In Neuseeland wurde vor kurzem die erste offizielle Hijab-Polizeiuniform vorgestellt. Frauen, die sich dem Islam zugehörig fühlen, ist es somit erlaubt, ein Symbol ihrer Religion im Staatsdienst offen zu tragen. Auf weltanschauliche Neutralität des Staates und seiner Angestellten wird dabei zugunsten gut gemeinter Diversität verzichtet.
Zeena Ali ist die erste Frau in Neuseeland, welche in Uniform mit passendem Hijab offiziell zum Polizeidienst zugelassen wurde. Die 30-Jährige meldete sich nach den rechtsterroristischen Anschlägen in Christchurch zum Polizeidienst an und war in den Design-Entwicklungsprozess des "Polizeikopftuchs" eingebunden, wie die Zeitung New Zealand Herald berichtet.
Für Ali, die ursprünglich von den Fidschi-Inseln stammt, ist das Kopftuch unter der Uniform ein großer Schritt: "Es fühlt sich großartig an, da rauszugehen und den Hidschab als Teil meiner neuseeländischen Polizeiuniform zu zeigen", sagte Ali der Zeitung. "Das zu sehen, wird mehr muslimische Frauen animieren, Mitglied der Polizei zu werden."
Auf Instagram verbreitete die neuseeländische Polizei ein Foto der Polizeiabsolventin mit Kopftuch, der auch sonst viele Zugeständnisse bei der Ausbildung gemacht worden waren. So wurden ihr laut Zeitungsbericht ein Gebetsraum sowie Halal-Speisen bereitgestellt und es war ihr gestattet, den Schwimmunterricht mit Ganzkörperanzug zu absolvieren.
"Wir erkennen den Wert, den unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen für die Verbesserung unserer Arbeit mit sich bringen", wird eine Stellungnahme der Polizei zitiert. "Wir brauchen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Hintergründen und Erfahrungsstufen. Vielfalt ist unerlässlich, damit wir jetzt und in Zukunft effektiv auf die Bedürfnisse der neuseeländischen Gemeinden eingehen können."
Dass das Kopftuch und die Verschleierung der Frau auch dazu dient, ihre Reize vor Männern zu verbergen, scheint der neuseeländischen Polizei nicht in den Sinn gekommen zu sein. Denn mit dem Hijab wird nicht zuletzt auch eine patriarchale Einstellung mittransportiert, in der Frauen gesellschaftlich nicht gleichberechtigt mitwirken dürfen. Auch die teilweise stattfindende Umdeutung des Stoffes in der westlichen Welt als Symbol der selbstbestimmten Muslimin kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der islamisch geprägten Welt für Frauen häufig ein Zwang besteht, sich zu verhüllen. Natürlich hat jeder das Recht sich privat so zu kleiden, wie es ihm beliebt, jedoch haben Polizisten und Polizistinnen im Dienst eine Kleidungsvorschrift. Diese wurde nun extra für eine bestimmte Religionsgemeinschaft abgeändert.
Neuseeland ist ein säkularer Staat, in dem Staat und Religion keinerlei Verflechtung aufweisen sollten. Umso mehr irritiert es, wenn es religiösen Menschen nicht nur erlaubt wird, Symbole und Kleidungsstücke ihrer Religion im Staatsdienst neben der Uniform zu tragen, sondern sogar eine offizielle "Kollektion" mit einer religiösen Kopfbedeckung angefertigt wird. Dies könnte durchaus als Bevormundung einer bestimmten religiösen Gruppe gewertet werden. Stellt man sich etwa vor, Polizisten würden auch mit einer Kreuz-Kette oder sogar einem Nudelsieb unter der Dienstmütze auf Streife erscheinen, würden sie gegen ihre Dienstkleidungsvorschrift verstoßen und gegebenenfalls aus dem Staatsdienst ausscheiden.
Problematisch an dem Fall ist, dass sich hier nicht der religiöse Mensch den weltlichen Gesetzen und Regeln im Staat unterordnen muss, sondern aufgrund seines religiösen Zwangs eine Kopfbedeckung tragen zu müssen, in den Genuss einer Ausnahmeregelung gelangt. Was Bürger im privaten gerne Tragen, sollte selbstverständlich den Staat nichts angehen. Es ist jedoch fraglich, ob jemand, der seine religiösen Regeln und Vorschriften nicht in Ausübung der Staatsgewalt zurückstellen kann, besonders dafür geeignet ist, weltliche Gesetzestreue zu überwachen.
16 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein Witz? Anscheinend nicht.
