Heinz-Werner Kubitzas neues "Jesus"-Buch

Die Dekonstruktion einer Lichtgestalt

Heinz-Werner Kubitza, ein promovierter Theologe, der mit der Kirche brach, nimmt in seinem neuen Buch "Jesus ohne Kitsch. Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns" eine Dekonstruktion des genannten "Propheten" vor. Dabei stützt sich der Autor auf eine Fülle von Bibel-Zitaten und macht insbesondere bei den Ausführungen zur Ethik von Jesu viele problematische Positionen aus, was dem Buch eine aufklärerische Dimension verleiht.

Jesus hat allgemein ein gutes Standing. Was die saloppe Formulierung eigentlich meint, ist Folgendes: Er gilt nicht nur Gläubigen als Lichtgestalt. Jesus wird auch von Kirchen- und Religionskritikern häufig sehr positiv gesehen. Mitunter argumentieren diese auch mit Jesus gegen die Kirchen. Eine Kritik an seiner Lehre und seiner Person gibt es kaum. Dass es einer solchen Auseinandersetzung indessen bedarf, meint Heinz-Werner Kubitza. Er promovierte in Theologie, trat aber danach aus der Kirche aus. Welche Einwände Kubitza vorzubringen hat, kann man in seiner "Wahn"-Trilogie nachlesen. Die gemeinten Bände tragen denn auch die Titel "Der Jesuswahn" von 2011, "Der Dogmenwahn" von 2015 und "Der Glaubenswahn" von 2017. Ihnen hat der Autor jetzt den Band "Jesus ohne Kitsch. Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns" hinzugefügt. Darin benennt er die Gründe für seine zentrale These, wonach Jesus die wohl am meisten überschätzte Figur der Weltgeschichte sei.

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Es geht demnach um eine Art von argumentativer Dekonstruktion einer religiösen Lichtgestalt, wobei dies mit vielen Argumenten und Belegen, Quellenkritiken und Zitaten geschieht. Am Beginn steht die Deutung einer gescheiterten Erwartung, ging Jesus doch davon aus, dass ein Gottesreich bald kommen würde, was eben nicht geschah. Die Relevanz dieser Auffassung wird von Kubitza anhand von vielen Stellen im Neuen Testament veranschaulicht. Da die Erwartung sich aber als Irrtum herausgestellt habe, kann man diesen auch auf die damit verbundene Lehre übertragen: "Der Hauptinhalt der Lehre Jesu hat sich als religiöses Wunschdenken entpuppt, als für die Nachfolgenden peinliche Naherwartung eines Reiches Gottes, das nie gekommen ist" (S. 38). Danach geht der Autor auf andere Gesichtspunkte ein, etwa, wenn Jesus als Schüler des fanatischen Johannes des Täufers oder als doch eher ungebildeter Prophet ohne schriftliche Hinterlassenschaften gedeutet wird.

Ausführlich thematisiert Kubitza auch die Wundererzählungen, wobei er ebenfalls die Erfindungen seiner Nachfolger hervorhebt. Besondere Bedeutung haben danach die "Forderungen Jesu" (S. 107) und hierbei seine Ethik. Anhand von vielen Auszügen aus dem Neuen Testament werden zahlreiche Schattenseiten deutlich. Die abwertende Einstellung gegenüber Heiden und Nicht-Juden passt denn auch nicht zur postulierten Nächstenliebe. Darüber hinaus heißt es: "Im Zentrum von Jesu Ethik steht nicht der Hilfesuchende … Die Menschen sollen Gutes tun, um sich auf diese Weise Vorteile im Himmel zu verschaffen" (S. 136). Es zeige sich auch: "Jesus entwickelt oft bedenkliche Gewaltphantasien, wenn man sein Wort (…) nicht befolgt" (S. 139), wofür ebenfalls viele Zitate vorgebracht werden. Die letzten Kapitel widmen sich dann noch anderen Kitschformen wie der Seligpreisung, aber auch der Frage nach dem politischen Jesu.

Der Autor geht durch das ganze Buch davon aus, dass Jesus auch eine historische Person war. Dafür gibt es zwar begründbare Annahmen (vgl. S. 15 f.), aber keine klaren Belege. Unabhängig von dieser Frage ist aber unklar, was ein historischer Jesus tatsächlich gesagt oder getan hat. Es gibt nur das Bild aus dem Neuen Testament. Damit arbeitet Kubitza, wobei viele Doppelmoralen und Widersprüche gut herausgearbeitet werden. Gerade die Ausführungen zu "Jesus Forderungen" und dort wieder die zur Ethikkritik verdienen großes Interesse. Der Autor kann aufgrund seiner Bibelkenntnis viele Belegstellen vorbringen, womit Einwänden gegen angebliche Fehldeutungen des Textes begegnet werden kann. Seinen Ausführungen zum "Unsinn der Nächstenliebe" (S. 112) darf man mit guten Gründen widersprechen, aber das ist ein anderes Thema. In der bilanzierenden Gesamtschau handelt es sich um ein aufklärerisches Werk. Viele Inhalte sind nicht neu, verdienen aber Interesse.

Heinz-Werner Kubitza, Jesus ohne Kitsch. Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns, Baden-Baden 2019 (Tectum-Verlag), 262 S., 19,90 Euro