New South Wales/Australien:

Neues Gesetz gegen religiöse Verunglimpfung

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Sydney (New South Wales/Australien)
Sydney

Das Antidiskriminierungsgesetz in New South Wales (Australien) hat nach über 45 Jahren einen neuen Zusatz bekommen. Er soll religiöse Menschen vor Hass und Verunglimpfung schützen. Auch sollen sie nicht mehr der Lächerlichkeit preisgegeben werden können. Dieser Zusatz erfreut manch religiöse Gruppe, ruft aber auch Besorgnis hervor. Wird in Zukunft vor Gericht landen, wer Konversionstherapien oder die Bewertung von Menschen nach Kasten kritisiert?

Der im südöstlichen Australien gelegene Bundesstaat New South Wales hat seit 1977 ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz, den "Anti Discrimination Act 1977". Über die Jahrzehnte erhielt es immer wieder Zusätze. Aktuell soll es Menschen und Menschengruppen vor rassistischer Diskriminierung, aber auch vor Diskriminierung wegen eines Geschlechts, einer Behinderung, einer Betreuungsposition, Homosexualität, des Alters oder auch einer HIV-Infektion schützen.

Im August nun erhielt es einen weiteren Zusatz, der Anfang November in Kraft treten soll. Der neue Zusatz soll sicherstellen, dass Menschen oder Gruppen nicht wegen ihrer Religion oder religiösen Handlungen mit Hass überzogen, schwer verspottet oder ernsthaft verachtet werden. Auch soll das Gesetz Menschen vor eben diesem Hass, Spott und Verachtung schützen, wenn sie keine Religion haben und nicht an religiösen Handlungen teilnehmen wollen. Auch diese Positionen im Bezug auf Religion sollen geschützt werden.

Im Zusatz wird religiöse Verunglimpfung mittels jeder öffentlichen Kommunikation verboten. Selbst in Form von Gesten oder mittels des Tragens bestimmter Kleidung.

Einige religiöse Gruppen, wie zum Beispiel hinduistische, jüdische, muslimische oder Sikh-Organisationen, für die die Erweiterung des Gesetzes längst überfällig war, freuen sich über den bald wirksamen Gesetzes-Zusatz. Sie versprechen sich weniger Attacken gegen Menschen, die religiöse Symbole wie Turban, Hijab, Bindi oder auch Kippa tragen. Zudem erhoffen sie sich mehr Toleranz.

Kritik am Gesetz kommt jedoch von allen Seiten, auch von religiösen Menschen, die Einschnitte in die Meinungsfreiheit befürchten.

Bemängelt wird vor allem, dass das Gesetz von 1977 nicht komplett reformiert wurde, sondern nur Zusatz um Zusatz erhielt. Auch sei es weiter gefasst als die neueren Antidiskriminierungsgesetze der anderen australischen Bundesländer wie zum Beispiel das "Gleiche Chancen Gesetz" in Victoria oder das "Antidiskriminierungs- und Chancengleichheitsgesetz" in Queensland.

Hinzu kommt, dass der neue Zusatz versucht, alle religiösen Glaubensrichtungen, Zugehörigkeiten und Aktivitäten zu schützen, aber keinen dieser Begriffe definiert. Zusätzlich gibt es weitere schwammige Stellen; zum Beispiel wird der Begriff der Gruppe nicht definiert.

Fraglich ist, ob womöglich bestraft werden kann, wer religiöse Praktiken kritisiert. So ist völlig unbekannt, ob diejenigen, die Konversionstherapien, welche homo- und bisexuelle oder trans Personen als fehlerhaft einstufen und mittels menschenverachtender Behandlungen verändern wollen, kritisieren, dies noch frei tun können. Gerade Konversionstherapien und ihre Verbote sind in New South Wales und dem restlichen Australien ein Thema. Wird über diese Behandlungen gesprochen, ist es schwer und womöglich schädlich, auszuklammern, dass hinter dem Druck, sich einer "Therapie" zu unterziehen, beziehungsweise den "Therapie-Angeboten" selbst nicht selten religiöse Gruppen stehen.

Auch könnte die Kritik an einer Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Kaste, wie sie unter zum Beispiel aus Indien stammenden Menschen tatsächlich noch immer geschieht, als Attacke gegen eine religiöse Überzeugung gewertet werden.

Ein kritischer Umgang mit religiösen Persönlichkeiten sowie religiösen Handlungen ist wichtiger Bestandteil gesellschaftlicher Entwicklungen. In Deutschland beispielsweise legen die Karnevalswagen des Künstlers Jacques Tilly immer wieder den Finger in diese Wunde. Während wohl selbst die meisten Gläubigen die Notwendigkeit solcher Aktionen erkennen, um zum Beispiel religiöse Mächtige zum Handeln oder Unterlassen aufzufordern oder auch die Unmenschlichkeit hinter manch einer religiösen Praktik aufzuzeigen, könnte diese Kunstform in New South Wales vor einem Gericht enden.

Zwar sollen nach Vorgaben des neues Gesetzeszusatzes faire Berichte sowie "vernünftige" und "in gutem Glauben" ausgeführte akademische, künstlerische, wissenschaftliche, zu Forschungs- oder religiösen Diskussions- oder Unterrichtszwecken ausgeführte Handlungen weiterhin stattfinden dürfen. Jedoch wurden sie im Gesetzestext nicht näher definiert, sodass in Zukunft womöglich zahlreiche Urteile darüber gefällt werden müssen, was noch gestattet sein wird.

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