Frage mich jedoch, was passiert, wenn Niqab oder gar Burqa Teil der Uniform werden sollen... :-D
Oliver Tausend am Permanenter Link
Eine kluge und erfolgreiche Covid-19-Politik („go hard, go early“) ist noch kein Garant für eine solche Politik in anderen Bereich.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Auch eine Möglichkeit, den Wolf im Schafsfell zu erlauben, wenn das Schule macht in Neuseeland, ist die Neutralität des Staates dort schon Untergraben geworden.
libertador am Permanenter Link
"Problematisch an dem Fall ist, dass sich hier nicht der religiöse Mensch den weltlichen Gesetzen und Regeln im Staat unterordnen muss, sondern aufgrund seines religiösen Zwangs eine Kopfbedeckung tragen zu müsse
Hier möchte ich anmerken, dass die weltlichen Gesetze zum Teil nur scheinneutral sind. So bevorzugt zum Beispiel die Gestaltung der Religionsfreiheit in Deutschland mit Privilegien für in bestimmter Form organisierter Religion eine scheinbare Neutralität. Das Wappen Neuseelands ist zum Beispiel nicht religiös neutral, sondern enthält mit der Edwardskrone christliche Symbolik. Ein Hidschab als religiöses Symbol ist damit an der Grenzfrage wie weit religiöse Symbolik im Staatsdienst gehen sollte.
Von säkularer Seite sehe ich das durchaus als Gradwanderung, da man Religionsfreiheit und Persönlichkeitsfreiheit auch Amtsträgern zugestehen muss. Auf der anderen Seite sollte der Staat selber neutral auftreten. Deswegen kann man meiner Meinung nach die Beurteilung nicht unabhängig vom Kontext vornehmen und muss darauf schauen, was das Symbol des Kopftuches tatsächlich in der neuseeländischen Gesellschaft bedeutet. Das kann ich nicht beurteilen, aber dies lässt sich auch nicht mittels allgemeiner Hinweise auf die Rolle des Kopftuches in anderen Gesellschaften in denen ein entsprechender Zwang besteht beantworten.
Man stelle sich vor die Situation wäre eine andere. Es gäbe eine Gesellschaft in der es üblich ist eine Kopfbedeckung zu tragen. Nun gibt es eine Religion, die das Tragen verbietet. Ich denke nicht, dass dies allgemein heißt, dass man diesem Wunsch nach Ausübung nicht nachgeben sollte, sondern es gilt zu überlegen unter welchen Bedingungen diesem Wunsch nachgegeben wird.
Esiberto am Permanenter Link
In bestimmten Berufen ist es aus guten Gründen üblich Uniform zu tragen.
Zu Erläuterung hier aus Wikipedia:
Die Uniform symbolisiert die Funktion ihres Trägers und/oder
und zu einer Organisation (Bekleidung, Abzeichen, Nationalflagge u. a.).
Durch das Tragen der Uniform soll das Individuum
seinen Beruf oder seine Aufgabe verkörpern
und seine Aufgabe als Funktionsträger besonders in den Vordergrund stellen.
Mit dem Tragen der Uniform wird auch der Korpsgeist
der Uniformträger ausgebildet und gefestigt.
Uniformen sind entweder vorgeschrieben (z. B. im öffentlichen Dienst)
oder üblich.
Soldaten, Angehörige von Hilfsdiensten sowie Polizeivollzugsbeamte im Auslandseinsatz sind zudem aufgrund des Völkerrechts verpflichtet, Uniformen zu tragen.
Hier stellt sich also die Frage welche Zugehörigkeit durch ein Kopftuch angezeigt wird und ob damit nicht die Uniform als solche ihre Sinnhaftigkeit verliert, wenn sie eben nicht mehr einheitlich ist und statt dessen die Möglichkeit individueller Kleidung oder beliebiger Symbole eröffnet wird.
Die Lösung wäre eine allgemeine Kopftuchpflicht für alle Polizistinnen, damit wäre die Uniform dann wieder hergestellt. Aber was kommt dann als nächstes und wem nützt das?
Für den Bürger kann ich keinen Vorteil sehen, für die Polizei insgesamt auch nicht.
libertador am Permanenter Link
Wenn ich mir den verlinkten Bericht in der neuseeländischen Zeitung ansehen, dann ist die Polizistin weiterhin ohne Probleme als Polizistin erkennbar.
Ich sehe in der Regelung mindestens für eine Bürgerin einen Vorteil, nämlich für Frau Ali. Für die Gesellschaft bietet es den Vorteil, dass sich mehr weibliche Muslime, für die das Kopftuch selbstverständlich ist, für die Polizei interessieren und wie die Polizei im verlinkten Artikel mitteilt, dass die Perspektive innerhalb der Polizei breiter wird. Ich würde es in diesem Fall verneinen, da das Kopftuch nur einen unwesentlichen Eingriff in die Uniform bedeutet, im Gegensatz etwa zu einem Gesichtsschleiher.
