BERLIN. (hpd) Am 4. Juni 2016 verstarb der ehemalige Boxweltmeister Muhammad Ali im Alter von 74 Jahren. Er litt, wie es heißt, seit Jahrzehnten an einer fortschreitenden neurogenerativen Erkrankung.
Mit Schaudern erinnere ich mich an die Eröffnungsfeier der XXX. Olympischen Spiele 2012 in London, zu der Muhammad Ali, der einstmals "Größte", als Ehrengast geladen war. Ali, der seiner Erkrankung wegen augenscheinlich keine Ahnung hatte, wo er sich gerade befand, wurde vorgeführt wie ein Zirkusaffe: in weißem Frack taperte er am Arm seiner Frau Lonnie zur Olympischen Fahne, die an ihm vorbeigetragen wurde, um den geheiligten Wedel kurz zu berühren. Wow, welch ein "Gänsehautmoment für die 62.000 Zuschauer im Olympiastadion und geschätzte vier Milliarden am TV", wie die internationale Journaille jubilierte.
Nein, es war alles andere als Gänsehautfeeling, das sich da einstellte. Zumindest bei mir war das so. Ich empfand es einfach nur als pervers. So wie ich es schon pervers gefunden hatte, als das Internationale Olympische Komitee Muhammad Ali 1999 zum "Sportler des Jahrhunderts" kürte. Ali war allenfalls das "Sportopfer des Jahrhunderts": er litt nicht an der Parkinsonschen Krankheit, wie immer wieder behauptet wurde, vielmehr litt er am sogenannten "punch-drunk-syndrom", einer chronisch traumatischen Enzephalopathie als Folge der zahllosen Schläge gegen den Kopf, die er im Laufe seiner Karriere als Profiboxer bezogen hatte. Symptome dieser unter Medizinern als Dementia pugilistica bekannten neuronalen Dysfunktion sind fortschreitende Einschränkungen der Motorik, der Sprechfähigkeit und der Kognition. Die Schädigungen des Gehirns sind irreversibel.
Die Behauptung, Ali habe nicht an diesem unter Ex-Boxern weitverbreiteten Syndrom sondern "nur" an Parkinson gelitten, wurde wesentlich von Ehefrau Yolanda "Lonnie" Williams gestreut, die ein "Muhammad Ali Kulturzentrum" in Louisville/Kentucky betreibt und fleißig Spenden einsammelt. "Muhammad ist so überwältigt", flötete sie in alle Mikrophone, die ihm in den letzten Jahren hingehalten wurden, was wohl heißen sollte, er sei zu überwältigt, als dass er was sagen könne. Nein, er konnte nichts mehr sagen, weil sein zermatschtes Gehirn das nicht mehr zuließ.
Eine Tragödie, ja, zumal Ali gesellschaftspolitisch viel bewegte in den USA der 1960er und 70er Jahre, aber keine, die vom Himmel gefallen war, sondern das Ergebnis darstellte – auch wenn das offiziell immer abgestritten wurde und bis heute abgestritten wird – seiner Kämpfe im Boxring.
In wenigen Wochen wird das Olympische Boxturnier von Rio de Janeiro beginnen, bei dem sich junge Männer – seit den Spielen von London auch Frauen – gegenseitig auf die Glocke hauen. Ein paar davon werden mit Medaillen dekoriert nach Hause fahren, was sie aber nicht dagegen feit, eines Tages genauso im Rollstuhl zu sitzen, wie der ehedem "Größte", der, anstatt posthum als Vorbild der Jugend verehrt zu werden, ein Mahnmal sein sollte für den Irrwitz dieser als Sport kaschierten potentiellen Totschlägerei.
11 Kommentare
Kommentare
Wolfgang Brosche am Permanenter Link
100 Prozent Zustimmung - Mein Vater, der ab 1940 als Schüler in der Schule Boxen mußte und nach dem Krieg Jahre als Amateur boxte, war von diesem Sport begeistert, weil er - wie er sagte und damit auf die Lügen der N
Er hat dann jahrelang versucht, ich auch dafür zu begeistern...aber offensichtlich war ich als Kind bereits so schlau, das Boxen als das zu sehen, was es ist: brutal, verletzend, faschistisch - das Ausschalten eines anderen Menschen... Erst in spätere Jahren, gerade als er den traurigen Zustand, seines einst bewunderten Muhammad Ali sah - begann er umzudenken und sagte bedauernd, es sei wohl nicht die propagierte Krankheit, sondern das Boxen selbst, die den einst so vitalen Mann zerstört habe.
