Paragraph 219a ist Geschichte

"Frauen sollten entscheiden können, was sie wollen"

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Dr. med. Christiane Tennhardt
Dr. med. Christiane Tennhardt

Nach jahrelangen Debatten, gesellschaftlichen Forderungen und Instrumentalisierung durch Abtreibungsgegner*innen hat der Bundestag heute entschieden, den umstrittenen Paragraphen 219a aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, der Werbung für aber auch Information über den Schwangerschaftsabbruch für durchführende Ärzt*innen zur kriminellen Handlung machte. Ein Meilenstein oder nur eine erste Etappe? Der hpd hat mit Christiane Tennhardt aus dem Vorstand von Doctors for Choice Germany darüber gesprochen.

hpd: Frau Dr. Tennhardt, Paragraph 219a ist Geschichte. Sie und viele andere – nicht zuletzt natürlich Kristina Hänel – hatten sich seit Jahren für seine Abschaffung eingesetzt. Was bedeutet dieser Tag für Sie?

Christiane Tennhardt: Also erst mal natürlich große Freude und es gibt ja auch ein kleines Fest, zumindest hier in Berlin. Kristina Hänel wird hier eine Lesung aus ihrem Buch haben und danach wird eine kleine Feier gemacht vor dem taz-Café; es freut uns, aber es ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Auch wenn Ärzte und Ärztinnen künftig über Schwangerschaftsabbrüche informieren können ohne Gefahr laufen zu müssen, damit eine Anzeige zu riskieren, bestehen andere Probleme fort. Welche sind das?

Zum einen Paragraph 218, der nach wie vor im Strafgesetzbuch steht und den Schwangerschaftsabbruch generell kriminalisiert. Wir brauchen ihn nicht. Der ist so unnötig wie ein Kropf. Also ein Gesetz, das den Schwangerschaftsabbruch, also die Entscheidung einer Frau, regeln soll. Es wird immer mit dem Schutz des ungeborenen Lebens argumentiert. Natürlich geht es um Leben, das negiere ich gar nicht. Aber das Leben kann ich nicht von der schwangeren Frau trennen. Das gäbe es ohne sie nicht und das wird es auch nicht geben ohne diese Frau. Das heißt: sie entscheidet darüber, das ist zumindest meine Haltung.

Gesetze verhindern keine Abbrüche und damit schützen sie auch nicht das Ungeborene. Wir können ganz viele Beispiele aus der Geschichte und leider auch aus der Gegenwart nehmen. Sei es Rumänien oder die Zahlen aus den USA seit 1973. Seit der Supreme Court damals entschieden hat, dass Schwangerschaftsabbrüche rechtlich möglich sind, sinken die Zahlen der toten Frauen nach einem unsicheren Abbruch. Und das ist das wichtige. Wenn wir den Schwangerschaftsabbruch schwermachen, wenn wir ihn verbieten, dann werden wir mehr Komplikationen haben und in Ländern, wo das eben sehr schwierig ist, weil es streng verboten ist, da bezahlen die Frauen mit ihrer Gesundheit und zum Teil mit ihrem Leben. Und selbst wenn es keine medizinisch unsicheren Abtreibungen sind, sondern sie "nur" illegal sind, heißt das, die Betroffenen haben viel mehr Stress, sie müssen es geheim halten, sie müssen es illegal möglich machen und bezahlen. Studien beweisen, dass dies zu einer schlechteren psychischen Verarbeitung führt. Also, je mehr Steine wir den Frauen in den Weg legen, umso schwieriger wird es für sie, gut da durchzukommen. Leben wird durch Gesetze nicht geschützt.

Selbst 1981, als hier im Bundestag die große Debatte war, gab es einen Ausschuss, in dem gesagt wurde, wir können Gesetze machen, wie wir wollen, wir werden Frauen nicht davon abhalten, Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen. Auch in Polen, mit sehr strengen Gesetzen, schätzt man ungefähr 150.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr. Die haben nur die Hälfte der Einwohner der Bundesrepublik, und hierzulande werden etwa 100.000 Abbrüche jährlich gemeldet.

