Gestern endete die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, auf der ein neuer Missbrauchsbeauftragter ernannt wurde. Betroffene, die die Zusammenkunft in Fulda kritisch begleiteten, haben jedoch wenig Hoffnung, dass sich nun etwas ändert.
Helmut Dieser, Bischof von Aachen, ist neuer Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Zusätzlich gibt es nun auch einen Stellvertreter, Erzbischof Stephan Burger (Freiburg). Darüber hinaus soll ein unabhängiger Expertenrat und eine bischöfliche Fachgruppe unter Diesers Leitung eingerichtet werden. Schon im Frühjahr war angekündigt worden, man wolle "die personelle Verantwortungsstruktur für Fragen des sexuellen Missbrauchs auf eine breitere Basis stellen". Nach zwölf Jahren war der bisherige Amtsinhaber, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, zurückgetreten.
Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch zieht dazu eine schonungslose Bilanz. In einer Pressemitteilung mit dem Titel "Er war stets bemüht" heißt es: "Alle haben sich entschuldigt. Alle sind tief betroffen. Aber: Es ist noch kein einziger Bischof zurückgetreten. Verantwortung diffundiert in dutzende von Studien und Gutachten. (…) Eine Wahrheitskommission ist überfällig. Derweil warten die Opfer immer noch auf die versprochene schnelle Hilfe. Kein einziger Betroffener hat eine angemessene Entschädigung erhalten, sondern alle sind mit 'Freiwilligen Anerkennungsleistungen' abgespeist worden. (…) Es ist alles gesagt. Auch ein neuer Beauftragter und neue Gremien werden nichts ändern. Jetzt ist die Politik gefordert. Von der Kirche erwarten wir nichts mehr."
"Man hätte längst etwas verändern können"
Das Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen war auch diesmal wieder vor Ort, unterstützt von einem Team der Giordano-Bruno-Stiftung. Vor dem Konferenzort war eine Kunstinstallation aufgebaut, die neue und alte Protestelemente der Betroffenenbewegung kombinierte: Etwa die "Lange Bank des Missbrauchsskandals", entstanden in Erinnerung an eine Aussage des nun ehemaligen Missbrauchsbeauftragten Ackermann, man schiebe "nichts auf die lange Bank". Ebenfalls zu sehen war die Zeichnung "Glücksrad der Entschädigung" von Jens Windel von der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim, der auch Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz ist.
Windel hatte auch zwei neue Kunstwerke mitgebracht: Einen Auszug aus der Wanderausstellung "Betroffene zeigen Gesicht", initiiert von der Kunstakademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart, bei der bundesweit Betroffene dazu aufgerufen waren, Bilder von sich, die zur Zeit des Missbrauchs entstanden sind, einzusenden, versehen mit einem Text, der beschreibt, was die sexuelle Gewalterfahrung mit ihnen gemacht hat.
Außerdem hatte er ein symbolisches Grab gebaut, für die Moral und Verantwortung der katholischen Kirche. Als Todeszeitpunkt ist das Jahr 2018 angegeben, als die MHG-Studie vorgestellt wurde.
Der Eckige Tisch platzierte ein Fahrzeug mit einer LED-Videowand vor dem Konferenzgebäude, auf der der Clip "Maria weint" gezeigt wurde.
Dabei kam es auch zu Begegnungen zwischen Betroffenen und prominenten Kirchenvertretern. Sowohl der bisherige als auch der neue Missbrauchsbeauftragte der DBK samt Stellvertreter suchten das Gespräch vor Ort mit den Betroffenen. Nach seinem Eindruck gefragt, konstatiert Jens Windel: "Herr Ackermann ist immer freundlich, zugewandt und offen, aber wenn man mit ihm ins Gespräch kommt und mit Fakten belegt, dass sich die Summen zur Anerkennung des Leids im unteren Rahmen und nicht oben in der Schmerzensgeldtabelle bewegen, ergreift er die Flucht." Man sei zwar bereit, sich zu entschuldigen, aber Gerechtigkeit schaffen für die Betroffenen wolle man nicht, denn es solle nichts kosten. "Es wird zwar versucht, einen ehrlichen Kontakt herzustellen und bedachte Worte zu wählen, aber wir können sie ja nur an den Ergebnissen messen."
Abseits der öffentlichen, auch von Pressevertretern begleiteten Aussprache suchten die Bischöfe keinerlei Kontakt, obwohl sie sagten, dass sie dankbar für die Initiative der Betroffenen seien. Diese seien in den kirchlichen Gremien zu wenig vertreten, kritisiert Windel außerdem: "Ein Ungleichgewicht bei den Betroffenen wird in Kauf genommen, obwohl man weiß, wie ungerecht das System ist." Man wolle weiter im Gespräch bleiben, habe Bischof Dieser beteuert. Dazu Jens Windel: "Ich bin gespannt, inwieweit da was passiert, wir werden auf jeden Fall nicht lockerlassen. Skeptisch bleibe ich trotzdem. Man hätte ja längst etwas verändern können. Insgesamt versprechen wir uns nicht viel von dem Wechsel des Missbrauchsbeauftragten." Was sich die Opfer wünschen würden? "Dass die Stimmung und die Meinung von Betroffenen mehr gehört werden, und dass mehr auf die Betroffeneninitiativen eingegangen wird."