Er ist der wohl einzige lebende Mensch, dem es gelungen ist, zeitgleich mit den Antipoden Karl Popper und Paul Feyerabend befreundet zu sein: Am heutigen Samstag feiert der große Wissenschaftstheoretiker Hans Albert seinen 99. Geburtstag. Ihm zu Ehren bringt die Giordano-Bruno-Stiftung das Hans-Albert-Institut an den Start, das zu einer Stärkung des kritisch-rationalen, evidenzbasierten Denkens beitragen soll.
Anders als Jürgen Habermas, mit dem er einst den sogenannten "Positivismusstreit" austrug, wird Hans Albert heute vom deutschen Feuilleton weitgehend ignoriert. In der internationalen Wissenschaftsgemeinde hingegen spielt das von Albert und Popper propagierte "Prinzip der kritischen Prüfung" eine herausragende Rolle. Selbst in der globalen Popkultur sind die Albertschen Thesen inzwischen angekommen – was man beispielsweise daran erkennt, dass Sheldon Cooper, der Physik- und Wissenschafts-Nerd der erfolgreichen Comedy-Serie "The Big Bang Theory", das von Hans Albert beschriebene "Münchhausen-Trilemma" nutzte, um sich aus einer heiklen Situation zu befreien.
Vor 99 Jahren am 8. Februar 1921 in Köln geboren, studierte Albert nach dem Krieg Wirtschaftswissenschaften und Soziologie in seiner Heimatstadt. Nach der Promotion (1952) und Habilitation (1957) nahm er 1963 den Ruf auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre in Mannheim an, wo er trotz mehrerer Rufe an andere Universitäten bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1989 blieb. Bereits mit seinem 1968 entstandenen Buch "Traktat über kritische Vernunft", das schnell zu einem Klassiker der modernen Philosophie avancierte, etablierte sich Albert als einer der Hauptvertreter des Kritischen Rationalismus. Für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Soziologie und der Wissenschaftslehre erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universitäten Linz (1995), Athen (1997), Kassel (2000), Graz (2007) und Klagenfurt (2007). Albert ist gewähltes Mitglied der "Academia Europaea", Mitherausgeber der Zeitschrift "Aufklärung und Kritik", Ehrenpräsident der "Gesellschaft für kritische Philosophie" sowie (seit dem Gründungsjahr 2004) Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung.
Der Name verpflichtet: Über das Hans-Albert-Institut (HAI)
Da nichts und niemand unfehlbar ist, müssen Aussagen, Behauptungen, Theorien einer ständigen kritischen Prüfung unterzogen werden. Dies ist die Quintessenz der Philosophie Hans Alberts und zugleich der Arbeitsauftrag des nach ihm benannten Instituts. Aufgabe des HAI ist es, die von Hans Albert entwickelten kritisch-rationalen Problemlösungsstrategien stärker in Politik und Zivilgesellschaft zu verankern. Thematisch wird sich das Institut dabei auf solche Entscheidungsprozesse konzentrieren, die mit ethischen Konflikten verbunden sind (etwa Fragen der Sterbehilfe, des Schwangerschaftsabbruchs oder der Bioethik), da gerade bei solch "heiklen Themen" eine kritisch-rationale, evidenzbasierte und weltanschaulich neutrale Argumentation unerlässlich ist.
Wie die heute freigeschaltete Website des Hans-Albert-Instituts zeigt, kann das HAI von Beginn an auf einen imposanten Stab von renommierten Expertinnen und Experten, Professorinnen und Professoren zurückgreifen, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen stammen. Auch dies entspricht einem zentralen Aspekt der Albertschen Philosophie, die im Sinne eines transdisziplinären Ansatzes von einer "Einheit des Wissens" ausgeht und die traditionellen Gräben zwischen den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften überwindet.
Finanziert wird das HAI von der Giordano-Bruno-Stiftung, die das Konzept des Instituts im Rahmen ihres aktuellen Jahres-Schwerpunktthemas "Die hohe Kunst der Rationalität: Fakten, Fakes und gefühlte Wahrheiten" entwickelt hat. Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon ist davon überzeugt, dass das Hans-Albert-Institut ein Erfolgsprojekt wird, da es eine Lücke in der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik schließt:
"Das Institut soll komplexe gesellschaftliche Probleme auf Basis der Menschenrechte, aber möglichst unbeeinflusst von politischen Ideologien, weltanschaulichen Vorurteilen oder lobbyistischen Interessen beleuchten. Gerade in der heutigen, von moralischem Empörialismus und identitärem Lagerdenken geprägten Debatte scheint uns eine solche kritisch-rationale Herangehensweise erforderlich zu sein. Denn es gilt mehr denn je, heiße Eisen mit kühlem Verstand anzupacken, was verlangt, dass man weder in die Falle des Dogmatismus noch in die Falle des postmodernen Beliebigkeitsdenkens läuft. Hans Albert hat gezeigt, wie man diese Sackgassen vermeidet. Es liegt nun an uns, diese Techniken auf die relevanten Probleme unserer Zeit anzuwenden, etwa auf Fragen des Umweltschutzes, der Ressourcenverteilung, der Bioethik oder der Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz. Das Hans-Albert-Institut will hierzu einen Beitrag leisten."
Das Hans-Albert-Institut (HAI)
Direktorium: Florian Chefai, Adrian Gillmann, Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Prof. Dr. Andrea Maurer, Dr. Dr. Michael Schmidt-Salomon, Sophie Strobl, Prof. Dr. Franz-Josef Wetz
Beirat: Prof. Dr. Gert Albert, Kurt Albert, Prof. Dr. Max Albert, Dr. David Bardens, Dr. Tanja Gabriele Baudson, Prof. Dr. Dieter Birnbacher, Prof. Dr. Michael Braungart, Helmut Fink, Dr. Natalie Grams, Prof. Dr. Hartmut Kliemt, Prof. Dr. Horst Marschall, Prof. Dr. Reinhard Merkel, Dr. Nikil Mukerji, Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber, Amardeo Sarma, Prof. Dr. Beda Stadler, Prof. Dr. Gerhard Streminger, Rüdiger Vaas, Prof. Dr. Eckart Voland, Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer, Prof. Dr. Ulla Wessels.
Erstveröffentlichung auf der Webseite der Giordano Bruno Stiftung.
2 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wünsche mit Florian Chefai im Direktorium einen guten Anlauf und viel Erfolg! Sollte euer Lebenswerk werden, Sophie und Flo.
A.S. am Permanenter Link
Die Notwendigkeit von Rationalität ist unbestritten, doch:
Rationalität ist nur eine Seite des Menschen, die schwächere.
Ich würde mir ergänzend noch ein Institut wünschen, dass sich mit der Erforschung der Irrationalität des Menschen beschäftigt. Hier besteht m.E. noch ein riesiger Forschungs- und Erkenntnisbedarf.
Denn über unsere Irrationalität werden wir tagtäglich manipuliert, von der Politik, von der Wirtschaft und von den Religionen.
Ich sehe eine große Gefahr darin, die Rationalität des Menschen zu überschätzen.