Vergangene Woche ging die Meldung durch die Presse, dass die Zahl der Abtreibungen in Deutschland gestiegen ist. Was hat das zu bedeuten?

Im ersten Quartal gibt es immer mehr Abbrüche als im Rest des Jahres. Das sind die Schwangerschaften, die um Weihnachten entstanden sind, neun Monate später gibt es mehr Geburten, das wiederholt sich jedes Jahr. Ich würde erst einmal abwarten, es könnte sein, dass der Ukraine-Krieg, die Preisanstiege, die allgemein "gefühlte" Verunsicherung dazu beigetragen haben, dass sich mehr Frauen gegen das Austragen der Schwangerschaft entschieden haben. Aber ein paar Prozent rauf oder runter, das wiederholt sich auch seit Jahren. Letztes Jahr sind die Zahlen leicht abgefallen.

Die Ampel will eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs prüfen. Erhoffen Sie sich davon eine grundlegende Änderung?

Als allererstes muss ein Schwangerschaftsabbruch weder im Strafgesetzbuch noch in sonst irgendeinem Gesetz geregelt werden. Das beste Beispiel ist Kanada: seit 1988 haben die keinerlei Gesetzgebung dazu und die Zahl der Abbrüche nimmt ab. Das wird über ärztliche Vorgaben geregelt, aber nicht über das Gesetzbuch. Der Oberste Richter in Kanada hat mehr oder weniger wörtlich – jetzt mit meinen Worten – gesagt: "Das Gesetzbuch hat im Bauch einer Frau nichts zu suchen."

Dann zu Ihrer Frage – ich hatte den Eindruck: "Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann bilde ich einen Arbeitskreis." Die Koalition hatte sich darauf geeinigt, zu allen heißen Eisen – die Eizellenspende, die Leihmutterschaft und Paragraph 218 – Kommissionen zu gründen, die diese Themen überprüfen sollen. Diese Vereinbarung ist mit 1.000 Siegeln versehen, weil keiner weiß: Wann wird die Kommission gegründet? Wer gründet die Kommission? Wer darf daran teilnehmen? Sollen dabei Gesetzesempfehlungen herauskommen? Wie lange darf die Kommission tagen? Sollen die kurz vor der nächsten Wahl dann fertig sein, damit man sagen kann, ja, das soll dann die nächste Bundesregierung machen? Es ist so unkonkret. Es hat sich auch noch überhaupt nichts getan, um diese Kommissionen in irgendeiner Form ins Leben zu rufen. Ich will niemandem etwas Schlechtes unterstellen und bin froh, dass es im Koalitionsvertrag steht. Aber dann muss man es halt auch mit Leben füllen und konkret werden.

"Gesetze verhindern keine Abbrüche und damit schützen sie auch nicht das Ungeborene."

Abgesehen von der nach wie vor bestehenden Kriminalisierung, welche anderen Probleme gibt es?

Es gibt im Gesetzbuch einen klaren Schlüssel für die Zahl der Berater*innen, und jede Frau muss vor einem Abbruch ja eine solche Beratung machen: Bei soundso vielen Frauen muss das Bundesland soundso viele Berater*innen zur Verfügung stellen. Aber bei den Ärzt*innen ist das so "wischiwaschi" formuliert. Da steht im Gesetzbuch einfach nur, es muss ein ausreichendes Angebot zur Verfügung gestellt werden. Außerdem gibt es gesetzliche Auslegungen, die sagen, es muss die Möglichkeit bestehen, dass die Betroffene innerhalb eines Tages zu der Stelle, die den Schwangerschaftsabbruch macht, hin- und wieder nach Hause kommen kann. Ich habe eine Zeit lang in München gearbeitet. Die Frauen mussten zum Teil um 2 Uhr morgens losfahren, um dann morgens pünktlich in der Münchner Klinik zur OP da zu sein. Natürlich waren sie abends wieder zu Hause, aber zum Teil 150 bis 200 Kilometer unterwegs.

