Genitale Selbstbestimmung

Frauenunion NRW fordert Aufklärungskampagne zur Beschneidung

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Landesdelegiertentag in Neuss, 2019
Landesdelegiertentag in Neuss, 2019

Ina Scharrenbach, Ministerin für Gleichstellung in NRW und Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Frauenunion, sagte kürzlich ein paar bedeutsame Sätze vor der Frauenunion in Neuss, die ihre Arbeit für Gleichstellung in NRW vorstellte. Sätze, die man auch auf Eingriffe in die genitale Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit, also Genitalbeschneidungen von Kindern anwenden könnte.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass Kinder Erwachsenen vertrauen können müssen. Es steht keinem Erwachsenen zu, Kindern die Zukunft zu nehmen."

"Wir wollen, dass unsere Kinder behütet und beschützt aufwachsen, sie sollen ihre Welt selbst entdecken können."

Tatsächlich hat die Frauenunion NRW gerade zwei Themenaspekte der "genitalen Selbstbestimmung", zwar nicht explizit unter diesem Titel, aber doch mit zwei diesbezüglichen Anträgen einstimmig verabschiedet und auch in einigen Parteien in NRW tut sich was in diesem Themenbereich.

Genitalbeschneidung ist eine Menschenrechtsverletzung, sie stellt einen Sorgerechtsmissbrauch dar und ist somit eine Erscheinungsform von Kindeswohlgefährdung - so die Essenz von aktuellen, recht ähnlich lautenden Anträgen von CDU, FDP und AFD, die diese am 12.2.19 zum Thema weibliche Genitalverstümmelung an die nordrhein-westfälische Landesregierung gerichtet haben.

Ziel, so der Antrag der nordrhein-westfälischen Regierungsfraktionen von CDU und FDP, ist "Verletzungen von Körper und Seele von Kindern, Mädchen und Frauen" entschieden entgegenzutreten. Gefordert wird unter anderem verstärkte Aufklärungsarbeit und die Durchführung regelmäßiger Evaluationen. Der nordrhein-westfälische Landtag hat daraufhin am 14. März 2019 beschlossen, zu diesem Thema eine Expertenanhörung durchzuführen, der am 3. Juni 2019 unter Beteiligung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales stattfinden soll.

Konkreter wurde am 16. März 2019 noch der Parteitag der Frauenunion NRW mit einem einstimmigen Beschluss: die Landesregierung NRW müsse ihre Präventions- und Sensibilisierungsarbeit zur weiblichen Genitalverstümmelung optimieren und unter anderem die kinderärztlichen Untersuchungen (U 5 – U 9) bei Mädchen verpflichtend auf die explizite Feststellung der Unversehrtheit ihrer Genitalien auszuweiten. Bei vorliegender Verletzung sollten die Gesundheitsbehörden unterrichtet werden, so der Antrag, der in den jeweiligen Ausschüssen noch genauer ausgearbeitet werden soll.

In einem zweiten Antrag, der ebenfalls einstimmig angenommen wurde, fordern die nordrhein-westfälischen CDU-Frauen auf der Grundlage der im Dezember 2017 verabschiedeten neuen ärztlichen Leitlinie zur Vorhautverengung (Phimose) eine Aufklärungskampagne zu initiieren, die über die gesundheitlichen, medizinischen und psychischen Auswirkungen von Jungenbeschneidungen informiert. "Die Beschneidung von Jungen geschieht nach aktueller Forschung häufig zu voreilig und ohne Aufklärung der Eltern über mögliche Folgeschäden", so der Text des Antrags.

Laut neuer Phimoseleitlinie sei bei über 90 Prozent der Jungen eine medizinische Beschneidung nicht indiziert. Auch führe ihre Durchführung in nicht seltenen Fällen zu Nebenwirkungen. Genannt werden etwa Nachblutungen, Durchblutungsstörungen, Schrumpfungsprozesse, störende Vernarbungen, Harnröhrenverengungen und Traumatisierungen körperlicher und seelischer Natur.

"In der letzten Jahren hatten wir, wenn wir das Thema aufgegriffen haben, ganz schnell die jüdischen Gemeinden, die protestierten. Denen wollen wir natürlich nicht wehtun", erklärt Angela Frankenhauser, wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Arbeitsbereich Arbeit, Gesundheit, Soziales, Gleichstellung und Frauen der CDU-Landtagsfraktion. "Daher wollen wir jetzt erst mal die medizinische Basis zum Thema Phimose in den Fokus nehmen. Das ist kein Thema, das die Männer in der CDU wollen", verrät sie. "Deshalb müssen wir Frauen das jetzt aufgreifen."