Graue Wölfe – Rechtsextremismus mit Migrationshintergrund

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Der sogenannte "Wolfsgruß" – das Erkennungszeichen der Grauen Wölfe
Der sogenannte "Wolfsgruß"

Man könnte ein kleines Ratespiel anstellen: Was ist die in Deutschland zweitgrößte rechtsextremistische Bestrebung nach der AfD? Es sind die Grauen Wölfe mit einem türkischstämmigen Hintergrund. Nur selten berichten die Medien darüber. In Frankreich wurden sie jetzt verboten. Worum geht es aber bei dieser politischen Bestrebung? Der Extremismusforscher Armin Pfahl-Traughber fasst die wichtigsten Gesichtspunkte für den hpd zusammen.

Auch bei in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund gibt es Nationalismus und/oder Rassismus, der sich meist gegen andere Menschen mit Migrationshintergrund richtet. Hier kann man häufig von einer Fortsetzung von Konflikten sprechen, denn in ihren Heimatländern haben sie aufgrund dortiger Konstellationen ihren Ursprung. Meist beschränken sich die gemeinten Einstellungen auf persönliche Ressentiments, bestehen doch nur wenige politische Organisationen eines solchen Typs. Bezogen auf die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund, gemeint sind hier für Deutschland die Türken, gibt es aber sehr wohl organisierten Rechtsextremismus. Dabei kommt den Grauen Wölfen ein herausragender Stellenwert zu, rechnet man diesen doch um die 11.000 Personen zu. Die Bezeichnung steht in der Gesamtschau aber nicht für eine einheitliche Organisation, eher für eine Strömung.

Um dies besser einordnen zu können, bedarf es eines Blicks auf die Entwicklung in deren Heimatland. Dabei soll es zunächst um die Bezeichnung "Bozkurtlar" beziehungsweise "Bozkurtcular", also "Graue Wölfe", gehen. Es handelt sich um eine Anspielung auf mythische Auffassungen, die in türkischen Legenden immer wieder ein Thema waren. Demgemäß verwundert die Nutzung als Symbol nicht, wird doch eine starke Türkei eben in dem Wolf verkörpert gesehen. Die Anhänger der Bewegung formen gar mit den Fingern einen Wolfskopf, dieser steht für ein ideologisches Bekenntnis in der politischen Öffentlichkeit. Damit ist nicht nur eine bloße Identifizierung mit der türkischen Nation gemeint, beansprucht man doch über den bestehenden Staat hinaus eine organisatorische Vereinigung von allen türkischstämmigen Völkern. Gleichzeitig dienen dabei Feindbilder der Identitätsbildung, wozu neben den Kurden und anderen Minderheiten auch Christen, Freimaurer, Juden oder Kommunisten zählen.

In Deutschland wird derzeit ein Verbot der Grauen Wölfe diskutiert.

Die Anhänger einer solchen panturkistischen Ideologie kamen bereits im Rahmen der politischen Umbrüche auf, welche zur Gründung der modernen Türkei führten. Der Nationalismus ging dabei mit der Säkularität einher, wenngleich die späteren Grauen Wölfe durchaus Islam und Nation zusammendachten. Zunächst bestand nur eine Bewegung von Idealisten, was mit der Selbstbezeichnung Ülkücüler gemeint ist. Deren Anhänger gingen auch mit Gewalt gegen Linke und Minderheiten vor, in den 1960er bis 1980er Jahren kam es immer wieder zu Morden und Pogromen. 1969 entstand die Milliyetci Hareket Partisi (MHP), also "Partei der Nationalen Bewegung". Darin organisierten sich die Anhänger der Grauen Wölfe, während einige von ihnen weiterhin Gewalttaten durchführten. Gleichwohl wurde die MHP bereits 1975 als Koalitionspartner auch Regierungspartei, und der Parteigründer Alparslan Türkes stellvertretender Ministerpräsident.

Damit konnten die Grauen Wölfe ungehindert von den Sicherheitsbehörden weiter agieren. Bei der militärischen Bekämpfung der kurdischen PKK durch staatliche Truppen kam es sogar zu einer informellen Zusammenarbeit. Zwar erfolgte 1980 nach dem Militärputsch ein Verbot. Gleichwohl gelang es nicht wenigen Aktivisten, in staatlichen Institutionen unterzukommen. Nachdem zehn Jahre später das Verbot wieder aufgehoben wurde, erfolgte eine ansatzweise ideologische Umorientierung: Während die MHP weiterhin nationalistisch blieb, übernahmen die Grauen Wölfe auch islamistische Positionen. Gleichzeitig erfolgte eine Annäherung an die von Erdoğan geführte Regierungspartei, wurde man doch in einem komplexen Kräfteverhältnis deren politischer Verbündeter. Diese Entwicklung trug mit einer formalen Mäßigung dazu bei, dass die Grauen Wölfe als normale Partei wahrgenommen wurden. An einem kritischen Blick auf sie mangelt es auch in Deutschland und nicht nur in der Türkei.

Denn deren Anhänger gehörten mit zu den Migranten und bauten Strukturen für ihr Wirken auf. Dazu zählt der Dachverband Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyounu (ADÜTDF), also "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland", mit um die 7.000 Mitgliedern. Nach außen gibt man sich mehr als türkischer Kulturverein, weniger als politische Organisation. Formal zur Demokratie bekennt sich die Organisation schon in der Selbstbezeichnung. Auch werden offiziell Gesetzestreue und Integrationsbereitschaft bekundet. Indessen steht die erwähnte nationalistische Ideologie in einem eindeutigen Spannungsverhältnis zu demokratischen Wertvorstellungen. Und einschlägige Einstellungen finden dort große Verbreitung. Dies gilt auch und gerade für die Abneigung gegen Kurden, die sich mitunter in gewalttätigen Auseinandersetzungen artikulierte.

Andere Anhänger der Grauen Wölfe sind weniger organisiert, stehen sie doch durch die Kommunikation über soziale Medien meist nur als lose Netzwerke miteinander in Verbindung. Dabei handelt es sich um etwa 4.000 Personen. Einige dieser Aktivisten traten in rockerähnlicher Form auf, andere Anhänger nutzen das Internet zur Propaganda. Dabei werden die bereits erwähnten Feindbilder thematisiert, wobei es nicht nur gegen Kurden oder Linke, sondern auch gegen Armenier oder Juden geht. Es bestehen darüber hinaus regionale Organisationen, die nicht auf den ersten Blick diesem Kontext zugeordnet werden können. Dazu bedient man sich Bezeichnungen wie "Türkisches Kulturzentrum" oder "Türkisch-deutscher Freundschaftsverein". Ähnlich verhält es sich bei bestimmten Elternverbänden, Fußballclubs oder Jugendgruppen. Darüber hinaus engagieren sich die Anhänger mittlerweile auch in deutschen Parteien, um darüber politischen Einfluss in ihrem Sinne zu entfalten.

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