Ich bin Teil eines Ärzte-Teams, das den telemedizinischen Schwangerschaftsabbruch anbietet und die meisten Anfragen kommen aus Bayern. Und wenn wir die Frauen fragen: "Wo wäre denn die nächste Möglichkeit?", da sind wir immer bei um die 100 Kilometer. Und dann auch nur operativ. Das heißt, die Frauen können nicht wählen: möchte ich lieber einen medikamentösen Abbruch oder einen operativen? Es ist ja nicht nur die Versorgung, dass es einen Anbieter oder eine Anbieterin gibt, sondern auch, dass die Methode gewählt werden kann. Oder dass sich eine Frau vielleicht entscheiden kann: ich möchte nicht zu einem Mann, ich möchte zu einer Frau, oder umgekehrt.

Auch die Art der Narkose können sie meist nicht wählen: will ich eine Vollnarkose oder eine lokale Betäubung? Die lokale Betäubung wird in der Bundesrepublik nirgendwo gelehrt. Es gibt ganz wenige Ärzt*innen, die das können. Ich hatte das Glück, das mal von jemandem beigebracht bekommen zu haben. In den neuen Bundesländern, also der ehemaligen DDR, gibt es auch noch Ärzt*innen, die das gelernt und auch angewendet haben. Aber die sind jetzt auch schon älter oder gehen auf die Rente zu. Ich finde, die Frauen sollten entscheiden können, was sie wollen und wir Ärzt*innen sollten alles lernen, was notwendig ist.

Dr. med. Christiane Tennhardt ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und praktiziert in Berlin. Sie studierte Medizin in Mittelamerika und war in Afrika und Südamerika für Ärzte ohne Grenzen tätig. Sie war leitende Gynäkologin im Familienplanungs­zentrum "BALANCE", seit diesem Jahr engagiert sie sich im Vorstand von Doctors for Choice Germany. 2015 rief sie zusammen mit den Ärztinnen pro Choice Berlin und den Medical Students for Choice Berlin die "Papaya-Kurse" ins Leben, in denen Medizinstudierenden der operative Schwangerschaftsabbruch beigebracht wird.

Gibt es denn Fortschritte bei der Anwendung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs? Doctors for Choice Germany hatten bei ihrer Gründung damals kritisiert, dass in Deutschland der medikamentöse Abbruch viel zu wenig zur Anwendung kommt.

Wir sind jetzt bei circa 30 Prozent bundesweit. Berlin ist endlich da angekommen, wo es für mich okay ist, bei über 50 Prozent. Der medikamentöse Abbruch ist sicher. Es gibt ausreichend Studien und langjährige Erfahrungen in vielen Ländern, in denen er einen Anteil von 70 bis 80 Prozent hat. Drei Möglichkeiten ihn durchzuführen gibt es:

Ich gehe in die Praxis, nehme das erste Medikament vor der Ärztin ein und komme nach zwei Tagen wieder und verbringe dort ein paar Stunden, bis die Blutung anfängt. Möglichkeit eins. Möglichkeit zwei: Ich nehme das Medikament vor der Ärztin ein und zwei Tage später mache ich alles zu Hause, der sogenannte "home use". Möglichkeit drei: Vollkommen telemedizinisch. Das heißt, die Schwangere macht einen Termin per Telemedizin und wird dort beraten und kriegt dann die Medikamente zugeschickt.

In Großbritannien hat die Regierung mit Beginn der Pandemie sofort gesehen, dass es ein Problem gibt. Die Schwangeren sitzen zu Hause, sie haben die Kinder zu betreuen, man sollte nicht reisen. Dort wurde dann sofort der telemedizinisch betreute Schwangerschaftsabbruch zugelassen und wissenschaftlich begleitet. Ungefähr 29.000 Schwangere wurden telemedizinisch betreut, 20.000 normal. Die Auswertung zeigte, dass es keine erhöhten Komplikationen gab, ganz im Gegenteil, die Frauen waren super zufrieden, dass sie das alles zu Hause machen konnten. Natürlich gibt es eine Hotline, wo die Betroffenen anrufen können, wenn es irgendein Problem gibt.

Inwieweit ist der Schwangerschaftsabbruch zu Hause denn im Rahmen der momentanen gesetzlichen Situation in Deutschland anwendbar?

