Vor zwei Tagen wurde der rechtskonservative Trump-Unterstützer Charlie Kirk bei einer Veranstaltung auf dem Campus der Utah Valley University im US-Bundesstaat Utah auf offener Bühne erschossen. Häufige Reaktionen: tosender Beifall, Hetze, Spott.
Charlie Kirk hat sich vor allem unter jungen, konservativen, christlichen und rechtsnationalistischen US-amerikanischen Bürgern einen Namen gemacht, weshalb er zu einem engen Wegbegleiter Donald Trumps wurde und dessen Wahlkampf nachhaltig prägte. Er vertrat anti-woke, trans- und fremdenfeindliche Positionen, lehnte Schwangerschaftsabbrüche ab, machte Stimmung gegen "linke" Politik und trat für ein christlich-konservatives Lebensmodell mit klassischer Rollenverteilung ein. Kirk besuchte in der Vergangenheit gerne öffentliche Veranstaltungen, um mit seinen Kritikern medienwirksam zu diskutieren, wobei er ihnen zwar oft nicht inhaltlich, aber zumeist rhetorisch überlegen war. Während einer solchen Veranstaltung an der Utah Valley University wurde er am Mittwoch auf offener Bühne vor den Augen aller mit einer Schusswaffe tödlich am Hals verwundet.
Die Reaktionen
Seither überschlagen sich die Kommentarspalten in den Sozialen Medien – nur leider nicht so, wie es der Anstand gebieten würde. Es offenbart sich bei einigen ein Hang zum Tribalismus, der durch verbale Aufrüstung offen ausgelebt wird. So gibt es zahlreiche Kommentare, die den Mord an Kirk zu Gewaltaufrufen gegen "Linke" missbrauchen und in Kriegsrhetorik abdriften ("I'm ready for civil war" oder "The only way this ends is the complete annihilation of Democrat party"). Trump gibt der "radikalen Linken" gar die Schuld für den inländischen Terrorismus.
Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Postings, die den Mord gutheißen oder ihn relativieren, da es ja den "Richtigen" getroffen habe. So sind Sätze wie diese zu lesen: "There is no place for genocide propaganda, fascism and white supremacy. (…) Nazi lives don't matter" oder "Charlie Kirk war Abschaum". Der MSNBC-Kommentator Matthew Dowd gab Kirk nach dem Attentat sogar eine Teilschuld an seinem Tod: "Man kann diese schlimmen Gedanken nicht haben, diese schlimmen Worte sagen, und dann erwarten, dass keine schlimmen Taten folgen. Leider ist das unsere Realität." In einem Video, das den Anschlag auf Kirk zeigt, sieht man unmittelbar nach dem tödlichen Schuss einen Mann, der jubelnd die Fäuste zum Himmel reckt.
Wieder andere reagieren zynisch. So teilten manche einen alten Post von Kirk, in dem er schrieb: "Guns save lives", und kombinierten ihn mit einem Screenshot von dem Moment, als Kirk am Hals getroffen wurde. Der Satiriker Sebastian Hotz (bekannt unter dem Pseudonym "El Hotzo") postete auf X ein Bild mit dem Schimpansen "Charly" aus der Familienserie "Unser Charly" und kommentierte "RIP". Ein anderer X-User resümierte äußerst treffend: "Mit Charlie Kirk wurde offenbar auch der Anstand ermordet".
Ein Appell die Menschlichkeit
Inmitten dieser "Shitpostings" finden sich allerdings auch versöhnliche Kommentare, die sich nicht dem bloßen Tribalismus ergeben, sondern auf zugrunde liegende Werte der Offenen Gesellschaft und Empathie verweisen. So weisen manche darauf hin, dass das eigentlich Empörende nicht die Gesinnung von Charlie Kirk sei, sondern die Tatsache, dass ein Mensch getötet wurde, bloß weil er eine andere Meinung vertrete. Andere wünschen den Hinterbliebenen viel Kraft, auch wenn sie die politische Meinung ihres Angehörigen nicht geteilt hätten.
