Die beiden Diskursanalytiker Romy Jaster und David Lanius gehen in "Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen" dem gemeinten Phänomen definitorisch wie wirkungsbezogen nach. Dabei ist ein informativer Band in aufklärerischer Absicht entstanden, wenngleich die Definition nicht so trennscharf wie gemeint ist.
Die Bezeichnung "Fake News" hat im politischen Diskurs der letzten Jahre gewissermaßen Karriere gemacht. Dabei kam Donald Trump besondere Bedeutung im doppelten Sinne zu: Einerseits verbreitete er falsche Behauptungen über die Medien, andererseits bezeichnete er Kritik an ihm als "Fake News". Aber auch in Deutschland oder Großbritannien gab es viele ähnliche Phänomene. Doch was ist überhaupt mit "Fake News" gemeint? Handelt es sich um ein bloßes Schlagwort? Und wie unterscheidet sich das Gemeinte von ähnlichen Phänomenen? Auf diese Fragen wollen Romy Jaster und David Lanius in ihrem kleinen Büchlein "Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen" eingehen. Die erstgenannte Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Theoretische Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin, Lanius ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am DebateLab des Karlsruher Instituts für Technologie. Gemeinsam betreiben sie den Think Tank Forum für Streitkultur, wo der politische Diskurs analysiert und verbessert werden soll.
Im erwähnten Buch geht es zunächst um ein paar Beispiele für das Gemeinte, wozu die Brexit-Kampagne ebenso wie der Wahlerfolg von Donald Trump gehören. Es wird aber auch an Fälle in Europa erinnert, sei dies die Kampagne zum angeblich homosexuellen Privatleben von Emmanuel Macron oder zu dem konstruierten Fall "Lisa" als vorgebliches Flüchtlingsopfer. Doch was meint eigentlich "Fake News" und warum sind sie problematisch? Als Antwort auf die Frage wird formuliert: "Erstens sind sie entweder falsch oder irreführend. Und zweitens verfolgen ihre Verfasser entweder eine Täuschungsabsicht oder sind der Wahrheit der Behauptungen gegenüber gleichgültig. Fake News weisen also zwei entscheidende Mängel auf. Der erste ist ein Mangel an Wahrheit (A): Fake News zeichnen ein unwahres Bild der Wirklichkeit. Der zweite ist ein Mangel an Wahrhaftigkeit (B): Fake News werden von Menschen verbreitet, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen" (S. 32). Beide Aspekte stehen für die Autoren für eine Checkliste.
Worin sich das Gemeinte dann von Irrtümern oder Parodie, Propaganda oder Verschwörungstheorien unterscheidet, steht danach im Zentrum. Deutlich wird durch das ganze Buch hindurch, dass es nicht um ein historisch neues Phänomen geht. Die Digitalisierung durch die sozialen Medien habe aber zu größerer Verbreitung geführt. Dass die gemeinten Behauptungen auf so großen Glauben stoßen, führen Jaster und Lanius dann auf verschiedene Prägungen des menschlichen Wahrnehmungsvermögens zurück. Da fallen als Begriffe "Echokammern" und "Gruppenpolarisation", "Informationskaskaden" und "Konformitätskaskaden". Dass mit all dem auch gezielt Politik gemacht wird, steht danach im Mittelpunkt des Interesses. Hier wie in anderen Kontexten wird sowohl mit historischen wie aktuellen Beispielen gearbeitet, um das Gemeinte anschaulich zu vermitteln. Gegen Ende geht es noch um praktische Konsequenzen: Wie erkennt man Fake News und welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, wobei auch hier jeweils eine Checkliste präsentiert wird.
Das kleine Büchlein von knapp über 100 Seiten liefert einen informativen Überblick zum Thema. Darin wechseln sich abstrakte Betrachtungen mit konkreten Fallbespielen ab, was sowohl den Lesefluss wie das Verständnis erhöht. Die Autoren referieren auch jeweils den Forschungsstand zu einzelnen Themen. Dabei geht es um den klassischen Konformitätstest von Solomon Asch ebenso wie um die Bundestagswahl von 2017. Insgesamt hat man es mit einem durchaus lehrreichen und gut strukturierten Text zu tun. Wer nach einer Einführung ins Thema sucht, ist hier gut beraten. Auch und gerade die Bespiele zu Deutschland dürften dabei besonderes Interesse finden. Ob die präsentierte Definition von "Fake News" aber wirklich so trennscharf ist, wie Jaster und Lanius nahelegen, darf dann doch etwas bezweifelt werden. Sie selbst betonen die Schnittmengen, welche mit ähnlichen Phänomenen bestehen. Aber unabhängig von diesem Aspekt sensibilisieren sie die Leser, um bei kursierenden Behauptungen die inhaltliche Skepsis nicht zu verlieren. Angesichts der Ausbreitung von Fake News gerade über das Internet ist dies mehr als nur geboten.
Romy Jaster/David Lanius, Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen, Ditzingen 2018 (Reclam), 127 S., ISBN: 978-3-15-019608-3, 6,00 Euro
1 Kommentar
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Naja, Fake News sind wirklich keine neue Erfindung.
Die Behauptung, es gäbe einen Gott, wird schließlich seit Jahrtausenden von Leuten verbreitet, die es mit der Wahrheit erfahrungsgemäß nicht so genau nehmen.
Und wozu dient diese alte Fake News?
Dazu, naive Menschen für dumm zu verkaufen und auszubeuten.
Was soll also die ganze Aufregung? Alles Schnee von gestern.