Am 5. Mai findet an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine juristische Fachtagung zum Thema "Genitalautonomie und Kinderschutz" statt. Anlass ist der 10. Jahrestag des "Kölner Beschneidungsurteils". Die Teilnahme ist vor Ort und online möglich.
Am 7. Mai 2012 bewertete das Kölner Landgericht eine nicht medizinisch indizierte Vorhautentfernung an einem Jungen als Körperverletzungsunrecht. Um solche Auslegungen des Rechtes des Kindes auf gewaltfreie Erziehung zukünftig zu erschweren, erlaubte der Gesetzgeber wenige Monate später derartige Eingriffe explizit im Recht der elterlichen Personensorge.
Auf politischen und medialen Plattformen ist seitdem die inhaltliche Auseinandersetzung über die Jungenbeschneidung weitgehend verstummt. Trotz relevanter Komplikationsraten und Verfahrenseinstellungen bei gravierenden Fällen scheint eine an sich übliche und seinerzeit von Mitgliedern des Deutschen Ethikrats angemahnte politische Evaluation der Beschneidungspraxis bisher nicht angestrebt. Auch auf institutioneller Ebene trifft man nur vereinzelt auf Spuren einer Beschäftigung mit diesem Thema.
Die von den Strafrechtsprofessoren Prof. Dr. iur. Dr. med. Hauke Brettel und Prof. Dr. iur Jörg Scheinfeld initiierte und von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Forensik veranstaltete juristische Fachtagung gibt die Gelegenheit, nach 10 Jahren zurückschauend das "Kölner Beschneidungsurteil" zu diskutieren sowie die Genitalautonomie von Kindern interdisziplinär zu untersuchen, sie in den Kontext anderer Debatten zu stellen und den aktuellen Forschungsstand zu erläutern.
Themen und Referent*innen:
- "1631d BGB als Reaktion auf das 'Kölner Urteil'"
Marlene Rupprecht, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion von 1996 bis 2013; seinerzeit Kinderbeauftragte und Mitglied der Kinderkommission des Deutschen Bundestages. - "Medizinische Aspekte der Jungenbeschneidung"
Dr. Frank-Mattias Schäfer, FEAPU Oberarzt, Kinderchirurgie und Kinderurologie, Cnopfsche Kinderklinik, Nürnberg. - "Beschneidung im Kindesalter – ein Erfahrungsbericht"
Florian Porsch / RA Christian Roßmüller, Betroffener, der gegen Operateur und Klinik auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geklagt hat und sein Prozessvertreter vor dem OLG Düsseldorf. - "Der Diskurs über das Kölner Urteil aus der Perspektive von Kinderrechten und Kinderschutz"
Prof. Dr. Sabine Andresen, Frühere Vorsitzende "Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs", Pädagogin mit Schwerpunkt Familienforschung, Goethe Universität Frankfurt a.M. - "Beschneidung bei Jungen – was weiß man über psychische Folgen?"
Prof. Dr. Michael Kölch, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter Universitätsmedizin Rostock; Präsident Deutsche Gesellschaft für Kinder-und Jugendpsychiatrie. - "Säuglingsbeschneidung – persönliche Einsichten"
Eldad Stobezki, Linguist und Literaturwissenschaftler; Experte der israelischen Literaturszene und für Literatur, die sich weltweit mit jüdischen Themen auseinandersetzt. - "Der 8. Tag: Die Jungenbeschneidung aus jüdischer Perspektive"
Dr. Hanna Rheinz, Publizistin, Psychologin, ehemalige Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben. - "Zur Jungenbeschneidung im Islam"
Dr. Lale Akgün, Dipl.-Psychologin; Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion 2002-2009; Mitglied des Sprecher:innenkreises "Säkulare Sozialdemokrat_innen für säkulare Religions-und Weltanschauungspolitik"; Gründungsmitglied des Netzwerks "Säkularer Islam". - "Knabenbeschneidung im Recht"
Prof. Dr. Christoph Mandla, apl. Professor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg u. a. für Medizinrecht; Dozent für Strafrecht und Strafprozessrecht an der JGU Mainz.
Die Tagung findet statt am Donnerstag, 5. Mai 2022, von 09.00 bis 18.00 Uhr im Atrium Maximum im Alten Mensa-Gebäude der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Johann-Joachim-Becher-Weg 5, 55128 Mainz). Die Teilnahmegebühr beträgt 50 €, bei Online-Teilnahme 20 €. Anmeldung unter: Sekretariat-Scheinfeld@uni-mainz.de