Kommentar

Heinrich Bedford-Strohm, der Rosinenpicker

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Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betont in Interviews immer wieder, dass sein Engagement für das "Kirchenschiff Sea-Watch 4" zum Ziel habe, Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken zu retten, weil sich die Politik passiv verhalte. Doch sein eigentliches Ziel ist es, den Verfallsprozess der evangelischen Kirche aufzuhalten.

Heinrich Bedford-Strohm ist Rosinenpicken seit seiner Kindheit gewohnt. Aus der Bibel holt er das heraus, was sich gut zur Schaustellung des Gedankens der sogenannten "christlichen Nächstenliebe" und des "lieben Gottes" nutzen lässt. Über die Bibelinhalte mit den Befehlen seines Gottes zur Vergewaltigung, zum Menschenraub, zum Totschlag und zum Völkermord redet er nicht. Derart entsetzliche Taten würden auch nicht zur aktuellen Rosinenpickerei in Form der Seenotrettung von Flüchtlingen mit der "Sea-Watch 4" passen.

Menschen in Not zu retten, gehört zu den Verhaltensweisen, die die Geschichte der Menschheit bestimmen. Sie hätte in der Evolutionsgeschichte anders wohl kaum den heutigen Platz eingenommen – rund 300.000 Jahre nach Entstehung des Homo sapiens in Afrika. Allerdings beschränkte sich das Helfen meist auf die eigene Familien- und Stammesgruppe sowie in neuerer Zeit verstärkt auf die Gruppe, innerhalb der man sich vor allem einig in den Antworten auf die Fragen "Woher komme ich?", "Wer bin ich?" und "Wohin gehe ich?" ist.

"Man lässt keinen Menschen ertrinken." Da hat Bedford-Strohm völlig recht, das wird niemand bestreiten, insbesondere nicht humanistisch gesinnte Menschen. Aber es gibt Ausnahmen: Kein Kapitän läuft während eines Orkans mit seinem Schiff zur Rettung Schiffbrüchiger aus, wenn dadurch das Leben seiner Mannschaft gefährdet wird. Und kein Leiter einer Bergwachtgruppe schickt seine Kameraden bei akuter Lawinengefahr zur Rettung von Verunglückten den Hang hinauf. Feuerwehrleute dringen auch nur nach einer Risikoabwägung in ein brennendes Gebäude ein. Für vernünftig denkende Menschen gilt: Rettung aus der Not nur dann, wenn die Retter keiner unzumutbaren Gefahr ausgesetzt sind.

Die Lebensrettung auf See ist vergleichsweise einfach und mit einem überschaubaren Aufwand zu bewerkstelligen. Ganz anders sieht es jedoch mit dem DAVOR und DANACH aus. Aus welchen Gründen wollen die Menschen nach Europa? Fliehen sie vor Bürgerkrieg, Gewalt oder Hunger? Werden sie politisch oder religiös verfolgt? Suchen sie bessere Lebensverhältnisse? Flüchten die Menschen oder wollen sie nach Europa immigrieren. Warum nehmen sie das Risiko auf sich, im Meer zu ertrinken?

Beim DAVOR gilt es also zu klären, was sich ändern müsste, damit kein Mensch lebensgefährliche Wege beschreiten muss. Der ehemalige Kulturstaatsminister und Philosoph Julian Nida-Rümelin hält dazu einen Paradigmenwechsel für erforderlich. Die Bekämpfung des Weltelends müsse durch eine sozialere, gerechtere, fairere und humanere Weltwirtschaftsordnung erfolgen und nicht vorrangig durch eine großzügige Aufnahmepolitik (hpd-Interview vom März 2017).

Heinrich Bedford-Strohm nimmt den leichten, den einfachen Weg: Er muss sich nur um ein Schiff kümmern, das im Mittelmeer Menschen aus seeuntüchtigen Booten rettet und diese in einem Hafen ablädt. Das DANACH überlässt er den Politikern. Die haben für die Bereitstellung von Mitteln für Unterkünfte, Verpflegung, Gesundheitsversorgung, Betreuung usw. zu sorgen. Bedford-Strohm dagegen kann sich als Retter von Menschenleben feiern lassen – in der Hoffnung, ja der Erwartung, damit das Image der evangelischen Kirche aufzupolieren und die Zahl der Kirchenaustritte zu verringern.

Kirchenmitglieder haben kein Recht, ihre Führungselite in demokratischen Wahlen zu bestimmen. Ganz anders läuft es bei den politischen Wahlen in einem demokratischen Staat: Das Volk – und nicht nur wie in den Kirchen eine kleine Clique – bestimmt, wer für eine Zeit lang das Sagen und die Verantwortung zu tragen hat. Und wenn das Volk bei der nächsten Wahl seine Meinung ändert, dann ändert sich auch die Zusammensetzung der Volksvertretung und in der Folge auch die Politik.

In nahezu allen Ländern der Europäischen Union haben die politischen Wahlen in den letzten Jahren das Parteiengefüge erheblich verändert – zum Teil mit bedrohlichen Folgen für das friedliche Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft. Das kümmert Bedford-Strohm jedoch nicht. Er pickt sich die Rosine Seenotrettung aus dem komplexen Flüchtlings- und Migrationsgeschehen heraus. Welchen Eigennutz er mit der Rosine verbindet, ist seiner Äußerung in der ARD-Reportage und Dokumentation "Wir schicken ein Schiff" vom 15. Juni dieses Jahres zu entnehmen: "Dass wir uns als Kirche mit der Zivilgesellschaft zusammentun, das halte ich für ein zukunftsträchtiges Vorgehen."

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