Heinz-Werner Kubitza über den "Glaubenswahn"

Die Anfänge des religiösen Extremismus im Alten Testament

Der promovierte Theologe Heinz-Werner Kubitza nimmt in seinem Buch "Der Glaubenswahn. Von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament" eine Analyse des dortigen Bildes von Gottes vor. Die Deutung als ein solcher der Gewalt und des Krieges stützt sich auf viele Quellen und Zitate, könnte aber auch angesichts von fehlenden Klarstellungen missverstanden werden.

Das Alte Testament ist Bestandteil der Bibel, und damit auch eine Grundlage des Christentums. Gleichwohl findet es keine so große Aufmerksamkeit wie das Neue Testament. Bekannt sind einzelne Erzählungen und Zitate. Aber das Gesamtbild von den Inhalten ist bei Religionsanhängern immer mehr verblasst. Möglicherweise erklärt sich dies auch dadurch, dass das darin Beschriebene ganz und gar nicht heutigen Grundwerten und Moralvorstellungen entspricht. Dieser Auffassung ist jedenfalls Heinz-Werner Kubitza, promovierter Theologe und ehemaliger Leiter des Tectum-Wissenschaftsverlags. Dort erschien von ihm als letzter Band einer Triologie: "Der Glaubenswahn. Von den Anfänge des religiösen Extremismus im Alten Testament". Es handelt sich entgegen des Titels, der offenbar aus einer Anlehnung an Richard Dawkins Bestseller "Der Gotteswahn" gewählt wurde, um keine religionspsychologische Untersuchung. Der Autor nahm vielmehr eine Analyse des Textes vor, um die darin enthaltene Gottesvorstellung herauszuarbeiten.

Bereits zu Beginn betont er dabei dezidiert, dass der im Alten Testament gemeinte Gott kaum Eigenschaften aufweise, welche zu einer sich als modern verstehenden Religion passen würden: "Gott wird geschildert als Schürer und Anstifter von Gewalt und Vernichtung, als Mörder an fremden Völkern und ebenso am eigenen Volk. Wir werden einen Gott kennenlernen mit unverhohlenem Blutdurst, einen Brandstifter, launisch, unberechenbar, einen Verursacher von Krieg, Krankheit und Hunger. Einen Vergifter sozialer Beziehungen, einen notorischen Ausländerfeind und Verfechter von Intoleranz als Tugendmodell. Wir werden Jahwes niedrige Instinkte kennenlernen, seinen Zorn und seine Wut, seine Mitleidslosigkeit und Schadenfreude, seine Eitelkeit und Launenhaftigkeit, sein Großmachtdenken wie auch seine Provinzialität" (S. 13). Ganz danach gliedert sich das Buch: Es geht um eine Deutung als Gott des Krieges und der Gewalt, um die Gründe dafür, die fragwürdigen Eigenschaften Gottes, aber auch die Propheten als religiöse Extremisten.

Um sich erst gar nicht des Einwandes auszusetzen, er würde nur wenige Belegstellen aus dem Kontext herausreißen, liefert Kubitza eine Fülle an Zitaten. Diese machen deutlich, dass seine Einschätzung sich auf eine breite Quellengrundlage stützen kann. Deutlich wird hierbei aus einer aufklärerischen Blickrichtung, dass die eher positive Einschätzung der Inhalte derartiger Texte korrigiert werden muss. Er macht dabei auch deutlich, dass viele dem Alten Testament-Gott (AT-Gott) zugeschriebenen Gewalthandlungen historisch offenbar gar nicht stattfanden. Die damaligen Anhänger haben sie offenbar erfunden, um daraus bestimmte Moralvorstellungen für ihre Religionsdeutung zu entwickeln. Hier kann sich Kubitza auf die Forschungsergebnisse von israelischen Archäologen wie Israel Finkelstein und Neil Silberman stützen. Es geht ihm hauptsächlich aber um die Analyse und Kommentierung von Texten, was mitunter etwas polemisch und salopp geschieht. Da heißt es dann auch mal "Jehu als Killer Jahwes" (S. 70) oder "Jahwes Faible für Details" (S. 235).

Der Autor schreibt in religionskritischer Absicht, was mitunter missverstanden werden könnte. Denn es gab in den letzten Jahrhunderten immer wieder Schriften, die aus den bedenklichen Aspekten des AT-Gottes auch Herabwürdigungen von Juden ableiteten. Eine solche Fehldeutung könnte es auch gegenüber Kubitzas Schrift geben. Angemessen wäre sie aber nicht, denn man muss dieses Buch im Kontext seiner Triologie sehen. Deren erster Band "Der Jesuswahn" von 2011 kritisierte in ähnlicher Form das Neue Testament. Einschlägige Erläuterungen und Klarstellungen wären indessen auch im Interesse des Verfassers selbst wünschenswert gewesen. Denn bestimmte Formulierungen wie zu "Kollektivschuld" (S. 151) oder "Vernichtungskriegen" (S. 28) könnten "Beifall von der falschen Seite" auslösen. Ansonsten sei noch der Hinweis gestattet: Gelegentlich wirkt die Argumentation ein wenig ahistorisch, wenn die beschriebenen Ereignisse mit heutigen Moralvorstellungen kommentiert werden – was das Bedenkliche daran aber auch nicht relativieren soll.

Heinz-Werner Kubitza, Der Glaubenswahn. Von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament, Marburg 2017 (Tectum-Verlag), 344 S., 19,95 Euro