Charlie Kirk war eine streitbare Persönlichkeit, die Ansichten vertrat, die mit den Werten der Offenen Gesellschaft und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) inkompatibel waren. Das rechtfertigte zwar den unermüdlichen Einsatz gegen seine reaktionäre Rhetorik, jedoch nicht seine Beseitigung mittels Waffengewalt. Auch wenn es paradox klingen mag: Eine Person, die die zentralen Artikel der AEMR ablehnt, verfügt jedoch gleichzeitig über ebenjene. Und sein Ableben wiederum rechtfertigt schon gar nicht sich gegenüber anderen, vollends Unbeteiligten, hetzerisch zu verhalten. Menschen sind zunächst einmal Menschen und dann haben sie unterschiedliche Positionen – der Rest ist Widerstreit. Dass ich mich einmal genötigt sehe, diese Sätze so explizit zu formulieren, hätte ich vorgestern noch nicht gedacht.
Kirk hinterlässt seine Frau, eine dreijährige Tochter und einen einjährigen Sohn. Rund 3.000 Besucher der Veranstaltung mussten die Hinrichtung Kirks live mitansehen und um ihr eigenes Leben fürchten. Einige von ihnen werden Traumafolgestörungen erleiden. Die Zahl der Menschen, die unspezifische psychische und soziale Probleme entwickeln werden, weil sie sich die verstörenden Videoaufnahmen in den Sozialen Medien anschauen, ist nicht bezifferbar. Es geht jetzt nicht um politische Differenzen und Schuldzuweisungen, sondern um Zusammenhalt. Margot Friedländer sagt: "Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen, seid vernünftig".







21 Kommentare
Kommentare
PJ am Permanenter Link
In so vielen Aspekten vielsagend und zutiefst verstörend ist das Posting von El Hotzo. Anscheinend hat Sebastian Hotz nichts aus seinem Post über Donald Trump und dem anschließenden Gerichtsprozess gelernt.
Nur weil die vermeintlich "richtige" Person ermordet wurde. Ein Mensch, der lediglich andere Ansichten hat, soll getötet werden. Sein Existenzrecht ist verwirkt, weil dieser Mensch unter einer "besseren Welt" etwas anderes versteht.
Würde El Hotzo auch den Zuschauern sagen, die live einem Anschlag beiwohnen durften, wie cool er den Tod eines Menschen findet?
Würde Sebastian Hotz diese Aussagen den Hinterbliebenen von Charlie Kirk gegenüber äußern?
Die (Online)Welt ist einfach nur noch krank, abgedreht und verrückt.
Johannes Dölling am Permanenter Link
Der letzte Satz passt nicht zum ansonsten völlig zutreffenden Kommentar. Nein, es ist eben nicht "die (Online)Welt", die sich hier eindeutig menschenverachtend verhält.
Thomas Niemand am Permanenter Link
Also das finde ich an all dem nicht als das Schlimmste.
