Kommentar

Kein Kuschelkurs mit Querdenkern!

Der Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr erschüttert derzeit nicht nur Österreich. Monatelang wurde sie mit Morddrohungen konfrontiert, weil sie öffentlich über Corona aufklärte und Impfungen empfahl. Ihr Tod ist nicht zuletzt eine Folge des fahrlässigen Kuschelkurses staatlicher Institutionen mit der Querdenker-Bewegung.

Die Webseite der Arztpraxis von Lisa-Maria Kellermayr ist noch immer online. Die Praxis selbst ist seit Wochen geschlossen. Der Grund dafür ist auf der Seite der Landärztin aus Seewalchen am Attersee in Oberösterreich nachzulesen: 

"Liebe Patientinnen und Patienten, seit mehr als 7 Monaten bekommen wir in unregelmässigen Abständen Morddrohungen aus der Covid-Maßnahmengegner- und Impfgegner-Szene. Unter diesen widrigsten Bedingungen habe ich alles getan um eine medizinische Versorgung der mir anvertrauten Patient*innen sicherzustellen. Das hat jetzt vorerst ein Ende. Die Sicherheitskosten übersteigen den Gewinn einer Hausarztpraxis um ein Vielfaches. Bis heute habe ich mehr als 100 000 Euro in die Sicherheit des Ordinationsbetriebs gesteckt um garantieren zu können, dass sich niemand der hier Hilfe sucht dadurch in Gefahr begeben muss. Das hat nun ein vorläufiges Ende. Ich habe alles getan um dafür Unterstützung zu bekommen aber es hat nicht gereicht. Bis also ein Weg gefunden ist die Ordination sinnvoll und sicher weiterführen zu können werden die Sicherheitstüren der Ordination geschlossen bleiben. Wir sind telefonisch nicht mehr erreichbar. E-Mails können nicht beantwortet werden."

Einige Beispiele für diese Morddrohungen sind ebenfalls auf der Webseite aufgeführt. Detaillierte Folter- und Mordfantasien, die sich gegen die Ärztin und ihre Angestellten richten. Das alles, weil Kellermayr im Fernsehen und in den Sozialen Medien öffentlich über Corona und die Corona-Impfung aufklärte und Maßnahmengegner kritisierte. Unterstützung erhielt sie von Seiten offizieller Stellen wenig. Zu wenig. Man mutmaßte vielmehr, sie tue das, weil sie sich selbst in die Öffentlichkeit drängen wolle, und riet ihr, sich mit Äußerungen zurückzuhalten, um die Situation zu deeskalieren.

Kellermayr wird sich nun tatsächlich mit Äußerungen zurückhalten. Für immer. Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass die 36-Jährige tot in ihrer Praxis aufgefunden wurde. Ohne Fremdverschulden, heißt es von Seiten der Behörden. In Abschiedsbriefen erklärt sie, dass sie sich im Stich gelassen gefühlt habe, vor allem von der Polizei. "Ich verwünsche die Landespolizeidirektion Oberösterreich!" heißt es laut Kronen-Zeitung wörtlich.

Der Tod von Lisa-Maria Kellermayr ist tragisch. Tragisch für sie und ihre Angehörigen, weil hier völlig unnötig ein junger, engagierter Mensch gestorben ist. Tragisch jedoch vor allem, weil ihr Tod ein systematisches Versagen staatlicher Institutionen im Umgang mit militanten Impf- und Maßnahmegegnern zeigt. In Österreich ebenso wie in Deutschland und andernorts musste man während der vergangenen zwei Jahre den Eindruck gewinnen, dass von Seiten der Polizei und gelegentlich auch der Justiz ein anti-autoritärer Kuschelkurs mit der Querdenker-Bewegung gefahren wird. Während bei linken Demonstrationen der Wasserwerfer regelmäßig bereit steht und beim geringsten Verstoß gegen Auflagen Demos nicht selten rigoros aufgelöst werden, ließ die Polizei die Demonstrationen von Coronaleugnern, Maßnahmen- und Impfgegnern sowie Verschwörungstheoretikern mit Umsturzfantasien sehr häufig auch dann gewähren, wenn hierbei massiv gegen Demonstrations- und Pandemieschutzauflagen verstoßen wurde.

Dahinter schien die Hoffnung zu stecken, dass es sich bei einem Großteil der "Corona-Spaziergänger" nur um kurzfristig verirrte Gemüter handelt, die sich schon wieder fangen würden, sobald sich die Lage entspannt. Wozu es führte, war jedoch, dass sich die Querdenker-Bewegung bestärkt sah und Auswüchse hervorbrachte, die mit rationalen Worten und anti-autoritärem Kuscheln ebenso wenig erreichbar sind wie ein plärrendes Kind in der Trotzphase, dem nicht rechtzeitig Grenzen aufgezeigt wurden.

Das Gute daran: Im kommenden Herbst werden die staatlichen Institutionen noch einmal die Gelegenheit haben, ihre bisherigen Fehler im Umgang mit der Querdenker-Bewegung zu korrigieren. Denn ohne jede Frage wird es im Herbst eine weitere große Corona-Welle geben, die Maßnahmen notwendig werden lässt. Und sei es nur die Wiedereinführung einer allgemeinen Maskenpflicht, die der gemeine Querdenker ja bereits als massiven Eingriff in seine Freiheitsrechte betrachtet. Hinzu kommen die massiv gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten in Folge des Ukrainekriegs, für die in Querdenker-Kreisen die Politik des Westens verantwortlich zu machen ist und nicht Putin, der den völkerrechtswidrigen Krieg begonnen hat. Dieser Unzufriedenheitsmischmasch wird dazu führen, dass die Querdenker-Szene erneut Zulauf erhält. Wichtig wird es sein, dass der Staat und seine Institutionen dann endlich richtig darauf reagieren.

Nicht, weil das Haben einer anderen Meinung oder das Kritisieren staatlicher Schutzmaßnahmen bestraft werden sollte, wie von Querdenkern oft lamentierend gemutmaßt. Selbstverständlich darf man weiterhin anderer Meinung sein und man darf diese sogar äußern, ohne im Gefängnis zu landen – anders als im bei Querdenkern derzeit so hoch im Kurs stehenden Russland. Doch wenn Morddrohungen ausgesprochen werden und wenn auch vor Gewalt gegen Presse und Andersdenkende nicht zurückgescheut wird – wie bei Demonstrationen oft geschehen –, dann muss sofort und unmissverständlich Schluss sein mit dem Kuschelkurs. Denn wer so weit geht, der ist nicht mehr ohne Weiteres in ein vernünftiges und gesellschaftskompatibles Denken zurückzuholen. Aufgabe des Staates muss es deshalb primär sein, die Gesellschaft vor dieser sich immer weiter radikalisierenden Szene zu schützen, in der Kellermayrs Tod übrigens als Erfolg bejubelt wird.

Jetzt geht es tatsächlich darum, die Freiheit zu schützen. Nicht die vermeintlich eingeschränkte Freiheit der Querdenker, sondern die Freiheit der vernünftig denkenden Mehrheit der Gesellschaft. Wenn ich mich nicht mehr öffentlich für den wissenschaftlichen Konsens – in welchem Bereich auch immer – aussprechen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass mein Leib und Leben bedroht werden, und ohne sicher sein zu können, dass mir staatliche Institutionen im Fall der Fälle zur Hilfe kommen, dann sieht es bald sehr düster aus. Dann wird nämlich nicht mehr die Stimme der Vernünftigen öffentlich zu hören sein, sondern nur noch das lautstarke Krakeelen von Verschwörungstheoretikern.

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