Zwölf Chancen für die offene Gesellschaft

Die Säkulare Ampel

4. Sexuelle Gewalt gegen Kinder lückenlos aufklären

Sexueller Kindesmissbrauch durch Kleriker ist ebenso systemisch bedingt wie seine Vertuschung systematisch vollzogen worden ist. Der Staat ist diesen Verbrechen nicht nachgegangen, sondern hat die Aufklärung viel zu lange den Tätern überlassen. Dadurch hat er seinen Schutzauftrag für die Betroffenen vernachlässigt und in der Bevölkerung viel Vertrauen zerstört.

"Wenn der Staat seine Ermittlungspflicht vernachlässigt, beginnen die Normen zu erodieren."
Reinhard Merkel

Ein fester Bestandteil des Missbrauchsskandals ist die juristische Sonderrolle der Kirchen in Deutschland. Auch hier wird das im Grundgesetz garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kirchen zum Selbstbestimmungsrecht verzerrt. So ist ein "Staat im Staate" mit seinen eigenen Gesetzen entstanden. Die Verfolgung der Straftäter wurde erst durch die bundesweit 27 Strafanzeigen aufgenommen, die Prof. Dr. Reinhard Merkel und fünf weitere Strafrechtler gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw), gegen die katholische Kirche eingereicht hatten.

In einem Protestbündnis mit Maria 2.0 und dem Betroffenenverband Eckiger Tisch e. V. haben Mitglieder des Zentralrats mit weltweit beachteten Aktionen auf den kirchlichen Missbrauchsskandal reagiert. Betroffenenvertreter Matthias Katsch appellierte dabei an die Verantwortung der Politik: "Weder die Bundesregierung noch die Parteien, die Parlamentarier und die Gesellschaft dürfen sich wegducken."

Auch Agnes Wich von der Betroffeneninitiative Süd­deutschland findet deutliche Worte: "Es hilft nur eins: Die Staatsanwaltschaften müssen wie bei jeder anderen Form der organisierten Kriminalität sich ein eigenes Bild von der Lage verschaffen und die Archive selbst durchsuchen. Die Justizminister der Länder können und müssen hierzu die Anweisung erteilen." Als Zentralrat der Konfessionsfreien solidarisieren wir uns mit den Opfern sexueller Gewalt und unterstützen die Forderungen der Betroffenenverbände.

Vom Staat erwarten wir ein konsequentes Vorgehen gegen alle Täter und Mitwisser. Staatsanwaltschaften müssen sich Einblick in sämtliche Akten verschaffen. Nur so kann der Staat seiner Schutzpflicht gegenüber den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft gerecht werden: den Kindern. Und nur so kann er verlorenes Vertrauen wiederherstellen.