https://www.reddit.com/media?url=https%3A%2F%2Fpreview.redd.it%2Fnever-forget-trumpf-jrs-response-to-paul-pelosis-attack-v0-iggzds7shicd1.jpeg%3Fwidth%3D640%26crop%3Dsmart%26auto%3Dwebp%26s%3D7996718fb32d2397251d4a3f86e02e33caf319dc
, was auf eine in Republikanerkreisen häufig geteilte und sie belustigende Erzählung anspielte, Paul Pelosi hätte mit einem Lover Streit gehabt. Auch Trump sagte, dass es Ungereimtheiten gäbe, bspw. seien die Fenster von innen nach außen eingeschlagen wurden, jemand hätte eher versucht auszubrechen, worauf die Polizei klarstelle, dass es sich um einen Einbruch handelte. Auch später witzelte Trump über diesen Vorfall, was das republikanische Publikum gut fand. Vor kurzem wurden 2 Demokraten umgebracht, da gab es nicht mal ansatzweise einen solchen Aufschrei, die MAGA-Blase äußerte sich kaum dazu. MAGA ist eine Gefahr für das Leben unzähliger durch Gesetze die gemacht werden, durch die brandgefährliche Rhetorik seit Beginn der Bewegung. Es ist auch nicht irgendeine Meinung die der Typ dort verbreitet hatte, sondern es ist oft der Stoff aus dem Radikalisierung erfolgt, hier getarnt als Debatten mit dem Ziel einen christlichen Gottesstaat zu erschaffen, wobei er regelmäßig mit Leuten zu tun hatte, die eine weiße Vorherrschaft ausbauen wollten, womit er zur Normalisierung solcher Gedanken beitrug. Ich finde es etwas unbedarft, davon auszugehen, dass man mit Meinungsäußerungen nicht einen großen Schaden anrichten kann. Der Typ ist für die amerikanische extreme Rechte ein wichtiger Pfeiler gewesen, sowohl organisatorisch als auch medial. Den Mord verurteile ich. Härteste Kritik an seiner Person aber nicht. Auch Humor über seinen Tot nicht. Was mich eher beunruhigt sind diese radikaliserten Teile von MAGAs, die einen Bürgerkrieg wollen und die von genau solchen Leuten wie Kirk und noch Schlimmeren, auch von Medien wie dem Trump-nahen Fox News und Schlimmeren, radikalisert werden. Mit diesen Leuten zu reden ist mit der Zeit kaum mehr möglich, da kann man Argumente haben wie man möchte. Und diese Leute sehe ich als Waffennarren, die potentiell Taten begehen könnten, die weit schlimmer sein würden, als das was der Mörder von Kirk tat.
PJ am Permanenter Link
Ihnen kann und möchte ich nur bedingt zustimmen.
Mir fehlt schlicht und einfach die Phantasie, um sich vorzustellen wie diese Menschen gestrickt sind.
Diese Leute haben Gedankengänge, deren Herkunft ich als sehr kritischer Mensch nicht nachvollziehen kann. Da werden Dinge gesagt, Verbrechen begangen, Menschen eingeschüchtert und angegriffen, die für mich so dermaßen unbegreiflich sind. Ich möchte einfach nicht glauben, dass sich Menschen so einfach manipulieren und steuern lassen.
Auf der anderen Seite haben wir die politischen Gegner, die weiter ein Ölfaß nach dem nächsten ins Feuer kippen. Ganz bewusst und voller Absicht wird weiter aufgerüstet.
Das Feuer brennt munter weiter und dann wundern sich alle, warum die Situation eskaliert und wieso irgendein Typ mit seiner Automatik-MP auf eine Menschenmenge ballert.
Frank Sch. am Permanenter Link
Dem Artikel ist grundsätzlich und ohne Abstriche zuzustimmen.
All dies galt und gilt z.B. aber auch für die Besatzung eines kleinen Motorbootes vor Venezuelas Küste.
Wer entscheidet über die Rechtmäßigkeit der vorsätzlichen Tötung von elf Unbekannten?
Der (und insbesondere gerade dieser!) Potus, das Militär, die öffentliche Meinung?
Und all das passierte ohne Belege und/oder rechtskräftige Verurteilung.
Ok, die elf Toten waren für die Welt namenlos.
Aber die AEMR galt doch auch für sie, oder?!
Dr. Gerd Kruse am Permanenter Link
Wer Krik nur für konservativ hält, der muss dieAfD für liberal halten. Das rechtfertigt trotzdem nicht den Mord an Krik!
malte am Permanenter Link
Ich lese gerade ziemlich häufig, Kirk sei rechtsextrem, wenn nicht sogar Faschist oder Nazi gewesen.
