Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) Niedersachsen hat in einem Offenen Brief an den Bürgermeister der Stadt Garbsen, Claudio Provenzano, seine Bedenken hinsichtlich eines Moschee-Umzugs der islamischen Gemeinschaft Millî Görüş Garbsen e.V. (IGMG) geäußert, und ihn aufgefordert, sich für eine weltoffene Kommune einzusetzen. Der hpd veröffentlicht den Brief des Präsidenten Guido Wiesner im Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Provenzano,
kürzlich entnahmen wir der lokalen Presse, dass die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş Garbsen e.V. (IGMG) plant, mit ihrer Moschee in das Sparkassengebäude in Altgarbsen umzuziehen. Obwohl es bereits einige Diskussionen dazu gab, hat die Stadt Garbsen selbst dazu bislang keine Stellung bezogen. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, unsere Bedenken darzulegen.
Zunächst möchten wir betonen, dass der HVD Niedersachsen keinerlei Vorbehalte gegenüber muslimischen Gemeinschaften und ihren Gebetsstätten hat. Seit fast 20 Jahren sind wir Mitglied im "Rat der Religionen Hannover" und engagieren uns dort für Toleranz zwischen den Weltanschauungen, für den interreligiösen Dialog und eine religionskundliche Wissensvermittlung im Haus der Religionen in Hannover. Wir begreifen jedoch die IGMG als eine Organisation, die offiziell dem sogenannten "legalistischen Islamismus" zugeordnet wird:
"Die religiös-politische Bewegung 'Millî Görüş' ('Nationale Sicht[weise]') ist ein Sammelbecken von Anhängern des 2011 verstorbenen Politikers Necmettin Erbakan. Sie strebt eine 'gerechte Ordnung' auf islamischem Fundament an, die langfristig alle anderen, als 'nichtig' erachteten politischen Systeme ablösen soll. Diese Zielsetzung eint alle Institutionen, die sich auf 'Millî Görüş' berufen. Die politische Agenda Erbakans, die unter anderem antiwestliche und antisemitische Züge aufweist, ist in weiten Teilen nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.
Größte und bedeutendste Organisation dieses Spektrums in Deutschland ist die 'Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.' (IGMG). Mit ihrer legalistischen Strategie bewegt sie sich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung. Ihr Ziel ist es, den Normen ihres eigenen Religionsverständnisses Akzeptanz zu verschaffen und sie durchzusetzen." (Quelle: Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg 2023, Seite 128 ff und Seite 156 ff)
Nach unserem Verständnis sind in einer islamischen Staats- und Gesellschaftsordnung die Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht mehr gewährleistet. Das betrifft vor allem die Garantie der Menschenwürde, das demokratische System sowie die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands.
Daher möchten wir unserer Besorgnis Ausdruck verleihen, sollte die Stadt Garbsen der IGMG ermöglichen, sich mit ihrer Moschee sichtbar im Stadtbild zu vergrößern. Es gibt in unserer Gesellschaft zahlreiche liberale und sogar säkular orientierte Muslime, die durch Gemeinschaften wie die IGMG teilweise sogar regelrecht bedroht werden. Unserer Auffassung nach sollte der Staat – und damit auch eine Kommune – Interesse daran haben, diese liberalen muslimischen Gemeinden zu unterstützen und nicht diejenigen, die bereits durch eine ausgewiesene Demokratiefeindlichkeit im Fokus der Öffentlichkeit stehen.
Wir ersuchen Sie, Herr Bürgermeister Provenzano, sich nicht für eine islamistische Gemeinschaft einzusetzen, sondern für Muslime, die unsere Demokratie stärken, die sich für die Rechte von Frauen und queeren Menschen einsetzen und jüdisches Leben schützen wollen – und damit für ein weltoffenes Garbsen einstehen.






