Die gestern bekanntgewordenen Vorwürfe gegen den vormaligen Bischof von Essen und Kardinal Franz Hengsbach und der Umgang damit in den Bistümern Paderborn und Essen sind entlarvend für die Selbstaufklärungsbemühungen der katholischen Kirche in Deutschland seit 2010. Wer immer noch nicht verstanden hat, weshalb es keine gute Idee ist, die Organisation, die über Jahrzehnte Missbrauchsverbrechen ihrer Kleriker vertuscht hat, mit der Aufklärung dieser Fälle allein zu lassen, der hat hier ein weiteres gutes Anschauungsbeispiel.
Es gibt viele Fragen, die jetzt zu klären sind: Gab es tatsächlich vor 2011 keine Hinweise auf das Verhalten von Kardinal Hengsbach? Weshalb wurden die Vorwürfe, die in den Bistümern Paderborn und Essen vorlagen, nicht zusammengeführt? Wer hat die Voruntersuchung in Deutschland geführt? Wer hat in Rom für eine Einstellung der Ermittlungen gesorgt? War es etwa der ehemalige deutsche Papst und vormalige Chef der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger? Alle diese Fragen und weitere Aspekte, die im Rahmen einer Untersuchung auftauchen mögen, sollten möglichst rasch durch eine unabhängige Untersuchungskommission geklärt werden.
Um so länger dieser Missbrauchsskandal schwelt, um so deutlicher und eindringlicher stellt sich die Frage nach der Mitverantwortung von Justiz und Politik. Es muss endlich Schluss sein damit, dass die Kirche oder von ihr beauftragte Gremien die Missbrauchsverbrechen und den Umgang mit diesen Fällen selbst aufzuklären versucht. Wenn wie im vorliegenden Fall Staatsanwaltschaften aufgrund von Verjährung nicht mehr tätig werden können, dann braucht es endlich eine unabhängige Untersuchungs- und Aufklärungsinstanz.
Nachdem der Bundestag es bis heute nicht über sich bringt, eine Untersuchungskommission mit der rückhaltlosen Aufklärung des katholischen Missbrauchsskandals zu beauftragen, geht unser Appell an die Landtage wie in diesem Fall in Düsseldorf: Es ist hohe Zeit für eine Wahrheitskommission bevor nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer nicht mehr leben!
Öffnet die Akten! Null Toleranz! Demonstration am 30. September 2023 in Rom
Die Forderung nach Zugang zu den Akten und unabhängigen Untersuchungskommissionen auch für die Bestände in der Zentrale der Weltkirche sowie der dort ansässigen Ordensgemeinschaften werden wir Ende der kommenden Woche auch konkret vor den Türen des Vatikans vorbringen.
Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung der katholischen Weltbischofssynode in Rom werden Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs durch Kleriker der katholischen Kirche aus aller Welt am 30. September in Rom demonstrieren.
Eckiger Tisch und das Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen wird dazu mit Betroffenen aus über 20 Ländern, die sich in der Initiative Ending Clergy Abuse (ECA) organisiert haben, vor den Vatikan ziehen. Mit der inzwischen weltweit bekannten Figur des "Hängemattenbischofs" werden wir auf die mangelnde unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch durch Kleriker hinweisen: in Deutschland und vielen Ländern rund um die Welt.
Wie schon 2019 wird ECA dabei auf die dringend notwendige Verankerung des Grundsatzes von Null Toleranz im Kirchenrecht hinweisen.
Weitere Informationen zu den geplanten Aktionen im Vorfeld der Weltsynode werden in den kommenden Tagen veröffentlicht.