Gibt es irgendwo eine seriöse Quelle, was er nun wirklich konkret vertreten hat? Das ist keine rhetorische Frage, mich interessiert das wirklich. Es kann ja sein, dass er nicht bloß rechtskonservativ war, sondern extremere Ansichten hatte. Aber das müsste schon vernünftig belegt werden.
Michael Fischer am Permanenter Link
Vielleicht das hier?
https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100911110/charlie-kirk-was-der-aktivist-ueber-waffen-frauen-und-schwarze-dachte.html?utm_source=firefox-newtab-de-de
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass Menschen und Vernunft einander hassen...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Der Verdacht ist begründet, sonst würden nicht derartige Posts in den Medien auftauchen.
A.S. am Permanenter Link
Religion und Vernunft schließen einander aus.
Wenn unser eigener Staat Religion und damit Unvernunft fördert, ist das Ergebnis eine Zunahme der Unvernunft. Genau das erleben wir derzeit weltweit.
Die vielgelobte Frau Merkel hat religiöse Unvernunft mit aller Kraft gefördert. Ex-BP Wulf hat muslimische Unvernunft als zu Deutschland gehörig begrüßt.
Markus Mathys am Permanenter Link
Danke für diesen ausgezeichneten Artikel. Gut, einmal über die offene Gesellschaft, Empathie und diverses Argumentieren nachzudenken.
MM am Permanenter Link
Herr Wolber übersieht einen Punkt, der mir recht bedeutsam erscheint: Auf der einen Seite drohen verbalradikale linke (?) Spinner, oft Schafe im Wolfspelz.
awmrkl am Permanenter Link
"Auf der einen Seite drohen verbalradikale linke (?) Spinner, oft Schafe im Wolfspelz"
Beweis durch Behauptung?
Wo, WO sind die denn? Ich seh die nicht, nirgends!
Bitte Nachweise!
MM am Permanenter Link
Ja, stimmt. Veränderte Nachrichtenlage.
Silvia Spörk am Permanenter Link
Das Problem beginnt damit, dass es kein demokratisches Regelwerk gibt, das nar(r)zisstische, machtgeile Personen, die mittels Lügen, Populismus, Propaganda, Desinformation und gefährlicher, faktenbefreiter Ideologien
lachmann am Permanenter Link
Todesstrafe?
Aus Wikipedia:
".... sie gilt vielfach als unvereinbar mit den Menschenrechten.
Viele Nichtregierungsorganisationen setzen sich für ihre weltweite Abschaffung ein."
Torge Wegner am Permanenter Link
Hier zwei englische Guardian-Artikel über Kirk zum Einstieg:
https://www.theguardian.com/us-news/2025/sep/13/charlie-kirk-campus-culture-wars?CMP=Share_iOSApp_Other
Ganz ohne jegliche Häme, ohne witzig sein zu wollen, und ohne Gutheißen des Mordes möchte ich anmerken, dass Kirk nicht weniger war, als ein rechtsextremistischer Hetzer, ein gefährlicher Fanatiker, der in Diskussionen allein durch dreiste Beleidigungen, Lügen und Fehlschlüsse bestach. Wie kann man das Rhetorik nennen?
Eine unfassbar verharmlosende Fehleinschätzung Kirks, die Herr Wolber hier präsentiert.
malte am Permanenter Link
Auch in diesen Artikeln lese ich wenig, was die Bezeichnung "rechtsextremistisch" rechtfertigen würde. Das konkreteste ist da noch der Bezug auf die "Great Replacement"-Verschwörungserzählung.
Torge Wegner am Permanenter Link
Vielleicht hilft dies?
https://www.volksverpetzer.de/analyse/hayali-recht-rechtsextrem-charlie-kirk/
Thomas Baader am Permanenter Link
Eigentlich ist es ganz einfach.
Mord gutheißen, verharmlosen, rechtfertigen oder feiern - definitiv nein.
Weiterhin kritisieren wegen inhaltlicher Positionen - definitiv ja.