Beim telemedizinischen Schwangerschaftsabbruch sind wir sehr vorsichtig, weil das ein Versuchsprojekt ist. Aber auch wegen Menschen, die es sich zum Hobby gemacht haben, Leute anzuzeigen, müssen wir sehr aufpassen. Trotzdem machen wir nichts Illegales, wir halten uns an die Gesetzgebung. Wir verlangen ein Ultraschallbild der Schwangerschaft, gemacht durch die betreuende Gynäkologin, möglichst mit Überweisung. Die Schwangeren müssen leider (aufgrund der gesetzlichen Auflagen) viele Auf- und Erklärungen ausfüllen, unterschreiben und für uns hochladen. Dann kommen die persönlichen Gespräche zwischen Betroffener und der Ärztin am Computer. Erst dann bekommen die Patientinnen die Medikamente zugeschickt. Wir können ja kein Rezept für die örtliche Apotheke ausstellen. Das geht hier in Deutschland nicht. Für Medikamente zum Abbruch gibt es ein eigenes Gesetz. Das geht nur über die Ärzt*innen. Der "home use" und der telemedizinische Abbruch sind zwar nicht verboten, aber beide gibt es als ärztliche Leistung in vielen Bundesländern nicht. Das interessiert aber niemanden – weder von den Ärztekammern, dem Berufsverband der Frauenärzte, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe noch vom Gesundheitsministerium bekommen wir Unterstützung.

Ist der Schwangerschaftsabbruch noch immer ein Stigma?

Die Stigmatisierung hat sogar zugenommen. Auch dadurch, dass es jetzt diese ganze Anzeigenwelle gab, haben auch sehr viel mehr Menschen Angst, darüber zu reden beziehungsweise viele Kolleg*innen überlegen es sich, Abbrüche – weiterhin – anzubieten. Wir haben schon so eine Art Rollback. Es gab eine Studie der EU von 2016, da wurde in verschiedenen Ländern gefragt: "Würden Sie den Schwangerschaftsabbruch als Entscheidung der Frau befürworten?" Damals gab es schon wenige Länder mit mehr als 50 Prozent Befürwortern, das hätte ich anders erwartet. Schweden mit über 80 Prozent war noch am besten dran. Ich wüsste nicht, wie die Befragung heute ausfallen würde, da ist – meiner Meinung nach – was passiert.

"Die Stigmatisierung hat sogar zugenommen. (...) Wir haben schon so eine Art Rollback."

Besteht die Stigmatisierung nur gegenüber den Frauen, die Abbrüche vornehmen beziehungsweise vorgenommen haben, oder auch gegenüber Ärzt*innen?

Beide sind betroffen. Hier in Berlin haben wir nicht das große Problem, aber ich habe mit einer Kollegin in Bayern auf dem Land gesprochen und die sagt: "Klar würde ich Abbrüche machen, aber dann könnte ich den Laden hier dichtmachen. Das ist eine Kleinstadt, wir sind zwei Gynäkologinnen." Und sie sagt, selbst wenn sie es anbieten würde, die Betroffenen würden gar nicht kommen, weil sie Angst haben, dass das rauskommt. Das ist vielleicht in den neuen Bundesländern noch anders, da ist man das anders aus der DDR-Zeit gewöhnt.

Was muss jetzt passieren? Was wünschen Sie sich von der Politik?

Der Schwangerschaftsabbruch ist nach wie vor keine Kassenleistung. Zwar gibt es bei circa 70 Prozent der Abtreibungen eine Kostenübernahme, aber das zahlt nicht die Krankenkasse. Die Kassen verwalten das nur, weil sie einen Einblick haben, wie viel die Betroffenen verdienen. Zahlen tut das Bundesland, in dem die Frauen gemeldet sind. Und jedes Bundesland zahlt anders. Sie kriegen in Bayern und Hamburg relativ viel. Wir in Berlin liegen so im Mittelbereich. Es gibt aber auch Bundesländer, wo man relativ wenig Geld dafür bekommt. Eine Ausnahme besteht, wenn Sie vergewaltigt worden sind oder wenn es eine medizinische Indikation gibt, nur dann bekommen Sie es von der Krankenkasse bezahlt. Das muss sich ändern: Der Schwangerschaftsabbruch sollte auch im Beratungsfall eine Kassenleistung sein.

