Rezension

Merkmale demokratischen, populistischen und totalitären Denkens

Der Philosoph Daniel-Pascal Zorn will in "Logik für Demokraten. Eine Anleitung" die formalen Merkmale populistischen, totalitären und demokratischen Denkens herausarbeiten. Zwar gelingt ihm eine kritische Betrachtung von Manipulationstechniken, gleichwohl fehlt es dem Buch an Aktualität und Struktur für ein wichtiges Anliegen.

In einer Ära des Populismus ist es um die Vernunft schlecht bestellt. Statt Argumente zählen Gefühle. Aufklärung wird durch das Ressentiment negiert, Differenzierung der Pauschalisierung geopfert. Dies gilt bislang nur für einen Bereich der Gesellschaft, der aber bezogen auf das Wahlverhalten immer mehr zunimmt. Damit gerät auch die Demokratie selbst in Gefahr, nicht unbedingt bezogen auf die grundlegenden Institutionen, aber sehr wohl auf die politische Kultur. Insofern bedarf es umso mehr einer Kritik populistischem Denkens und einer Selbstvergewisserung vernünftigen Denkens.

Einen Beitrag dazu leisten will das Buch "Logik für Demokraten. Eine Anleitung", das der Philosoph Daniel Pascal Zorn vorgelegt hat. Darin, so der Autor, "werden populistisches, totalitäres und demokratisches Denken aus einer bestimmten philosophischen Perspektive beschrieben und diskutiert … einer Logik als Dialektik, d.h. einer Argumentationsanalyse, die konkrete Rede auf ihren Geltungsanspruch hin prüft und die Struktur ihrer Argumente beschreibt" (S. 26).

Am Beginn steht die Auseinandersetzung mit dem populistischen Denken: "Die primäre Grundstruktur dieses Alleinvertretungsanspruchs ist eine dogmatische Setzung" (S. 40). Als sekundäre Grundstrukturen gelten die Logik des falschen Dilemmas eines Schwarz-Weiß-Denkens, der Exzess der Positionierung durch endloses Wiederholen und der Bestätigungsfehler durch die Ignoranz des Nichtpassenden.

Der Autor geht somit auf Fehler und Strategien ein, wobei insbesondere Manipulationstechniken wie die mit dem Pappkameraden intensiv dargestellt und erörtert werden. Dazu gehört auch als eher neues Phänomen die Selbst-Viktimisierung, also die Klage darüber, Opfer von etwas zu sein. Bei all dem handelt es sich nicht um neue Phänomene, was durch Betrachtungen zu philosophischen und politischen Debatten aus der Antike immer wieder hervorgehoben wird. Anschaulich macht Zorn deutlich, dass der Alleinvertretungsanspruch des Populismus am Ende nur eine Machtoption im Sinne des Totalitären übrig lässt.

Daher geht es danach auch konsequenterweise um das totalitäre Denken: Der Autor lädt zunächst zu einem Gedankenexperiment ein, denn derartige Einstellungen haben durchaus einen Nutzen für deren Protagonisten. Auch hier werden die Argumentationsweisen und Techniken untersucht: "Ein totalitärerer Denker macht … eine Voraussetzung. Und dann tut er so, als würden auch alle anderen von dieser Voraussetzung ausgehen … Der totalitäre Denker beansprucht also, an der Stelle aller anderen zu sprechen" (S. 144). Ihm ginge es um eine Zustimmung ohne Zwang, welche aber nur durch Zwang sicher sein könne. Und schließlich widmet sich Zorn dem demokratischen Denken. Hier geht er ebenfalls noch einmal ausführlicher auf philosophische Debatte im alten Griechenland ein. Daraus leitet der Autor dann sein "Demokratie als Dialog"-Verständnis ab: "Diese Vorstellung von Demokratie basiert auf der Vorstellung einer Gemeinschaft derjenigen, die auf das Gemeinsame achten. Ihr Modell ist die gemeinsam geteilte Redesituation" (S. 203).

Das Anliegen des Autors ist überaus wichtig. Angesichts des Aufstiegs eines neuen Populismus bedarf es der Selbstvergewisserung argumentativer Vernünftigkeit. Kenntnisreich und souverän entlarvt er – im Anhang in einem Glossar noch einmal gesondert gesammelt - auch Manipulationstechniken populistischer Werbungen. Und doch überzeugt das Buch in der Gesamtschau nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe: Der Autor hat sich als Philosoph nicht genügend mit den politikwissenschaftlichen Publikationen zu Populismus und Totalitarismus, aber auch nicht zu Demokratie auseinandergesetzt. Er nutzt selten aktuelle Beispiele aus der Politik und greift lieber auf die Auseinandersetzungen in der griechischen Antike zurück. Und dann sind die drei Kapitel in sich nicht systematisch strukturiert. Gerade für eine "Anleitung" wäre dies unverzichtbar. Es gibt dabei aber viele Anregungen wie etwa zu der Funktion des Double-Bind oder der Pappkameraden im öffentlichen Wirken. Mehr Aktualität und Struktur wären aber bei einem so bedeutsamen Anliegen wichtig gewesen.

Daniel-Pascal Zorn, Logik für Demokraten. Eine Anleitung, Stuttgart 2017 (Klett-Cotta), 314 S., ISBN: 978-3-608-96096-9, 20,00 Euro