"Einsegnung" des Stadtrats

Düsseldorfer Religionsfreie zeigen Rat die "Rote Karte“

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Düsseldorf, Stadtpanorama
Düsseldorf, Stadtpanorama

Vor seiner Eröffungssitzung wurde der Düsseldorfer Stadtrat von Vertretern einiger Religionen "eingesegnet". Dafür vergeben nun Düsseldorfs religionsfreie Bürger eine "Rote Karte" an den Rat. Denn staatliche Institutionen müssen religiös und weltanschaulich neutral sein. Das sieht das Neutralitätsgebot der Verfassung so vor.

Ricarda Hinz, Vorsitzende des Düsseldorf Aufklärungsdienst e. V., betont: "Natürlich darf jedes Ratsmitglied glauben, was es will, und auch religiöse Riten begehen, wie es will. Dagegen haben wir überhaupt nichts. Aber der Stadtrat als Organ unserer Verfassung hat sich religiös und weltanschaulich neutral zu verhalten. Der Stadtrat hat alle Bürger zu vertreten, auch die nicht religiösen."

Rote Karte
Rote Karte

An der Einsegnung des Stadtrats wirkten katholische, evangelische sowie jüdische und sunnitische Geistliche mit. "Mit dieser Einsegnung wird aber nicht nur gegen das Neutralitätsgebot der Verfassung verstoßen. Etwa die Hälfte aller Düsseldorfer wird ausgegrenzt, nämlich zunächst die Religionsfreien, die mittlerweile die größte Gruppe bilden. Und ich frage mich auch, ob die vielen weiteren Religionen, die in Düsseldorf beheimatet sind, sich durch diese vier Geistlichen vertreten fühlen", ergänzt Vorstandsmitglied Hans-Joachim Horn und nennt damit einen weiteren Grund für die Forderung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes und anderer säkularer Organisationen, dass religiöse Zeremonien für Verfassungsorgane unterbleiben sollten.

In der Tat sinken die Anteile religiöser Einwohner Jahr für Jahr auf immer neue Tiefststände. Während nur noch rund 43 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Mitglied in den beiden Kirchen (27 Prozent römisch-katholisch; 16 Prozent evangelisch) sind, wächst die Zahl der religionslosen Menschen stetig. Dennoch werden Praktiken, die aus Zeiten stammen, als Gläubige noch einen Bevölkerungsanteil von über 90 Prozent stellten, beibehalten.

"Schon damals verstieß das gegen das Neutralitätsgebot des Staates, aber keiner hat es bemängelt", fügt Horn hinzu. Aber jetzt sei es an der Zeit, auf das Neutralitätsgebot zu bestehen und damit die Ausgrenzung und Benachteiligung von Religionsfreien zu beenden. Noch immer hingen Kreuze oder andere religiöse Symbole in Gerichtsgebäuden und staatlichen Häusern, fänden wie selbstverständlich Schuleröffnungs-Gottesdienste statt und es würden öffentliche Gebäude religiös geweiht. Deshalb wird die Rote-Karte-Aktion fortgeführt werden.

Hintergrund zu weltanschauliche Neutralität des Staates:

Im Staatsrecht der Grundsatz der Nichteinmischung des Staates. Die weltanschauliche N. fordert die Nichteinmischung des Staates in Fragen des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses. Sie ist in dem Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen des Glaubens, der religiösen oder der politischen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 GG), in der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG), der Sicherung des bekenntnisunabhängigen Zugangs zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 3 GG) und durch die staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 und 137 Weimarer Reichsverfassung gewährleistet. Sie verbietet nicht nur die Entscheidung von Glaubensfragen durch den Staat, sondern jede Diskriminierung und Privilegierung von religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften und deren Angehörigen. Sie fordert allerdings nicht einen laizistischen Staat mit völliger Trennung von Staat und Kirche. (Lt. Bundeszentrale für Politische Bildung )

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