Gott sei Dank war mein alter Herr "nur" Amateur - und so ist er wohl u Folgeschäden herumgekommen.
David am Permanenter Link
"...das Boxen als das zu sehen, was es ist: brutal, verletzend, faschistisch - das Ausschalten eines anderen Menschen... "
Man kann beim Boxen oder jedem anderen Kampfsport sicher mit gewisser Argumentation ethische Bedenken anmelden. Aber sie als "faschistisch" zu beschreiben, ist dann doch ziemlich daneben.
W. Herzog am Permanenter Link
Erstaunlich!?
Der Autor weiß genau, dass Ali nicht an Parkinson litt.
Einen wissenschaftlichen Nachweis dafür findet man im WWW nicht.
Letztendlich ist das auch nicht spielentscheidend, der Autor wollte nur seine Antipathie dem Boxen gegenüber zum Ausdruck bringen.
Mich überzeugt er nicht.
Ja, ich mag Boxen...und ich würde wetten, hier gibt's noch den ein oder anderen Fan.
J. Wendt am Permanenter Link
In diesem Artikel wird nur eines deutlich, und zwar die starke Abneigung gegen das Boxen und vermutlich gegen jeglichen Kampfsport an sich.
Wenn hier schon Behauptungen aufgestellt werden, die andere Menschen schwer belasten, wären Beweise angebracht.
Ich selbst habe übrigens in 17 Jahren viele Kämpfe als Amateurboxer absolviert und mein Hirn hat nachweislich keine Schäden davongetragen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ein sehr guter Beitrag.
Das Kernproblem - und das zeigt sich gerade beim Boxen besonders deutlich - ist, das noch immer in unseren Genen dieser Instinkt des sich-körperlich-Messens verankert ist. Ob wir es selbst tun oder unseren Stellvertretern in der Sportarena begeistert zujubeln - oder sie verfluchen, je nach Erfolg - ist fast nebensächlich. Auch die PC-Spiel-begeisterte Jugend, die kaum erwarten kann, bis ein neues "Spiel" mit noch martialischeren Waffen und noch realistischerem Blutspritzen auf den Markt kommt, beteiligt sich an dieser Spirale der Verrohung - was hin und wieder im Suff an realen Köpfen auf dem Boden liegender Opfer "trainiert" wird.
Sport und Spiel sollten eigentlich zivilisatorisch erträgliche Kanäle für diesen ewigen Konkurrenzkampf bieten. Doch die modernen Möglichkeiten (Medizin und Technik) sowie der daraus entstehende mediale Druck, haben Sport und Spiel längst pervertiert. Auch ausschließlich konsumierte audiovisuelle Medien verrohen in ihrer Darstellung immer mehr, weil angeblich ein Film in piano statt forte XXL als langweilig empfunden wird.
Mir macht diese Entwicklung Sorge, weil Hemmschwellen gesenkt werden, z.B. sein eigenes Leben für ein Sportevent oder eine Challenge zu riskieren. No risk no fun!
Wie sollte man damit umgehen? Die Sportler unterschreiben lassen, welchem Risiko sie sich aussetzen und dann darauf vertrauen, dass sie volljährig sind?
Und was ist mit deren Vorbildfunktion? Was, wenn Kinder und Jugendliche den Irrsinn nachahmen - sich selbst durch YouTube-Filmchen anstachelnd? Wie war das bei einer bescheuerten "Ice bucket-challenge", einem Trendirrsinn erster Güte, bei dem eine Baggerschaufel (es kann ja nicht bekloppt und groß genug sein) sechs Menschen unter sich begrub? Hauptsache auffallen, Hauptsache für einen Tag weltberühmt sein.
Ich hoffe wirklich, dass irgendjemand den Schalter findet und dieser diese Überhitzung aus dem Karussell des Wahnsinns herausnimmt. Noch wird das Ganze von allen Medien gehypt, weil man nicht nur mit Katzenvideos Quote machen kann. Keine Idee ist bescheuert genug, um nicht noch ein bisschen aufzufallen.
Alis Schicksal könnte eine Warnung sein, doch solange solche Ikonen wie Heilige verehrt und medial in den Himmel gehoben werden, so fürchte ich, entsteht dadurch kein Abschreckungseffekt.
Maria Funda am Permanenter Link
Dieser Artikel hilft mir, einen sicheren Standpunkt gegenüber dem Boxsport zu finden: Boxen ist generell abzulehnen.
Das "faschistisch" würde ich nicht benutzen, vielleicht "faschistoid". Boxen ist ja nicht unmittelbar mit Rassismus in Zusammenhang zu sehen.