Das Geschehen ist auch angesichts des Anschlages gegen muslimische Gläubige zu betrachten, sodass dies ein Signal an die Muslime in Neuseeland ist dazuzugehören. Wenn es konkrete Bedenken dazu gibt, etwa dass es Fehlverhalten gibt, dann könnte man die Regelung auch wieder ändern.
Unechter Pole am Permanenter Link
Könnten Sie irgendwelche gute Gründe nennen, weshalb der Staat der Religionsfreiheit mehr Bedeutung eingestehen sollte als z.B. persönlichen Vorlieben?
Problematischer am Kopftuch als an der Jogginghose bei Staatsfunktionären ist, dass die Jogginghose lediglich eine selbstgewollte Lässigkeit in der Einstellung gegenüber Dienstvorschriften signalisiert - das Tragen eines Kopftuchs (Kreuzes, Turbans, etc.) hingegen beweist, dass man sich einer nichtstaatlichen, dazu ggf. menschenrechtfeidlichen Instanz mehr verplichtet fühlt, als dem Staat.
libertador am Permanenter Link
"das Tragen eines Kopftuchs (Kreuzes, Turbans, etc.) hingegen beweist, dass man sich einer nichtstaatlichen, dazu ggf. menschenrechtfeidlichen Instanz mehr verplichtet fühlt, als dem Staat."
Das wäre eben zu belegen. In dem verlinkten Artikel ist davon die Rede, dass seit 2008 ein Polizist mit Turban im Dienst ist. Von Problemen mit der Erfüllung von Dienstpflichten in dem Zusammenhang ist nichts bekannt.
Unechter Pole am Permanenter Link
Das ist einfach zu belegen, und zwar wie folgt:
1. Der Dientsherr schreibt das Tragen von Uniformen vor.
2. Der Religionsführer befehlt das Tragen von Turban/Burka/Kippa/etc. vor.
q.e.d.
libertador am Permanenter Link
Nur sagt der neuseeländische Dienstherr, dass das Tragen von Turban oder Kopftuch mit dem Tragen einer Uniform kompatibel ist.
SG aus E am Permanenter Link
Unechter Pole: „1. Der Dienstherr schreibt das Tragen von Uniformen vor.”
Ja, nur sehen die Neuseeländer das anscheinend nicht so eng wie die Franzosen.
Im unten verlinkten Text zu Diversitätsmodel und Kontrollmodell wird ein anderer Konflikt angesprochen – der ums Kantinenessen: Ein Dienstherr bietet ein täglich wechselndes Menü an. Einige Vegetarier fordern fleischloses Essen. Der (neuseeländische) Dienstherr sieht die Sache nicht so eng und sorgt für Wahlfreiheit.
Ein Dienstherr, der dem Kontrollmodell folgt, fragt zuerst, aus welchen Gründen fleischloses Essen verlangt wird. Wenn es aus religiösen Gründen geschieht, macht er ein Problem daraus und stellt sich quer.
libertador hatte geschrieben: „Von Problemen mit der Erfüllung von Dienstpflichten in dem Zusammenhang ist nichts bekannt.”
Ein Staat handelt pragmatisch, wenn er mehr auf bestehende Probleme reagiert – und weniger auf befürchtete.
PS: Als es im vergangenen Jahrhundert beim niederländischen Militär um die vorgeschriebene Haarlänge ging, reagierte der Staat (dem Diversitätsmodell folgend) so: Um der Unfallgefahr zu begegnen, schrieb er den 'Langhaarigen' Haarnetze vor.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Es ist ja bereits schon früher alles zur Neutralitätspflicht des Staates im hpd gesagt worden. Hauptsache, Europa nimmt sich kein Beispiel an der beschriebenen Haltung der Neuseeländer.
David Z am Permanenter Link
"gut gemeinter Diversität "
Es glauben leider immer noch viel zu viele, einem göttlichen Dogma gleich, dass Vielfalt und Diversität grundsätzlich positiv ist.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Gut gemeint, schlecht gemacht, damit dürfte alles gesagt sein.
SG aus E am Permanenter Link
Angelika Wedekind: „Gut gemeint, schlecht gemacht, damit dürfte alles gesagt sein.” – Keineswegs.
—
(1) https://teara.govt.nz/en/photograph/32274/sikh-police-constable (Datum: 12.09.2008).
Ähnliches aus Großbritannien vom 11.12.2012: https://www.welt.de/newsticker/news3/article111957571/Erstmals-Soldat-mit-Turban-vor-dem-Buckingham-Palast-stationiert.html
(2) https://verfassungsblog.de/betverbot-der-schule-stop-obsessing-religion/
Im Beitrag vom 27.05.2010 werden zwei Modelle von Säkularität vorgestellt: das 'control model' und das 'diversity model'.
Martin am Permanenter Link
OK, wenn ich als FKK-Anhänger auch meine eigene Polizeiuniform kriege.
Gleiches Recht für alle.