Gottesgnadentums hatte. Die anderen Religionen haben schließlich die gleiche politische Funktion.
Wenn das seitens der Linken getan würde, ohne falsche Rücksicht auf "religiöse Gefühle", könnten Kuppel, Kreuz und Spruch ähnlich aufklärerische Wirkung entfalten wie die muslimischen Selbstmordattentäter.
Badenermichel am Permanenter Link
Diese Symbole sind Relikte aus dem Mittelalter. Aufgeklärte Menschen sollten damit kein Problem haben.