Kay Krause am Permanenter Link
Das sollte doch für uns "Volk"wieder ein Grund sein, nicht alles unkritisch zu inhalieren, was uns täglich serviert wird.
pavlovic am Permanenter Link
Ja, tatsächlich könnte man, wenn man es knapp formulieren möchte in unserer Gesellschaft sagen: "Gewalt o.k., Sex nicht", das ist religiösen Ursprungs.
E. Mete am Permanenter Link
Was sagt der Autor zu den vielen anderen Boxern, die nach ihrer Karriere noch bis ins hohe Alter vital waren? Was ist mit Foreman, Schmeling und vielen anderen? Was ist mit den Klitschko Brüdern?
Antipathie gegenüber dem Boxsport akzeptiere ich, aber dabei den Tod Ali's als Grundlage zu nutzen, ist nicht gerade die feine Art. Was hat der Autor denn erreicht, was nur in die Nähe der Leistungen eines Muhammad Ali heranreicht? Schon mal die Gelegenheit gehabt, mit Ali Zeit zu verbringen, um nur eine kleine Idee seiner Gedanken mitzubekommen? Ali war mehr als ein Boxer. Viel mehr. Und er wird immer eine Motivation für diejenigen bleiben, die sich ungerecht behandelt fühlen. Möge er in Frieden ruhen.
Herbert am Permanenter Link
Ich finde es bedauernswert, dass hier der Tod eines großen Mannes dazu genutzt wird, den Boxsport zu diskreditieren.
Muhammad Ali war viel mehr als nur ein "Schläger" - und selbst wenn seine Erkrankung auf seinen Sport zurückzuführen wäre - das allein ist kein Grund, sein politisches Wirken minder zu werten.
Boxen ist sicherlich kein Sport, den jeder mag. Viele sehen ihn so wie der Autor: als brutal und unsinnig. Doch ein guter Boxer lernt zuerst das Verteidigen. Und Boxer wie Henry Maske oder auch Sven Ottke sind vor allem als hervorragende Taktiker und Verteidiger bekannt geworden.
Leider kommt es - wie bei vielen anderen Sportarten auch - im Profi-Sport auch zu negativen Auswüchsen... Die Olympiade da anzubringen passt nicht recht: da kämpfen Amateure (mit Kopfschutz) - die Profis könnten zwar, halten sich aber fern (um ihre Profilizenzen nicht zu gefährden).
Wenn man wirklich jeden Sport, der aus kriegerischen Gründen entstand, verbieten würde, wäre nicht mehr viel los bei Olympia... Weder Fechten, Ringen, Speerwerfen, Diskuswerfen oder gar ein Marathonlauf wären denkbar.
Nein, andersherum wird ein Schuh draus: Sport hat einen fairen Wettkampf aus kriegerischen Aktivitäten gemacht.
Kilian am Permanenter Link
Bei einem K.O.-Schlag gegen das Kinn (Beschleunigung der Hirnmasse auf mehr als 8,5m/sec.) wird der Kopf heftig nach hinten geschleudert und im Atlas scharf abgebremst, wodurch die Hirnmasse gegen das Hinterhauptbein
Jeder K.O-Schlag bedeutet das Absterben lebenswichtiger Gehirnzellen. Selbst eine Folge relativ leichter Schläge gegen den Kopf über einen längeren Zeitraum hinweg kann sich zu massiven Hirnschädigungen akkumulieren.
Angesichts der enormen Gesundheitsrisiken des Boxens hat die Vereinigung britischer Ärzte "Royal College of Physicians" schon 1982(!) ein sofortiges Verbot dieses Kampfsports gefordert. Mit der Begründung, dass allein im Commonwealth seit 1945 in 337 bekanntgewordenen Fällen Boxer unmittelbar an den Folgen eines K.O.-Niederschlages gestorben waren. Eine weit größere Anzahl an Boxern war erblindet oder hatte sonstige schwere Gesundheitsschäden erlitten.
Der britische Neurologe N.Corselleis hat die Gehirne von 15 ehemaligen Boxern post mortem untersucht. Er fang kein Gehirn, bei dem nicht wichtiges Gewebe zerstört war. Bei 12 der 15 Fälle war die Scheidewand zwischen den beiden Hirnhälften eingerissen, die Ursache dafür, dass bei diesen Boxern zu Lebzeiten schwere neurologische Ausfälle und Persönlichkeitsstörungen - siehe Muhammad Ali - aufgetreten waren.
Boxer selbst schätzen die Risiken ihres "Sports" viel zu gering ein. Boxen müsste gesellschaftlich geächtet und gesetzlich verboten werden.