Dann die Gehsteigbelästigungen vor den Beratungsstellen beziehungsweise Kliniken, die Abbrüche durchführen. Es gibt Länder, zum Beispiel Frankreich, die haben das eindeutig geregelt, da gibt es eine Bannmeile um die Kliniken, und da darf dann sowas nicht stattfinden. Das heißt dann: "Ihr könnt euer Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben, aber dann zwei Straßen weiter." Das könnte in allen Bundesländern einheitlich geregelt werden.

Darüber hinaus muss der Einfuhrstopp für Cytotec® aufgehoben werden. Dazu kam es aufgrund von Fehlern bei der Dosierung im Kreißsaal und den daraus folgenden Komplikationen. Aber man hat den Abbruch total vergessen. Es ist wunderbar für den medikamentösen Abbruch. Es ist ein gutes und kostengünstiges Medikament vor einem Eingriff an der Gebärmutter, um den Muttermund weich zu machen. Beim Schwangerschaftsabbruch, aber auch bei anderen Eingriffen. Und darüber hat man überhaupt nicht nachgedacht. Es gibt eine Alternative, die ist sehr viel teurer und mit sehr viel mehr organisatorischem Aufwand verbunden. Die Frauen müssen es selber zahlen oder es zahlt halt der Gesetzgeber. Diese Mehrausgaben finden wir unnötig.

Und zusätzlich gibt es dieses Sondervertriebsgesetz, das 1999 ins Leben gerufen worden ist. Alle Medikamente, die zum Schwangerschaftsabbruch dienen, laufen über den Sondervertriebsweg. Das heißt: ich kann Ihnen jetzt kein Rezept in die Hand drücken und Sie marschieren zur Apotheke und holen sich das. Erst muss ich mich bei einer Firma, die dieses Medikament vertreibt – und das ist nur eine einzige –, registrieren, ich muss die Medikamente bestellen, ich muss in Vorleistung gehen und muss jede Tablette registrieren, wem habe ich sie gegeben und wann. Dieses Sondervertriebsgesetz muss weg. Es gibt für kein anderes Medikament einen solchen Sondervertriebsweg.

Zusätzlich gibt es die unterschiedlichen Zulassungsbedingungen für Ärzte und Ärztinnen in jedem Bundesland. Es gibt Bundesländer, die haben überhaupt keine Vorschriften, wie Hessen beispielsweise, und dann gibt es wieder Länder wie Bayern, wo ich eine Zulassung zum ambulanten Operieren haben muss, egal welche Art von Abbruch ich mache. Das ist, wenn ich nur einen medikamentösen Abbruch mache, vollkommen unnötig. In manchen Bundesländern, so wie in Bayern, müssen Sie einen Kurs besuchen, bevor Sie Abbrüche machen dürfen, der ist teuer. In anderen Bundesländern weiß gar niemand, gibt es da Vorschriften oder nicht? Das müsste alles bundeseinheitlich vereinfacht, transparent und strukturiert werden.

Last not least ist der Abbruch kein verpflichtender Teil der Ausbildung. Viele Ausbildungsbeauftragte sehen das anders, für die ist alles in Ordnung. Seit einigen Jahren veranstalten wir auf besonderen Wunsch der Student*innen Papaya-Kurse. Die Student*innen sagen, dass es zwar eine Einheit gibt, in der es um die ethischen Problematiken zum Beispiel von Spätabbrüchen wegen Beeinträchtigungen des Kindes geht. Aber der Eingriff beziehungsweise der medikamentöse Abbruch selbst und die damit verbundene Problematik, die 100.000 Mal im Jahr gynäkologisch auftaucht – die wird nicht explizit gelehrt. Man macht mal eine Ausschabung, man macht mal eine Absaugung, ja, und das war es dann für die meisten. Außerdem gibt es viele Krankenhäuser, die keine Abbrüche nach Beratungsregelung machen. Der Chef sagt: wir machen das nicht, Punkt.

All das muss sich dringend ändern. Eine Haltung "es muss den Betroffenen so schwer wie möglich gemacht werden, einen Abbruch zu bekommen" ist frauenfeindlich, rettet kein Leben, macht aber mehr Stress.

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